Licorice Pizza
2/5
Ok wo fang ich an ich schildere einfach mal meinen „Gefühlsverlauf“. Ich war gehyped, ich war sehr gehyped und ich kannte nur den Trailer und bin großer Fan von P.T. Anderson. Eine Love/Coming of Age Geschichte mit tollen Bildern, toller Musik und tollen Darsteller*innen. Soweit so gut sonst hatte ich nur mitbekommen, dass ALLE diesen Film lieben.
Dann hab ich heute endlich Licorice Pizza gesehen und war danach etwas ernüchtert aber dachte mir ok ich verstehe warum Leute den Film abfeiern weil der Film für mich eine sehr „interessante Idee“ hat. Gehe dann auf Letterboxd und find in keiner der Reviews die angesprochene „interessante Idee“ sondern einfach Lobpreisungen über diese charmante, locker leichte Liebesgeschichte.
Für mich ist ist der Film nämlich keineswegs eine seichte Liebesgeschichte in der zwei „Outcasts“ endlich zueinander finden. Für mich ist es eine schonungslose Darstellung der zu oft romantisierten 70er in Amerika und des damit verbundenen „Amerikanischen Traums“.
Die ganze merkwürdige Liebesgeschichte einer 25 jährigen mit einem 15 jährigen sind gleichzeitig nur Fassade und der Anker für den ganzen Bullshit in der Zeit. Nicht nur, dass der Altersunterschied einfach so schon ein ungleiches Machtverhältnis erzeugt, nein der Fakt, dass sie sein Babysitter war speilt komplett in diese merkwürdige Fantasie eines 15 jährigen hinein, welche gefühlt Hollywood viel zu lange dominiert hat. Natürlich ist es nicht vollkommen normal wenn eine 25 jährige deine Schwärmerei erwidert.
Generell geht es beiden nicht gut zumindest nicht wenn man mal wirklich sieht was sie durchmachen müssen. Alana wird von ihrer Familie unterdrückt, sucht wie in der Zeit von ihr zu erwarten einen Mann mit dem sie glücklich werden kann, schafft es nicht dem gerecht zu werden, weiß nicht mal ob die das will und wird ständig auf allen Ebenen belästigt.
Gary geht es ähnlich er ist gescheiterter Kinderdarsteller, ohne Vater, seine Mutter ist seine Kollegin, er muss mit 15 schon eine Firma mit kompletten Müllideen leiten, wird verhaftet und ist selbst eigentlich auch kein netter Typ.
Zusammen lieben die beiden sich einfach aber eigentlich sehe ich von der Liebe der beiden nichts. Sie sind viel mehr abhängig von einander und machen sich durchgehenden durch Anbandelungen mit anderen eifersüchtig. Aber sobald der Indie Rock/Pop läuft und beide sich in die Arme fallen sollen wir daran erinnert werden, dass Liebe ja das aller Größte ist, was auch immer das heißen mag. Eigentlich kommt bei mir nur an, dass Gary Alana „geil“ findet und Alana diese Bestätigung braucht.
Auf der inhaltlichen Ebene passiert also nur Scheiße aber auf der erzählerischen Ebene bleiben wir schön in der klassischen Liebesgeschichte, denn solange sich die Liebe trotz aller Hindernisse findet ist ja alles gut in Amerika.
Alle anderen Charaktere sind ähnlich fürchterlich. Es gibt den rassistischen Restaurant Besitzer, die antisemitische Frau von der Agentur, den sexistischen Psycho Bradley Cooper. Aber alles passiert einfach so wie es in den 70ern nun mal so war. Und alles das sieht wunderschön aus, ist toll gespielt und stört die Liebesgeschichte ja auch nicht.
In einer Szene bei der Flipper Eröffnung „fickt“ eine Nebenfigur z.B. einen Flipper und Gary versucht sogar diesen Mann aufzuhalten damit der Flipper nicht kaputt geht aber schafft es nicht und gibt dann schnell auf. Darauf wirft er aber ein Kind raus um doch zu zeigen, dass er die ganze Situation im Griff hat. Später sieht man sogar wie der selbe Typ nun auch gleichzeitig eine Frau und den Flipper fickt. Das steht sehr gut für die Probleme der Zeit die der verliebte Gary nicht mal wirklich lösen will, geschweige denn könnte.
Die andere Szene die für mich ähnlich funktioniert, ist die in der Bar mit dem älteren Regisseur und Alana. Sie hat hier gerade eine neue Rolle als junge Schauspielerin zugesagt bekommen und wird direkt vom mindestens 40 Jahre älteren Regisseur mit Zuneigung, Komplimenten und Alkohol überhäuft. Sie ist offensichtlich nicht mehr bei Sinnen und lässt sich auf alles ein, währenddessen zeigt sie auch immer wieder das sie nicht mal versteht was der alte Mann ihr da erzählt sie findet es einfach gut begehrt zu werden. Am Ende der Szene sitzt sie auch mit diesem Mann auf einem Motorrad und soll mit ihm über ein brennenden Haufen Holz springen. Sie fällt herunter, dem Mann ist alles egal und er hat sich nach dem Sprung schon komplett vergessen. Er hat sie nur benutzt und ausgenutzt. Gary läuft darauf zu ihr hin und „rettet“ sie um sich 5 Minuten später nur fasst nicht an ihr zu vergreifen während sie durch den Alkohol eingeschlafen ist.
Unser Hauptcharakter ist der Held der Stunde weil er es schafft eine bewusstlose Frau nicht sexuell zu belästigen oder noch schlimmeres zu tun.
An dem Film ist gleichzeitig alles schön und nichts. Der Film zeigt uns immer wieder durch die Inszenierung, dass alles gut ist und es hier einfach um die Liebe zweier Menschen geht.
Aber Alana sagt es und zeigt es uns in der Wasserbetten Eröffnungsszene selbst. Sie läuft für Gary den ganzen Tag in Unterwäsche rum, stopft sich ihren BH aus und als Gary sie fragt ob sie glücklich ist, antwortet sie, dass sie glücklich ist wenn Gary glücklich ist. Den ganzen Abend sehen wir aber wie es ihr wirklich geht. Selbst wenn sie genau das tut was Männer von ihr wollen, dann kriegt sie immer noch nicht die Zuneigung, welche sie sich wünscht.
Ich könnt noch ewig so weiter machen aber ich hoffe man versteht warum ich den Film sehe wie ich ihn gesehen hab.
Dementsprechend war ich verwundert wie anders man den Film doch wahrnehmen kann. Obwohl ich in dem Film nach meiner Interpretation eine interessante Idee sehe ist diese für mich einfach nicht gut genug ausgeführt und auch der Effekt bleibt aus wenn meiner Meinung nach alle die „Message“ schon kennen.