Nimona:
Ein Film mit zwei Gesichtern. Auf der einen Seite gefällt mir sowohl die Idee und die allgemeine Geschichte sehr gut. Die Charaktere sind unterhaltsam und, wenn auch nicht immer alle Witze wirklich sitzen und sie ab und an etwas nerven, Leute mit denen man gerne etwas mehr Zeit verbringt. Und das Finale hat mir extrem gut gefallen. Sowohl audiovisuelles Spektakel, als auch ein richtig herzzerreisender Moment.
Ein „guter Charakter“, welcher durch Vereinsamung und Hass gegen sich die Kontrolle verliert und zu einem Monster wird… das ist nicht unbedingt das neuste. Aber der Schlusspunkt solcher Wandlungen wird in der Regel immer als Gewaltausbruch gegen andere gezeigt. Der Charakter/das Monster will nur noch töten und zerstören, weil es genug hat.
Das dieser Film den Schlusspunkt dieses Charakters in Verzweiflung und einem Selbstmordversuch sieht… das ist neu. Und ehrlich, der Moment war ein ziemlicher Schlag.
Und dann hat der Film auch noch eine negative Kehrseite. Das, in meinen Augen, unglaublich schlampige Worldbuilding.
Der Film möchte eine ganze Menge sagen! Es geht um so vieles, aber die Hälfte der Dinge ziehen einfach nicht, weil der Film einen wirklich schlechten Job macht, die Welt zu etablieren. Irgendwo in der Mitte des Filmes gibt es Momente, wo einer der Charaktere erklärt, dass man „das System“ hinterfragen sollte, eine offensichtliche Anspielung an diverse reale, soziale Probleme…
Das Problem ist, dass bis dahin der Film kaum etabliert hat, WAS das System genau macht oder ist. Der Anfang hat eine Erklärung, welche ein bisschen die Lore etabliert, aber danach sieht man kaum wie sich das „System“ im Alltag der Bevölkerung zeigt.
Dann gab es noch einen Moment wo der Film völlig auf „Attack on Titan“ geht und erklärt, dass wir nicht wissen, was ausserhalb der „Mauer“ ist. Und ich dachte zu dem Zeitpunkt nur: „Mauer…? Was für eine Mauer? Habe ich was verpasst?“
Kann sein, dass im ersten Akt mal was erklärt wurde. Vielleicht habe ich was verpasste? Keine Ahnung, ich kann nur sagen, dass der Film seine Welt überhaupt nicht gut etabliert. Und im Anbetracht der Tatsache, dass die Welt, die Politik und das System eigentlich narrativ wichtig ist, ist das ein massives Versäumniss.
Und das ist schade. Denn die Grundidee ist eigentlich extrem cool! Im Prinzip ist es eine Fantasywelt, wo der technologische Fortschritt aber nicht im Mittelalter stehengeblieben ist, sondern man bis ins SciFi-Zeitalter vorwärts gegangen ist. Weil aber die Fantasy-Realität noch immer, nun, REALITÄT ist ist die Gesellschaft noch immer um gewisse Konzepte (wie z.B. Prophezeihungen und Aberglauben) gestrickt, der in einer Fantasywelt halt echt und fassbar ist.
Das ist eine coole Idee und der Film macht auch einige wirklich gute Dinge damit. Es bräuchte einfach etwas mehr Sorgfalt, einen stärkeren, ersten Akt, sodass man die Welt besser verstehen kann.
Und auch die Technische Umsetzung ist etwas, wo ich bis zum Schluss Mühe hatte, aber einfach weil auch hier das letzte gewisse „Etwas“ fehlt.
Der Film sieht eigentlich toll aus. Er ist technisch super umgesetzt und hat einen ganz eigenen, visuellen Stil. Nur ist es ein Stil mit dem ich nie so richtig warm wurde. Irgendwie funktionierte er für mich nicht, weil es zu sehr ein Konflikt zwischen minimalistisch, detailarmen Charakteren und zum Teil extrem detailierten Texturen an Dingen wie Rüstung oder Hintergründen ist. Das ganze kam für mich nie so ganz zusammen, ein Paar Regler sind zu sehr in die eine oder andere Richtung gestellt…
Dennoch will ich hier nicht den Eindruck gegeben, dass der Film schlecht oder nicht sehenswert ist. Was funktioniert sind die Charaktere und deren zwischenmenschlichen Beziehungen. Und in der Regel, wenn DAS funktioniert, dann kann mich ein Film normalerweise bei der Stange halten und emotional reinziehen. Und in diesem Film ist das auf jeden Fall so.
Fazit: Gute Ideen, gute Charaktere und einige wirklich starke Momente. Aber der erste Akt versäumt es, uns die Welt genug gut zu etablieren.