Dunkirk:
Ich muss gestehen ich ging sehr nervös in diesen Film.
Ich bin ein Nolan-Fanboy. Da mache ich keinen Hehl draus. Ich finde, bisher hat Nolan keinen schlechten Film gemacht, sein schlechtester Film bisher war in meinen Augen “Insomnia”, ein spannender Krimi-Thriller, mit einem interessanten Protagonisten und einer tollen visuellen Umsetzung seiner Schlaflosigkeit. Das ist sein SCHLECHTESTER Film bisher, und auch dem würde ich immer noch ein “gut” bis “sehr gut” geben (ich weiss, ich weiss, viele Leute denken dass Nolan bei “Dark Knight Rises” etwas gepfuscht hat, aber was kann ich sagen: Ich mag diesen Film auch echt gut und finde ihn eher unterschätzt).
Aber jede Strähne muss mal reissen und Nolan hatte bisher immer fiktive Stories mit fast immer einem fantastischen (nicht “Fantasy” oder “Übernatürlich”, sondern einfach im Sinne von “Nicht-Real”) Element drin gemacht. Was er noch nie angefasst hat waren historische Dramen. Und ich muss auch sagen, dass, in meinen Augen, sein Stil sich nicht für historische Dramen anbietet. Wenn man in einem solchen Film ein fantastisches Element reinbringt, dann entfernt man sich bereits von den historischen Fakten. Wenn man einen historischen Film voller philosophischer Dialoge und Monologen spickt (was Nolan gerne macht), dann wirkt es schnell zu kitsichig. Und wenn man einen kriegsfilm so “sauber” darstellt, wie es Nolan’s Filme in der Regel sind, dann fehlt dem Film in der Regel der nötige Biss. Also um es klar zu machen: In meinen Augen ist Nolan ein Regisseur, dessen Stil sich NICHT für einen solchen Film eignet.
Und…
…Trotzdem, er hat es mal wieder geschafft.
“Dunkirk” ist ein wirklich hervorragender Film!
Nicht sein bester, kein Meisterwerk, aber meine Befürchtungen waren (zu 95%) unbegründet!
Nolan beweisst in diesem Film, dass er kein fantastisches oder fiktives Element in seinem Film braucht um seine Story voran zu treiben. Ihm reichen menschliches Drama und Charaktere.
Nolan braucht auch keine langen, philosophischen Reden. Er braucht sie gerne, wenn sie passen (z.B. die berümten Monologe des Jokers oder von Alfred in “The Dark Knight”), aber offensichtlich kann er genauso gut einen Film erzählen, in dem Dialoge kaum gebraucht werden. Himmel, dieser Film hat die besten ersten 30 Sekunden, die ich seit langem gesehen habe! Er nutzt da zwar kurze, geschriebene Expositions-Fetzen, um die Grund-Idee klar zu machen, aber eine kurze Einstellung, wo einer der Soldaten ein Propaganda-Blättchen in die Hand nimmt und anschaut reicht, um die Situation klar zu machen: Die Soldaten sind hier, ihr sicherer Hafen ist da, hier sind die Feinde, das ist der Konflikt!
Ohne ein Wort zu verschwenden hat er in einem kurzen Bild alle Exposition rübergebracht, die nötig sind. SO muss man Exposition in einem Film machen!
Der Film zeigt auch einmal wieder, wie gut Nolan das Tempo seiner Filme diktieren kann. In vielen seiner Filme gibt es Momente, in welchen er langsam, kontinuierlich die Stimmung anzieht, die Schnitte schneller macht, die Musik einen roten Faden durch das Drama ziehen lässt, und dann mehrere Szenen ineinander fliessen lässt, sodass es zu einem hektischen, geladenen aber auch hoch-spannenden Höhepunkt fliegt.
Dunkirk macht das auch… nur in diesem Fall ist dieser “Moment” der gesammte Film!
Während der gesammten Erzählung liegt permanent ein nervöser Unterton unter jeder Szene. Die Spannung lässt nie ganz nach, und die erzählerische Sturktur des Filmes erlaubt es Nolan, zum richtigen Zeitpunkt auf allen narrativen Ebenen die Zügel gleichzeitig anzuziehen. Und das macht er auch gekonnt.
Dies sorgt auf der einen Seite dafür, dass ich den Film recht anstrengend fand (es gibt kaum entspannende Momente, wenn man emotional dabei ist, dann kommt man kaum zum verschnaufen), es sorgte aber auch dafür, dass ich permanent völlig involviert war, und die Höhepunkte des Filmes mich auch so richtig abholen konnten.
Die spezielle Erzählstruktur des Filmes (wer den Film gesehen hat weiss, was ich damit meine) sorgte auch dafür, dass ich mich permanent etwas desorientiert und verloren vorkam. Ich will hier klarstellen dass ich NICHT meine, dass ich dem Plot nicht folgen konnte oder ich einfach verwirrt war. Ich meine mehr, dass das Gefühl des Überlebenskampf der Charakter oft die Priorität hatte, während dem die Frage des Gesammtplotes oft in den Hintergrund rutschte… was ich denke gewollt war. Ich weiss nicht ob es Sinn macht davon zu reden, dass ein Film dem Zuschauer absichtlich den Sinn für die Orientierung nehmen will, aber wenn, dann hat das dieser Fim geschaft.
Was mich zu einem der wenigen “Kritikpunkte” bringt… oder vielleicht eher einem potentiellen Kritikpunkt:
Der Film hat eine sehr eigenwillige Erzählstruktur, und wie gesagt hatte es einen Effekt auf mich, der einmalig und passend war.
Jedoch: Ich weiss nicht, wie gut dies funktionieren wird, wenn ich den Film ein zweites, oder drittes Mal sehen werde. Erst dachte ich, dass das Element ein Gimick ist, da es ein Nolan-Film ist, und er das immer ein bisschen so macht, aber inzwischen sehe ich durchaus den Wert dieser Technik in diesem Film. Ich weiss nur nicht, ob das langfristig noch gleich wirksam ist. Das wird wohl erst die Zeit sagen können.
Einen weiteren Aspekt den ich umbedingt loben will ist die Technische Seite.
Nolan’s Filme sahen immer schon super aus, und auch in diesem Fall ist es keine Ausnahme.
Jedoch ist das Visuelle nicht der technische Aspekt dieses Filmes, der am meisten raussteht. Dieser Film lebt völlig vom Sound!
Und was für einem Sound! Was für eine Sound-Kulisse, was für ein Kriegslärm, was für ein hervorragender Einsatz von Musik und Hintergrund-Geräusche!
Dieser Film ist einer der wenigen den ich empfehlen würde im Kino zu schauen, nicht wegen seiner toller Bilder, sondern wegen seiner wahnsinnigen Sound-Kulisse! Wer das nicht mit hervorragenden Boxen erlebt hat, der hat etwas verpasst!
Kommen wir zum einzigen wirklichen Kritkpunkt den ich im Moment an diesen Film habe, und der betrifft einen Aspekt des Nolan-Stiles, welchen er nicht ganz ablegen konnte für diesen Film.
“Dunkrik” ist zu sauber.
Diesem Film fehlt der Schweiss, ihm fehlt der Dreck und vor allem: Ihm fehlt das Blut.
In den ersten 10 Minuten sieht man eine Gruppe zerbombter Leichen am Strand liegen… und keinem davon fehlt auch nur ein Arm. Nicht mal die Kleidung scheint besonders stark zerrissen zu sein! Nolan scheut auch in diesem Film (wie schon in vieler seiner bisherigen) davor zurück, richtige, brutale, physische Gewalt zu zeigen.
Als Verteidigung hierzu kann man sagen, dass dieser Film primär die PSYCHISCHE Gewalt des Krieges zeigen will, und da gibt es nichts zu rütteln, das gelingt “Dunkirk” wirklich gut! Und vielleicht wollte man zeigen dass auch ganz ohne das Blut und den Gore ein Krieg brutal und unerbittlich ist. Aber dann hätte man die Kamera so brauchen sollen, dass sie gezielt vom Blut wegdreht, oder einfach diese Momente nicht einfängt. Was man NICHT machen sollte ist so zu tun, als sähen Leichname an einem zerbombten Strand aus, als seien sie an internen Blutungen oder so gestorben. Das untergräbt einfach die Autenzität des Filmes.
Und wie gesagt, es ist nicht nur das Blut das fehlt. Der ganze Film wirkt oft einfach ein bisschen zu sauber. Wenn man ihn mit anderen Kriegs-Filmen vergleicht (z.B. “Fury”, ein bei weitem schwächerer Film, alles in allem), dann merkt man schon, dass Nolan NICHT jemand ist, dessen Stories umbedingt auf physische Autenzität setzt, sondern eher auf die mentalen Konsequenzen einer Geschichte.
Aber wie gesagt, wenn der Film physisch den Krieg nicht so sehr zeigt, dann macht er es dafür psychisch.
Und dies ist klar die Stärke des Filmes!
Der Film zeigt das menschliche Drama, und er zeigt wie einzelne Personen unter der Last des Krieges leiden. Es geht nicht mal um die Ideale der Leute im Krieg. Während der ganzen Story sieht man nie einen Gegner! Es wird auch kaum über sie geredet, es geht mehr um die unmenschliche Bedrohung, die Maschinerie des Krieges. Ob auf der anderen Seite des Grabens nun eine feindliche Nation steht oder eine Armee gesichtsloser Roboter ist nicht der Aspekt, der eine Rolle spielt hier, denn in beiden Fällen sind die Opfer und die Qualen der Menschen welche unter die Räder dieser Maschine gerät die gleichen.
Ich glaube ich kann zu recht sagen, dass ich Nolan’s Talente, trotz meiner Begeisterung für diesen Regisseur, falsch eingeschätzt hatte. Meine Befürchtung, dass diese Art von Material nicht auf seiner Wellenlänge ist, war völlig unbegründet. Er erzählt hier eine Geschichte, die normalerweise von Filmen nicht erzählt wird, und er erzählt sie auf eine Art, die man so von Kriegsfilmen generell nicht sieht. Er kann mit einem historischen Drama ganz klar genau so kreativ sein wie mit fiktivem Stoff und das technische Handwerk hat er so oder so richtig draus. Wie all seine Filme hat auch dieser so seine Macken und Fehler, aber wie all seine Filme wird auch dieser hier vermutlich mehr als einmal angesehen werden, und ich bezweifle keinen Moment, dass ich nicht bei einem zweiten Mal mehr entdecken werde, wie es bei ihm immer der Fall ist.
Fazit: Toll inszeniertes, kreatives Kriegsdrama, welches durch seinen unglaublich straffen Spannungsbogen zwar anstrengend, aber erfüllend anzuschauen ist. Für meinen Geschmack etwas zu sauber, aber dennoch würde ich allen empfehlen den Film zu schauen… UND vor allem im Kino zu sehen, und vor allem zu hören.