Oppenheimer:
Nolan mit dem nächsten Streich.
Und wie immer bei Nolan ist es so, dass sein Film mich nach erstem Mal schauen erstmal positiv zurücklässt… aber mit einer ganzen Menge Kritikpunkte. Ich liebe Nolan als Regisseur, aber seine Handschrift und Stil kommt definitiv mit einer Menge Kritikpunkten bei all seinen Filmen.
Fangen wir mal bei der Technik an. Denn das ist einfach ein Aspekt, wo Nolans Filme IMMER glänzen! Der Film sieht fantastisch aus und er klingt unglaublich! Ich hatte das Privileg das Teil in einem riesigen IMAX-Kino sehen zu können und was für eine Erfahrung! Nolan weiss einfach, wie er das Medium einsetzen muss!
Wie schon in „Dunkirk“ setzt Nolan viel Gewicht darauf, eine Soundkulisse zu kreieren, welche eine enorm dichte und oft erdrückende Atmosphäre schafft. Der Film hat lange Strecken, wo er den Zuschauer kaum zum Atem kommen lässt, weil die Sinne die ganze Zeit gezielt bombardiert und unter Druck gesetzt werden. Und das zu einem unglaublich gelungenen Effekt. Genauso sind dann auch die wenigen Momente extrem eingängig, wo es dann plötzlich ruhiger wird.
Das ganze hat aber auch seine Kehrseite. Denn so sehr diese Herangehensweise oft einen sehr gezielten Zweck zu verfolgen scheint, so kreiert er auch ein bisschen den Eindruck, als sehe man selten wirklich ganze, konkrete Szenen. Das erste Drittel des Filmes fühlte sich über weite Strecken wie eine nie endende Montage an. Wirklich Szenen, wo die Charaktere einfach in einem Moment drin sind und auf natürliche Art miteinander reden sind selten. Meistens sind die Momente so konstruiert, dass sie wie essentielle Schnappschüsse wirken, weniger wie ganze, abgeschlossene Szenen.
Hier kommt dann auch ein zweiter Nolan-typischer Aspekt ins Spiel: Die Dialoge. Nolans Dialoge haben oft diese Art schwerfällig und philosophisch daher zu kommen. Jeder Satz, jedes Gesprochene Wort ist Teil einer grossen, wichtigen These… was als Konsequenz hat, dass es wenige Interaktionen zwischen den Charakteren gibt, welche wirklich authentisch wirken, wirklich wie Momente zwischen echten Menschen. Kombiniert mit der Tatsache, dass die Szenen eh bereits Montage-artige daher kommen gibt es kaum Momente in dem Film, welche natürlich rüber kommen. Eine Kritik, welche es bei Nolan oft gibt, aber selten derart stark ausgeprägt sind wie in diesem Film.
Was hierbei jedoch sehr, sehr hilft sind die Schauspieler! Nolan ist extrem gut darin, aus seinen Schauspielern unglaublich starke Darstellungen rauszuholen, und in diesem Film ist das einmal mehr der Fall!
Der Film hat unglaublich viele Charaktere und die meisten der Charaktere sind mit einigermassen bekannten Schauspielern besetzt. Und alle machen eine wirklich tolle Arbeit!
Cillian Murphy ist fantastisch in seiner Rolle als Oppenheimer. Er spielt ihn perfekt, als diesen gequälten Geist in einer Welt, wo seine Arbeit massive Konsequenzen hat und der sich schwer damit tut das ganze und sich selber da richtig einzuordnen.
Auch unglaublich gelungen finde ich Robert Downey Jr. als Lewis Strauss. Eine erstmal eigenartige Castingwahl, die sich aber völlig auszahlt! Auf den ersten Blick fast nicht wiederzuerkennen spielt Downey einen extrem interessanten und vielschichtigen Charakter der für den Grossteil des Framings des Filmes verantwortlich ist. Und Florence Pugh, wenn auch nur in vergleichsweise wenigen Szenen, stielt wie immer jeden Moment in dem sie vorkommt.
Aber die Frage ist natürlich, wie das ganze zusammen kommen. Tolle Technik und Schauspieler stehen schlussendlich im Dienste der Story, und hier steht für mich im Moment, nach einmaligem Schauen, das grösste Fragezeichen, wie erfolgreich der Film wirklich ist.
Auf der einen Seite erzählt der Film eine komplexe Story mit vielen sich bewegenden und ineinander greifenden Elemente extrem gekonnt. So viele Stücke hier zusammen kommen, so weiss der Film immer, wie den Fokus auf die nötigen, die wichtigen Elemente zu ziehen.
Allerdings scheint der Film auch fast zwei Geschichten zu erzählen. Wir haben die Oppenheimer-Untersuchung in seine potentiell Kommunistischen politischen Anlehnungen, welche den ganzen Film framen. Und dann haben wir die Geschichte um den Bau der Atombombe. Und auch wenn die beiden Geschichten eigentlich gut ineinander greifen, so hatte ich zum Schluss dennoch das grosse Fragezeichen, ob ein leicht kürzerer, aber fokusierterer Plot nicht besser funktioniert hätte. Denn wie gesagt, der Film hat eine Menge sich bewegender Teile und ich bin nicht ganz sicher, ob sie alle notwendig sind.
Aber wie auch gesagt, dieser Punkt ist für mich im Moment eher eine offene Frage, als ein wirklicher Kritikpunkt. Viele Filme Nolans in der Vergangenheit musste ich mir zwei, dreimal anschauen um wirklich zu schätzen zu lernen, wie essentiell die einzelnen Teile wirklich sind, und in „Oppenheimer“ läuft derart viel, dass ich mir nach dem ersten Anschauen nicht dazu hinreisen lasse zu schliessen, dass gewisse Elemente unnötig sind, oder dass die Struktur so nicht funktioiert.
Denn der Film hat, über seine drei Stunden Laufzeit, mich die ganze Zeit bei der Stange gehalten und zumindest das Gefühl gegeben, dass am Ende alles zusammen kam. Das ganze Finale muss hier vor allem gelobt werden, weil es wirklich den Eindruck gibt, dass nochmals alle Fäden wirklich zu einem sauberen Ganzen zusammen gefügt werden.
Einen letzten Punkt den ich noch machen will mag vielleicht etwas seltsam wirken, aber ich will es trotzdem hier schnell ausarbeiten, weil ich es einfach spannend finde.
Dieser Film ist der erste Nolan Film, der deutlich und explizit ein sexuelles Element hat. Ich meine, jaja, ich weiss, natürlich war das Konzept „Sex“ in anderen Nolan-Filmen bereits vorhanden. „The Dark Knight Rises“ macht klar dass Bruce und Miranda eine Nacht miteinander verbringen und „The Prestige“ hat weibliche Charaktere welche natürlich eine sexuelle Beziehung mit den männlichen Protagonisten haben, und wenn ich mich recht erinnere war es auch zumindest zu einem Teil ein Aspekt in „Following“… aber um ehrlich zu sein, Nolans Filme waren bisher immer fast schon aggressiv asexuell und sex-los. Intime, körperliche Beziehungen zwischen Charakteren schien immer etwas zu sein, wo Nolan zwar konzeptuell verstand, dass es etwas ist, das für Menschen in romantischen Beziehungen wichtig ist, aber seine Filme gaben mir immer den Eindruck, als sei Sexualität kein Bedürfniss oder Drang, welche bei den Charakteren in den Geschichten wirklich vorhanden sei. Und um mich nicht falsch zu verstehen: Das hat nichts damit zu tun, dass man nie expliziten Sex sah. Um in die völlig andere Richtung zu gehen, in den „Transformers“-Filmen sieht man auch nie expliziten Sex… aber es ist relativ diskussionslos, dass Charaktere in Michael-Bay-Filmen horny sein können und oft auch sind.
Weswegen ich ehrlich gesagt sehr überrascht war, als der Film plötzlich mit recht expliziter Nacktheit daher kam. Und nicht nur kurz für einen kurzen Moment (nach dem es erst aussah), sondern ganz klar und ganz explizit auf eine Art, welche etwas zu sagen hat und auf eine Weise, wo sie Nolan direkt zu den tiefen Beweggründen der Charaktere knüpft.
Der Grund, warum ich das hier als separaten Aspekt anspreche ist einfach, weil es mir gar nie gross bewusst war, wie sehr ich Nolans Filme als völlig asexuelle Werke betrachtete… und wie sehr ich für den ersten Moment Mühe damit hatte, diesen Aspekt in einen seiner Filme einzuordnen. Zeigt einfach für mich mal wieder, wie sehr die Kenntnisse über einen Künstler meine eigene Wahrnehmung eines Werkes beeinflussen kann, denn ich denke nicht, dass dieser Aspekt mir so ins Auge gesprungen wäre, wenn der Film von einem anderen Regisseur gewesen wäre. Einfach etwas, was ich spannend fand über mich selber und mein Verständniss zu Nolans Werke zu entdecken.
Um meine Meinung zu dem Film auf den Punkt zu bringen:
Der Film hat mich sehr beeindruckt, es ist einmal mehr ein Werk, wo man Nolans Faszination für das gewählte Thema in jedem Frame spürt und es war sicher nicht das letzte Mal, dass ich mir den Film angesehen habe.
Die technische Seite bringt mich in Versuchung, den Film bald nochmals in Imax zu sehen, und der Narrative Aspekt verlangt es fast, dass ich den Film bald nochmals anschaue, weil der Film so dicht ist und so viele Aspekte und Einzelteile hat die zusammen kommen, dass ich noch nicht alles richtig einschätzen kann.
Nolans Handschrift ist überall an dem Film zu erkennen, im positiven wie auch (im geringerem Masse) im Negativen.
Was ich auf jeden Fall schon sagen kann ist, dass Nolan nach wie vor eine saubere Weste hat, denn nach 12 Filmen hat er, nach wie vor, keinen einzigen Film gemacht, den ich wirklich als „schlecht“ oder als „Misserfolg“ anschauen würde. Denn der Film ist gut! WIE gut genau… nun, das wird wohl die Zeit zeigen.
Fazit: Technisch eine Bombe, schauspielerisch eine Wucht! Narrativ fordernd aber befriedigend! Der neueste Nolan Film gliedert sich nahtlos in sein spektakuläres Portfolio ein.