Spider-Man:
Ist schon eine Ewigkeit her, dass ich den Film zum letzten Mal als Ganzes gesehen habe.
Und dachte, dass er vermutlich inzwischen sich nicht mehr so gut hält, im Anbetracht der Tatsache, dass wir inzwischen zwei Jahrzehnte mit Superhelden-Filmen hinter uns haben. Ich meine, dieser Film war so ein bisschen der erste, der die Neuzeit dieses Genres eingeläutet hatte, wie gut kann der also noch sein?
Nun, ehrlich gesagt…
Ziemlich verdammt gut!
Ich bin wirklich sehr überrascht, wie toll ich diesen Film nach wie vor finde!
Ich glaube die Stärke dieses Filmes liegt darin, dass der Fokus wirklich auf Peter Parker und seiner Geschichte liegt. Die Geschichte beginnt und endet damit dass, uns Spider-Man erzählt, wer er ist, und alles dazwischen zeigt und, was passiert ist, um ihn genau dahin zu bringen. Der Film macht Worldbuilding und er investiert Zeit darin, andere Charaktere zu etablieren, aber im Zentrum geht es wirklich schlicht und ergreifend darum, zu zeigen wer Peter Parker ist, und wie er zu Spider-Man geworden ist.
Ein Aspekt bei dem ich dachte, er würde mich etwas nerven ist die etwas überzeichnete Art, wie alles in dem Film ist. Der Film ist nicht immer der subtilste (obwohl er seine subtilen Momente hat, aber dazu gleich mehr). Peter wird gemoppt, er ist der Nerd, er ist nicht beliebt. Und das wird dir so explizit um die Ohren gehauen, dass es auch wirklich niemand übersehen kann.
Die Bevölkerung von New York hat ein Mistrauen gegenüber Spider-Man, aber wenn es hart auf hart kommt, dann unterstützen sie ihn, weil sie alle auf der gleichen Seite stehen. Auch hier, daran gibt es nicht Subtiles, das ist so explizit wie es nur sein kann.
Aber ehrlich: All dieses sehr explizite Zeugs nervt irgendwie überhaupt nicht, denn das ist der Ton dieses Filmes. Er hat etwas sehr cartoonisches, ein bisschen das Feeling eines dieser 20-minütigen Comicbuch-Zeichentrickfilme welche man früher am Samstagmorgen im Fernseher gesehen hat, wo dir innerhalb weniger Zeilen gezeigt werden muss, was genau Sache ist, damit der Fokus dann auf andere Sachen gelegt werden kann. Und das ist nichts schlechtes, das ist einfach etwas, was gemacht wird, damit man sich auf die Aspekte konzentrieren kann, welche wirklich wichtig sind.
Und hier hilft es einfach, dass man eine Menge hervorragender Charaktere, dargestellt von hervorragenden Schauspielern hat. J. Jonah Jameson zum Beispiel hat nur wenige Momente, und diese Momente sind wirklich nur dazu da um zu zeigen, wie sehr sich eine innerhalb einer Gesellschaft eine Wellte des Mistrauens aufbauen kann, welche völlig ausserhalb der Kontrolle der betroffenen Person ist… aber meine Güte, sind wir alle ehrlich, wir haben alle das Gefühl, dass dieser Charaktere so viel mehr Screenzeit hat, als er eigentlich hatte, einfach weil J.K. Simmons so eine fantastische Arbeit macht!
Und auch wenn Simmons der vermutlich Meme-würdigste Charakter geworden ist, so darf man nicht vergessen, dass alle Charaktere dieser Grösse ähnlich gut funktionieren. Cliff Robertson als Ben Parker hat kaum Szenen, aber die wenigen die er hat stielt er einfach auf eine Art, welche ihn als Onkel Ben so ikonisch machte, dass während der ganzen Maguire-Trilogie NIEMAND sich je fragte, warum Spider-Man den moralischen Kompass hat, den er hat… den seine Rede im Auto ist so ikonisch, und hat so viel Gewicht, und wird mit einigen wenigen Szenen zuvor derart unterstützt, dass man das Gefühl hat, dieser Ben Parker sei eine riesige Rolle in dem Film… auch wenn er eigentlich nur sehr wenig vorkommt.
Und auch wenn ich oben geschrieben habe, dass der Film nicht sehr subtil ist, so musste ich mit Überraschung feststellen, dass es dennoch Momente gibt, die ich bisher völlig übersehen habe.
Ein Beispiel: Die Diskussion zwischen MJ und Peter im Garten, welche inzwischen wegen dem Dialog etwas belächelt wird („I hunch“ ist NICHT so eine schlechte Dialogzeile, wie viele tun! Der Dialog ist etwas corny, aber er ist nicht schlecht!) hat durchaus mehr Substanz als man denken könnte! MJ ist bis zu diesem Zeitpunkt erstaunlich gut charakterisiert worden! Sie ist beliebt und das Populare Girl in der Schule! Und sie lacht immer, ist immer aufgestellt… und dennoch zeigt uns der Film ein Paarmal, dass das nur eine Fassade ist. Es geht nicht darum, dass bei ihr der Haussgen schief hängt, dass ich nicht ein subtiler Aspekt. Das wird jeder Mitkriegen. Aber die Tatsache, dass sie als Reflex ein Lächeln aufsetzt, damit die Welt um sie herum nicht merkt was wirklich läuft, und dass dieses Lächeln gar nicht echt ist… das ist ein subtilerer Aspekt. Ein Aspekt des Charakters, welcher gerne übersehen wird, wenn man darüber nörgelt, wie eindimensional sie doch ist.
Und dann, im Garten, redet sie mit Peter und lässt, zum ersten Mal, die Fassade fallen. Sie ist traurig, sie redet explizit darüber, wie scheisse es ihr geht… sie öffnet sich Peter gegenüber. Sie haben einen persönlichen Moment.
Und was passiert dann? Flash kommt, mit seinem Auto, und MJ dreht sich um und setzt ihr künstliches Gesicht auf, das Gesicht der strahlenden Teenagerin, während sich zu Flash ins Auto springt.
Und anstatt das Peter realisierst, wie sehr das aufgesetzt ist, und dass er eine besserer Verbindung zu ihr hat, als es Flash je haben wird, denkt sich Peter „Hm… ein Auto… das brachte MJ zum lächeln“.
Diese Szene ist GUT! Sie bringt Elemente von MJ aus den vorherigen Szenen ins Spiel, und sie zeigt, wie wenig Peter sie tatsächlich versteht in dem Moment. Und wie sehr er misversteht, was seine eigentliche Verbindung zu ihr ist.
Und dennoch denke ich, diese Szene wird oft einfach gelesen als „Peter kriegt durch Flash die Idee, dass er ein teures Auto braucht“.
Und der Film hat eine ganze Menge solcher Szene, und ich glaube die werden oft übersehen oder runtergespielt, weil andere Aspekte etwas sehr plump sind.
Was mir auch extrem gefällt ist die Action.
Das mag seltsam klingen, denn inzwischen haben wir so viele Action-Superhelden-Filme welche so viel mehr bieten. Aber ich glaube, gerade deswegen gefällt mir die Action in diesem Film so gut.
Die Action ist viel langsamer als wir sie aus modernen Filmen kennen. Aber dadurch wirkt sie sehr viel realistischer (auch wenn die Effekte zum Teil sehr viel weniger realisitisch sind als in modernen Filmen). Du kannst einfach jedem Griff, jedem Netzwurf und jedem Sprung viel besser folgen. Und anstatt dass wir zwei Charakteren zuschauen, welche die Reflexe haben, welche Videospiel-Avatare haben, welche innerhalb eines Frames auf einen Knopfdruck des Spielers reagieren, so kriegst du hier den Eindruck, dass du Menschen zuschaust, welche zwar extrem schnelle Reflexe haben (die Charaktere mit Superkräften reagieren immer noch viel schneller als wir es je könnten) aber sie bewegen sich dennoch in einem Universum, wo ihre Körper und Equipment Limite haben.
Ist mir zum Beispiel hier zum ersten Mal aufgefallen, dass während der Ballon Parade der Gleiter des Goblins in einem kurzen Moment beim vertikalen Aufstieg plötzlich verlangsamt und dann zurück fällt… wie es ein echter Gleiter vermutlich machen würde, wenn er plötzlich senkrecht nach oben gesteuert würde.
Der Film hat eine Menge Details, welche die Action einfach glaubwürdiger macht, auch in den Szenen wo das CG sehr offensichtlich ist.
Ehrlich gesagt, der grösste Kritikpunkt den ich im Moment habe ist…
Nun, der Green Goblin selber.
Was mich überraschte, denn ich mochte ihn immer und konnte die Kritik nicht ganz verstehen.
Und meine Kritik ist auch eine andere als die, welche man immer hört. Das Design stört mich nicht, das gefällt mir. Die Tatsache, dass er sich in gewissen Szenen wie ein Mensch in einem Anzug bewegt stört mich auch nicht denn… er ist ein Mensch in einem Anzug.
Was mich etwas stört ist mehr die Tatsache, dass Norman Osborn zum Zeitpunkt wo er realisiert wer er wirklich ist, sich nicht mehr wirklich glaubwürdig verhält.
Sein Plan Spider-Man auf seine Seite zu ziehen und seine Rede wie speziell und einmalig sie beide doch sind kommt völlig aus dem Nichts. Das war bisher weder wirklich ein zentraler Aspekt von Norman Osborn, noch vom Goblin selber, das kommt wirklich völlig überraschent und scheint einfach da zu sein, um den Konflikt zwischen Spider-Man und dem Goblin zu strecken.
Und Norman selber wird zu dem Zeitpunkt auch völlig überrissen. Lustigerweise finde ich den Moment, wo er Harry eine Rede hält, wie wenig er von MJ hält, recht gelungen. DAS ist etwas, was ich als glaubwürdige Reaktion halte, in einem Zeitpunkt wo Osborn so schnell wie möglich aus einem Gespräch rauswill, das er nicht haben will, und seine bittere Seite Überhand nimmt…
Aber das wäre so viel besser und stärker, wenn er vorher nicht die ganze Zeit das Grinsen eines Perverslings auf dem Lippen hatte, als er MJ sah. Ehrlich, diese Szene ist einfach eigenartig zu schauen, und ziemlich repräsentativ dafür, wie sehr Osborn ab dem Zeitpunkt einfach nicht mehr wirklich glaubwürdig rüberkommt.
Aber abgesehen davon…
Verdammt, ich hatte einfach wirklich eine Menge Spass mit dem Film!
Ich mag die Charaktere, ich mag die Action, ich mag das Pacing und ich mag die Story. Der Film ist so viel besser als ich ihn im Kopf hatte und ich finde er hält sich immer noch extrem gut.
Wer den Film schon lange nicht mehr gesehen hat, und ihn nur noch als Erinnerung im Kopf hat, kombiniert mit all den Memes welche inzwischen drum herum entstanden ist, der soll ihn sich vielleicht wirklich mal wieder als Ganzes anschauen. Er ist, tatsächlich, noch immer sehr gelungen!
Fazit: Nach wie vor verdammt gut!