Evangelion - 01.11. You are (not) alone:
Erster Film der „Rebuild of Evangelion“-Reihe, welche in Form von einer Handvoll Filmen die Ereignisse der original „Neon Genesis Evangelion“ Serie neuerzählen will.
Als riesiger Fan des Originals war ich dem ganzen gegenüber immer sehr skeptisch denn… nun, man weiss ja wie das ist. Wenn man riesiger Fan von etwas ist, dann kann einem schnell mal die kleinste Änderung in den falschen Hals geraten. Und die Illusion, dass ich dem ganzen neutral und unbefangen gegenübertreten konnte… das habe ich gar nicht erst versucht mir einzureden.
Jetzt wollte ich es aber trotzdem mal anschauen, und da ich erst kürzlich das Original wieder durchgeschaut habe (und dank Covid sowieso im Moment in meiner Wohnung festsitze ) dachte ich, das ist doch eine gute Gelegenheit mal zu schauen, wie anders dass diese Filme den wirklich sind. Denn hey… wenn sie SEHR anders sind, dann soll mir das eigentlich recht sein, denn dann wäre das effektiv eine neue Geschichte welche man für sich beurteilen kann, anstatt eine Neuauflage, welche versucht das Original zu ersetzen.
Nun, der erste Film ist dann aber doch überraschend nahe an der Serie dran. Ganze Szenen wurden eins zu eins vom Orignal übernommen, inklusive effektiv aller Aspekte, wie Animation, Kamera, Schnitt… in viellerlei Hinsicht ist es effektiv ein Zusammenschnitt der Serie auf einen 100-minütigen Film. Einfach massiv aufpoliert!
Die Serie ist nun schon sehr alt, und auf technischer Seite war sie immer schon sehr minimalistisch. Dieser Film, obwohl im Prinzip in vielen Bereichen gleich umgesetzt, zeigt jetzt einfach, dass da massiv mehr Budget dahinter steckt! Die Bilder haben viel mehr Details, die Action wurde ordentlich nach oben geschraubt und das ganze sieht einfach wirklich viel, viel schöner und detailierter aus als das Original. Und insgesamt ist das natürlich absolut ein Plus!
Negativ habe ich hier nur zu sagen, dass man zum Teil etwas zu weit gegangen ist und einfach etwas die Muskeln spielen lassen wollte, ohne dass die Geschichte wirklich etwas dazugewinnt.
Der letzte Engel dieses Filmes, Ramiel, war im Original einfach ein fliegender, gigantischer Würfel. Eine undurchdringbare Festung. Bedrohlich und effektiv!
Diese neue Version ist jetzt hingegen dieses Amorphe Wesen, welches sich permanent in neue Waffen verwandeln kann, mit fliegenden Einzelteilen, etc, etc…
Zweifellos cool animiert, und hat auch seinen eigenen Effekt… aber ich muss gestehen, an Ramiel hat mir immer gefallen, wie simpel sein Design und seine Funktion doch war.
Aber hier mag auch wirklich einfach meine Liebe zum Original zu verhindern, dass ich Film-Ramiel fair einschätzen kann. Und natürlich macht es auch Sinn, dass man einen Film mit einem richtigen Knaller beenden muss, was das Original vermutlich nicht liefern hätte können.
Inhaltlich versuchte man den Film etwas zu streamlinen, damit er besser zusammen kommt, als wenn man einfach die Folgen aneinander geklatscht hat. Und hier gibt es durchaus positives zu berichten. Gewisse Elemente werden in eine etwas andere Reihenfolge gebracht um einen besseren Fluss reinzubringen.
Dies macht den Film definitiv in vielerlei Hinsicht klarer, aber auch viel offensichtlicher. Und das kann sowohl positiv als auch negativ gesehen werden.
Einfach ein Beispiel um zu zeigen, was ich damit meine: Nach dem ersten Kampf den Shinji hinter sich bringt erklärt ihm Misato, dass ihm die Menschen dafür danken, was er getan hat. In der Schule wird er dann aber gleich am ersten Tag von einem Klassenkameraden verprügelt, weil der Kampf seine Schwester in Mitleidenschaft gezogen hat. Da ein Teil von Shinjis Charakter ist, dass er immer nach Anerkennung sucht und ihn das immer wieder zum Piloten macht sorgt diese negative Erfahrung dazu, dass er dann beim nächsten Kampf Fehler macht und sich erst wieder fangen muss.
In der Serie hängen diese Momente nicht so direkt zusammen. Shinji kriegt die Rede ¨ber Dankbarkeit von Misato, dann geht man in die Schule, lernt erst die Klassenkameraden kennen, welche von Shinji und seinem Job begeistert sind, und dann erst später kommt es zur Schlägerei mit dem einen Klassenkameraden. Die Diskrepanz zwischen dem, was Misato sagte, und dem negativen Erlebniss mit dem Schulkameraden liegen etwas auseinander, und du musst als Zuschauer den Link selber machen. Vor allem, da Shinjis erste Erfahrung mit den anderen Schülern durchaus positiv war.
Im Film ist diese Verbindung viel deutlicher. Misato sagt, dass ihm die Menschen dankbar sind, dann gibt es einen Schnitt, man hört einen Schlag, und sofort ist man im Schulhof, wo man sofort die NEGATIVE Aufmerksamkeit sieht, die Shinji durch seinen Pilotenstatus erhält. Diese Version fliesst viel klarer, ist viel deutlicher und wird wohl für jeden Zuschauer zu erfassen sein.
Und da ist jetzt halt die Frage, was besser ist. Beide Versionen haben ihren Vorteil, ich persönlich bevorzuge hier die Serienversion. Erstens weil sie halt ein bisschen subtiler ist, aber zweitens, weil in meinen Augen der Film hier ein wichtiges Detail verliert.
Im Film krieg Shinji NUR sofort eine negative Erfahrung. Natürlich würde ihm das Zusetzen! In der Serie jedoch erhält Shinji erstmal eine Menge begeisterter Aufmerksamkeit seiner ganzen Klasse, als sie davon hören dass er Pilot ist. Und nur einer der Schüler mag ihn deswegen nicht. Das ist ein Detail, welches in meinen Augen wichtig ist, denn es zeigt Shinjis Tendenz negative Erfahrung durch Mitmenschen als signifikant anzuschauen, während er nicht weiss wie mit positiver umzugehen ist und sich davor verschliesst. Der Film gibt den Eindruck, als kriege Shinji keine Anerkennung dafür, dass er Pilot ist… die Serie zeigt, dass er nur die negative wahrnimmt. Ein Detail, aber ein wichtiges.
Ok…
Ich glaube, diese Zeilen dürften aber auch klar machen, wie sehr ich halt Mühe habe, mich vom Original zu lösen. Wie weiter oben schon beschrieben ist es halt genau das, was es schwierig macht ein Remake fair einzuschätzen, wenn man zu vertraut mit dem Original ist.
Wie ich schon zugegeben habe, die neue Version macht nicht unbedingt etwas falsch bezüglich dieser neuen Schnitte. Der Film fliesst wirklich oft besser als er es würde, wenn man die Folgen einfach zusammengeklebt hätte und man muss gewisse Dinge halt auch fallen lassen um das Pacing zu wahren.
Ausserdem ist episodische Struktur halt wirklich etwas anderes, als ein effektiver Film.
Insgesamt sehe ich den Film durchaus als Erfolg an. Er setzt die ersten Folgen der Serie erfolgreich zu einem Film zusammen, ohne zu viel zu verlieren, nimmt einige Elemente etwas mehr vorweg und poliert das ganze ordentlich auf.
Da der Film aber so nahe an der Serie ist muss sich für mich dann aber doch die Frage stellen, ob es ein guter Ersatz für die Folgen ist, welche er zusammen fast. Und in meinen Augen würde ich nach wie vor hier der Serie den Vorrang geben.
Ich glaube, dadurch, dass man gewisse Plotelemente der Serie vorwegnimmt, welche im Original erst später kommen macht dieser Film schon viel früher klar, dass diese Geschichte massiv ist und was alles auf dem Spiel steht (ehrlich gesagt: Das frühe Auftreten von Lilith kam für mich als rechter Schock), und dadurch hat der Film schon viel früher den Bedrückenden Ton, welcher in der Serie erst ab der zweiten Hälfte wirklich aufkommt.
Aber wie gesagt: Ich kann nichtmal so tun, als könnte ich hier unvoreingenommen sein
Fazit: Technisch toll aufpoliert, auf oft sinnvolle Art komprimiert und leicht umstrukturiert… aber in meinen Augen mehr eine schöne Ergänzung zum Original als ein wirklicher Ersatz.
(PS: Interessiert mich aber schon sehr wie es weitergeht. Habe gehört ab dem zweiten ändert sich die Geschichte dann doch recht stark in vielen Bereichen, wodurch dann auch klar wird, dass das gar kein „Ersatz“ sein soll, sondern eine neue Auflage… Ich bin durchaus gespannt )