Napoleon:
Mensch, Ridley Scott… was ist mit dir passiert?
Einst dieser geniale, visionäre Fimemacher, der das SciFi Genre gleich zweimal revolutionierte.
Und heute macht er „Napoleon“.
Die Hauptdiskussion die ich um diesen Film gehört habe war, wie historisch fehlerhaft er ist. Und ja, sowas kann natürlich nerven… aber für mich hätte der Film die Sphinx als einen ägyptischen Mecha zeigen können mit dem Napoleon sich eine Fauskampf lieferte, und mir hätte der Film immer noch besser gefallen können als er es jetzt tut… wenn der Film KOMPETENT gemacht wäre!
Und meine Güte, ist dieser Film nicht kompetent gemacht!
Worum geht es in „Napoleon“? Nun… im Napoleon, klar.
Aber was ist der Kern der Story? Geht es um seine Qualitäten als ein General?
Nun, nein, tut es nicht. Der Film zeigt praktisch Nichts, was ihn zu einem tollen General macht. Wir sehen einige seiner berühmten Schlachten, aber keine davon ist auch nur Ansatzweise so aufgebaut oder etabliert, dass man genau versteht warum Napoleons Strategien so einmalig waren. Oder auch nur, warum die Schlachten überhaupt wichtig sind. Sie sind einfach da… Teil der Geschichte, aber kaum verständlich.
Das gleiche gilt für die Politik und Napoleon als Staatsmann. Politik… passiert. Aber wenn man sich nicht mit den historischen Hintergründen der Geschichte auskennt, dann kriegt man kaum mit, was jetzt wie warum läuft. Napoleon und seine Leute machen einfach Sachen und dann passieren sie und dann… geht die Geschichte weiter. Es ist, ohne grosse Übertreibung, als ob man die Zusammenfassung einer historischen Persönlichkeit auf Wikipedia liesst. Und nicht den ausführlichen Wikipedia Artikel. Sondern der erste Paragraph, wo einfach Fakten aufgelistet sind, ohne grosse Details wie Alles zusammen hängt.
Historischie Geschichten sind schwierig als Film zu erzählen. In der Regel ist es am besten, sich auf ein Ereigniss oder eine Phase der Story zu fokusieren, da man sonst kaum genug Spielraum hat. Ridley Scott will hier aber effektiv ALLES abdecken, von Napoleons erstem bis letzten Feldzug. Weswegen rein gar nichts Zeit zum atmen hat.
Es geht also nicht um den General Napoleon oder den Politiker Napoleon.
Geht es um den Mann Napoleon? Den Menschen, die Person?
Nun… nein.
Denn dafür sehen wir viel, viel zu wenig von ihm. Und damit meine ich nicht, dass man Napoleon zu wenig auf dem Screen hat, er ist die ganze Zeit da. Aber er interagiert kaum mit Leuten, zumindest nicht als irgend eine Persönlichkeit.
Wir haben null Verständniss dafür, warum ihn die Hochrangigen Leute um ihn mögen. Oder nicht mögen. Ehrlich gesagt, wir wissen nicht, wie die Elite Napoleon sieht, denn er interagiert kaum mit jemandem auf eine Art welche Schlüsse darüber zulassen.
Also vielleicht mehr um seine Beziehung zu seinen Soldaten?
Nope. Auch hier nicht. Was es extrem unfreiwillig lustig macht, wenn Napoleon im dritten Akt plötzlich Truppen um sich schart, weil sie ihn respektieren und verehren. Denn auch hier: das war schlicht und ergreifend nicht etabliert!
Ich glaube am ehesten könnte man argumentieren, dass es in dem Film um seine Beziehung zu Josephine geht.
Und das ist definitiv der Aspekt des Filmes, der am meisten ausgearbeitet ist, und womit der Film am meisten Zeit verbringt.
Weswegen es umso trauriger ist, dass auch dieser Aspekt viel zu schwach daher kommt.
Die beiden Charaktere haben leider NULL Chemie und NULL Grund, irgendwas ineinander zu sehen. Wir sehen die beiden praktisch nie wirklich im Positiven zu interagieren. Ihre Briefe sagen uns, dass da eine Beziehung herrscht, und wenn wir Napoleon mit ihre interagieren sehen, dann sehen wir einen Mann der von ihr besessen ist… aber warum genau? Was sieht er in IHR? Keine Ahnung. Und was hält sie von IHM? Keine Ahnung. Spiel alles keine Rolle, Hauptsache man kann die wichtigen PLOTPUNKTE zwischen denen zwei in die Story reinquetschen.
Nichts zeigt die völlige Vernachlässigung des Josephine-Charakters mehr, als die Tatsache, dass der Film uns zu Beginn explizit zeigt, dass sie ZWEI KINDER HAT, und diese dann absolut für den Rest des Filmes VERSCHWINDEN. Ist nicht so, dass man sie mal im Hintergrund sieht oder dass sie kaum noch zu sehen sind. Sie VERSCHWINDEN. Sie existieren nicht mehr! Es wird nicht mal angesprochen, als es um die Frage ging, ob Josephine überhaupt schwanger werden kann. Man würde denken, dass sei ein Punkt, der in die Diskussion einfliessen könnte. Das KÖNNTE ein interessanter Punkt sein um persönliches Drama daraus zu machen. Dass da eine Reibung entsteht zwischen Napoleons Wunsch seine eigenen Kinder mit Josephine zu haben, und der Tatsache, dass sie zwar in der Vergangenheit Kinder haben konnte, jetzt aber nicht mehr…
Wäre doch interessant, oder?
Aber nein… wird nicht mal angesprochen, und warum sollte es auch? Das wäre nicht ein PLOTPUNKT, dass wäre persönliches, charakterentwickelndes Drama, und das macht Ridley Scott offenbar nicht mehr. Weswegen die Kinder schlicht und einfach vergessen werden.
Und hier will ich jetzt doch nochmals den Bogen zum aller ersten Punkt machen: Der Historischen Korrektheit dieses Filmes.
Wenn du schon einen Film hast, der sich nicht für das Persönliche Drama interessiert und mehr damit beschäftigt ist möglichst alle Kapitel des Napoleon-Wikipedia-Artikels in den Film reinzuquetschen (inklusive Kapitel-Überschriften durch den ganzen Film), und das zu einem Grade macht, dass er eine flüssige Story und Erzählung völlig ignoriert… DANN sollte man wenigstens erwarten können, dass das Ding wenigstens historisch korrekt ist. Und das ist es wirklich wirklich nicht.
Aber ich denke ehrlich gesagt, dass Scott froh sein kann, dass sich die ganze Welt auf die Frage eingeschossen hat, ob Napoleon jetzt mit den Kanonen auf die Pyramiden geschossen hat…
Denn dank dieser müssigen Diskussion haben viel zu wenige Leute darüber diskutiert, ob der Film denn nun gut oder schlecht ist.
Und das kommt Scott nur zu gute.
Denn ich will hier wirklich nicht um den heissen Brei herum reden. Der Film ist schlecht. Wirklich, wirklich, wirklich schlecht. Er geht über 2.5 Stunden. Und mir war nach 20 Minuten langweilig. Nach 40 haben zwei „Charaktere“ eine Diskussion über den Stand ihrer Ehe und ich brüllte fast in den Bildschrim: „WER SEIT IHR ZWEI!?! ICH KENNE EUCH NICHT!!!“ obwohl ich 40 Minuten mit ihnen verbracht hatte.
Die Dialoge sind ein Grauss. Exposition hier, Exposition da, und wenn mal keine Exposition gemacht wird, dann wird uns das explizit und ohne jegliches Poetische Fingerspitzengefühl, was Ridley Scott in seinen früheren Filmen im Subtext rüber bringen konnte.
Und Joaquine Phoenix… hat man den auf eine reine Valium-Diät gesetzt? Einmal davon abgesehen wie völlig fehlbesetzt er ist, ich habe noch nie einen Schauspieler derart verpeilt und ausgecheckt gesehen. Phoenix hatte schon immer einen etwas seltsamen Stil. Immer ein bisschen verpeilt, oft etwas zugekifft wirkend… aber IMMER mit einer darunter brodelnden Intensität, welche jederzeit hochbrechen kann. In dieser Rolle ist dieser zweite Aspekt jedoch weg. Und das einzige was übrig bleibt ist ein gelangweilter, schlafdrunkener Napoleon, bei dem niemand versteht, warum irgend jemand ihm in einen Schlacht folgen würde… oder sich in ihn verlieben würde.
Die einzige Rolle, welche einigermassen funktioniert ist die der Josephine, gespielt hervorragend von Vanessa Kirby. Das Drehbuch weiss zwar auch bei ihr nicht, was genau mit ihr anzufangen ist. Aber immerhin gibt Kirby eine gute, subtile Darstellung neben dem schlafwandelnden Phoenix.
Der Film hat, trotz seiner Laufzeit von gefühlten 10 Stunden, einfach kaum Zeit wirklich Szenen zu haben. Niemand interagiert wirklich mit irgend einem Aspekt des Filmes, seien es anderen Charakteren, Themen oder Ereignissen, denn keine „Szene“ kann länger dauern als die aufgerundete Minute die nötig ist, um den jeweiligen Plotpunkt darzustellen. Darum fehlt überall Kontext und Persönlichkeit. Überall.
Ehrlich gesagt, das einzige was bei mir ab und zu das „Interesse“ wieder etwas weckte sind die Momente, wo der Film unfreiwilig komisch wird, fast so als sei er eine Parodie eines echten Historiendramas. Etwas, was in „The Simpsons“ bei der Familie im TV laufen würde, um sich über echte Historiendramen lustig zu machen.
Napoleon trägt, fast ununterbrochen, die Klamotten die man von berühmten Gemälden von ihm kennt. Und soll mir niemand sagen „Oh, du verstehst nicht, was Scott damit zeigen will“, denn doch. Ich verstehe es. Ich weiss, dass er uns damit zeigen will, wie wichtig es für Napoleon ist, dass die Leute ihn als den General erkennen… das ändert nichts daran, dass es so rüber kommt, als ob Scott denkt wir würden ihn nicht erkennen, wenn er nicht die ganze Zeit seinen dummen Hut auf hätte. Es wirkt als seien wir in einem Cartoon, wo die Charaktere jeden Tag und in jeder Situation das genau gleiche tragen.
Die Sprachen sind absolut zum schiessen komisch. Die Franzosen reden Britisches Englisch, abgesehen von Napoleon, der Amerikanisches Englisch redet. während die Russen Englisch mit dickem Russischem Akzent reden, und die Östereicher Englisch mit Deutschem Akzent reden… bis auf einen kurzen Moment, wo zwei Österreicher plötzlich auf Deutsch mit Amerikanischem Akzent wechseln. Was für eine Farce!
Ach, und offenbar hatten die Gewehre aus der damaligen Zeit die Reichweite von heutigen Snipergewehrend… wenn nicht, dann wäre die Szene wo ein Soldat über eine gute Meile auf Napoleon zielt und seinen Komandant fragt ob er schiessen soll irgendwie lächerlich… oder?
Ridley Scott konnte einst eine Geschichte verfilmen, wo Roboter ihre Menschlichkeit finden. Und eine SciFi Geschichte, wo es um ein Alien-Monster geht, aber durch die Augen einfacher Space-Truckers. Scott war früher exzellent darin, einen menschlichten, authentischen Geist zu stecken und so viel Subtext aus seinen Skripts zu quetschen, dass seine alten Filme noch heute permanent auf „Best Movies of all time“ Listen sind.
Aber der Funken scheint schon lange erloschen zu sein, und wenn „Napoleon“ ein Indikator ist, dann hat Scott inzwischen völlig vergessen, wie man effektiv eine Story um Personen, um Charaktere, um MENSCHEN zu kreieren.
Fazit: Miserables Storytelling, unfokusiert, lang und langweilig. Die durchzogenen Kritiken verkaufen den Film viel besser als er ist.