West Side Story (2021)
Regie: Steven Spielberg
Ein Problem (von vielen mit dieser Version) ist für mich, dass der Film einfach zurückblickt (und das teilweise konservativer als das Original), während der ursprüngliche Film aus 1961 in der Zeit entstand wo alles passiert ist. Brauche ich das ganze noch einmal im Jahr 2021/22. Nein und es ist mir ein Rätsel warum diese Version überall so abgefeiert wird.
Spielberg versucht, die zweifelhaften Aspekte des Films von 1961 zu beheben, einschließlich einer rücksichtsvolleren Darstellung der puerto-ricanischen Charaktere und die Stereotypen eines ärmlichen New Yorks. Aber anstatt die Geschichte neu zu interpretieren, hat man mit leichten dramatischen Umgestaltungen genau den gleichen Film gemacht.
Technisch gesehen ist der Film ein Augenschmaus (tolle Kamera von Janusz Kamiński), aber ganz ehrlich, das ist das mindeste was ich mir von einem neuen Spielberg Film erwarte.
Wie der erste Film spielt die 2021 Version um 1960 in San Juan Hill und Lincoln Square, zu der Zeit, als ein Großteil der Gegend abgerissen wurde. Die ethnischen Spannungen zwischen den weißen und puerto-ricanischen Einwohnern der Nachbarschaft sind in einem Kampf um ihr schrumpfendes Gelände verwurzelt. Während einst der Bereich für beide Seiten ausreichte, gibt es jetzt nur noch Platz für eine.
(Was ich witzig finde, weil in jedem Interview das politisch korrekte so hervorgehoben wurde. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass San Juan Hill tatsächlich ein überwiegend schwarzes Viertel war. Egal)
Der Versuch eine Ursache für die Rivalität der Jets gegen die Sharks festzulegen, spiegelt den allgemeineren Wandel im neuen Film hin mit der üblichen einfachen Küchenpsychologie. Im Original unter der Regie von Robert Wise sind die Jets mehr als nur Verteidiger weißer Interessen; sie sind Vollzeit-Mobber, die auch weiße Kinder belästigen. Bei all seinen Fehlern rationalisiert der Originalfilm Aggression - oder Rassismus - nicht weg oder reduziert seine Charaktere auf einzelne Motive.
Der ursprüngliche Tony zum Beispiel will einen Kampf vermeiden, weil er einen Job hat und eine bessere Zukunft will als die seiner Freunde. Seine Entscheidungen scheinen den komplexen Impulsen seines Charakters zu folgen. Im Gegensatz dazu ist der Tony von Spielbergs Film ein Sträfling, der ein Jahr im Gefängnis verbracht hat, wegen eines Kampfes, in dem er fast einen anderen jungen Mann getötet hätte. Er meidet die Jets, weil er seine Bewährung nicht gefährden will.
Der neue Film macht deutlich, dass Tony aus dem Gefängnis als besserer Mensch heraus gekommen ist.
Maria hat ein erfüllteres Leben als im Film von 1961. Im Original ist sie kürzlich aus Puerto Rico für eine arrangierte Ehe mit Chino gekommen. In dem neuen Film ist sie seit Jahren in der Stadt und kümmerte sich um ihren Vater (es wird angedeutet, dass er gestorben ist) und sie drückt in einer einzigen Zeile den Wunsch aus, aufs College zu gehen.
Bernardo ist jetzt ein Boxer, der gerade erst seine Karriere beginnt. Chino, eine undefinierte Person im Original, ist jetzt in der Abendschule. Aber aus diesen neuen Schwerpunkten kommt nichts; die Charaktere haben kein reicheres Innenleben, keine kulturelle Substanz oder Erfahrungspalette als im ersten Film. Maria hat immer noch zu wenig Farbe und definiert sich nur über ihre Beziehung zu Tony; sie bleibt eine Unbekannte wie im Film von 1961.
Natalie Wood hatte eine tolle Präsenz konnte aber die enge Rolle von Maria im Original auch nicht retten. In Spielbergs Film wird Maria von Rachel Zegler gespielt und die ist für mich das wahre Highlight und die Entdeckung im neuen Film. Alleine wegen ihr rechtfertigt sich dieses Remake.
Im Gegensatz zu Wood, dessen Gesangsstimme von Marni Nixon synchronisiert wurde, singt Zegler ihre Lieder selbst, die sowohl kraftvoll als auch zart sind. Doch Spielberg weist sie anscheinend an, sich wie eine Disney-Prinzessin zu verhalten.
Das zweite Highlight ist die aufregend dynamische Ariana DeBose die Anita spielt.
Ansel Elgort als Tony ist schwach (nicht nur stimmlich). Elgort kommt irgendwie seltsam onkelhaft rüber und ich finde es gibt null Chemie zwischen ihm und Zegler.
Dieses Problem gab es auch im Original zwischen Wood und Richard Beymer (dem ursprünglichen Tony) aber Robert Wise fand dennoch einige inspirierende Momente um Leidenschaft auf den Bildschirm zu zaubern.
Die Geschichte der ursprünglichen „West Side Story“ ist von weißen jüdischen Künstlern erdacht worden (Leonard Bernstein, Arthur Laurents und Jerome Robbins, später zusammen mit Stephen Sondheim), die planten ein Musikstück über jüdische und irische Banden zu machen, und waren dann besorgt dass sie auf Klischees zusteuern würden, um dann ihren Fokus auf Menschen zu verlagern, von denen sie nichts wussten. Das Ergebnis war ein großer Bühnenhit und ein zeitloser Filmklassiker.
Spielberg öffnete die Geschichte nicht für neue Ideen und Erfahrungen, noch rechnete er mit den kulturellen und politischen Kräften ab, die überhaupt zur „West Side Story“ führten.
Vielleicht waren die Ideen hinter den Kulissen das kühne neue Musical aber Spielberg hatte nicht den Mut oder die Einsicht, sie auf die Leinwand zu bringen.