Avengers – Infinity War:
Als im Jahre 2012 der erste “Avengers”-Film rauskam war ich erst sehr skeptisch. Denn es scheint so eine Wahrheit der Filmgeschichte zu sein: Superheldenfilme funktionieren dann, wenn du einen Protagonist und einen Antagonisten hast, und sobald man mehr reinklatscht fängt das ganze an auseinander zu fallen (es sei denn, man heisst Christopher Nolan, natürlich). Und dieser Film will gleich eine ganze Reihe Helden aus anderen Filmen zusammenschmeissen? Das muss doch in die Hose gehen!
Und dann überraschte mich Marvel und brachte einen der stärksten Superhelden Filme raus welche ich bis dahin gesehen hatte! Irgendwie ist es ihnen gelungen die Charaktere aus den anderen Filmen zu nehmen, und ein Actionspektakel mit viel Herz und Persönlichkeiten zu kreieren.
Und von da an nahm Marvel ihren Siegeszug auf, und setzte einen Film an den anderen, und auch wenn bei weitem nicht alle Filme Meisterwerke waren, so hielt sich die Qualität dennoch durchschnittlich erstaunlich hoch. Die Macher schienen klar zu wissen, was sie machten.
Und dann wurde “Infinity War” angesagt… und bei mir setzte sich wieder die gleiche Skepsis ein.
Das kann nicht funktionieren. Unmöglich. Es sind zu viele Charaktere, die Filme des Franchises sind tonlich zu unterschiedlich, dies wird der Film sein, welcher Marvel an seine Grenzen kommen lassen wird.
Aber wie soll ich es sagen…
Irgendwie haben sie es geschafft diesen Film zu vermutlich einem der besten (wenn nicht dem besten Film) der gesamten Reihe zu machen.
Wirklich unglaublich, ich bin einfach nur weggeblasen von den letzten 150 Minuten Kino! Was für eine Show!
Wie schon beim ersten Avengers-Film wurde schlicht und ergreifend die richtigen Faktoren ins Zentrum gestellt: Die Charaktere!
So sehr dieser Film ein Action-Spektakel ist (und die Action macht gefühlt etwa 50% des Filmes aus) so wird immer sichergestellt, dass der Zuschauer versteht, wer jetzt gegen wen kämpft, man gibt sich Mühe (und das mit Erfolg), dass jeder Kampf ein eigenes Feeling hat, und die Eigenschaften der involvierten Charaktere kreativ eingesetzt werden, und jeder Kampf erfüllt einen Zweck innerhalb des Plotes.
Die Action sieht einfach grandios aus und so absurd und überdreht es zum Teil wird, so sehr hat man auch tausende kleine Momente, die einfach nur “cool” oder “episch” oder “abgefahren” sind, ohne ironisch zu sein!
Was hierbei auch hilft ist die unglaublich brilliante Art, wie der Film den Ton wählt!
Zu Beginn springt man recht flink zwischen den einzelnen Charakteren der unterschiedlichen Heldenfilme hin und her und wechselt dort auch immer geschickt den Ton um sich dem jeweiligen Sub-Franchise anzupassen. Und dann fängt man an die Franchises Charakter für Charakter zusammen zu mischen, und lässt dabei die unterschiedlichen Arten von Humor und Drama geschickt Schritt für Schritt vermischen… und zum Schluss hat man plötzlich alle Charaktere zusammen in einem Film, mit einem einheitlichen Ton, ohne dass man gemerkt hat, wie das überhaupt passiert ist! Das Fingerspitzengefühl das hier gezeigt wurde ist einfach umwerfend!
Die Schauspieler geben alle hervorragende Darstellungen! Schlecht ist keiner.
Allerdings gibt es ein Paar, welche über die tolle Leistung aller anderen hinauswachsen, und dadurch Szenen hervorbringen, welche so derart emotional geladen sind, dass ich kaum glauben konnte dass dies in einem Film steckt, der eigentlich primär aus unterhaltsamer Action besteht.
Robert Downey Junior gibt seine bisher beste Darstellung von Tony Stark! Was der Mann mit diesem Charakter gemacht hat ist einfach fantastisch und was das Skript ihm in diesem Film abverlangt ist einfach unglaublich. Wer bisher immer noch gedacht hatte, dass die Marvel-Charaktere alle platt und klischeehaft sind, der hat… nun, ehrlich gesagt, der hat bei den bisherigen Filmen einfach nicht sehr aufmerksam hingeschaut, aber wenn man es spätestens in diesem Film nicht mitbekommt, was für Facetten Tony Stark hat, der scheint wirklich nicht aufgepasst zu haben.
Chris Hemsworth als Thor zeigt auch eine extrem brilliante Leistung, und auch hier wieder hat einige emotionalen Momente, welche den Film einfach über stumpfe Action hinwegheben.
Das gleiche gilt für Chris Pratt und Zoe Saldana! Unglaublich genial!
Das grösste Lob geht hier aber klar an Josh Brolin, in der Rolle des Thanos!
Thanos ist ein schwieriger Charakter. Bisher hat man kaum etwas von ihm gesehen, einiges über ihn gehört, aber im Prinzip schien er einfach ein machtgeiler Koloss zu sein, ohne gross interessant zu sein.
Dieser Film stellt jedoch wirklich ALLES auf den Kopf im Bezug auf ihn!
Wenn mir jemand vor diesem Film gesagt hätte, dass Thanos einer der interessantesten Charaktere dieses Filmes sein würde, dem hätte ich nicht geglaubt. Aber es ist so.
Thanos ist einer der Hauptcharaktere dieser Geschichte, und hat einige der emotional geladensten Momente des Filmes, und das ist dank einer Mischung aus wirklich gutem Drehbuch und einer hervorragenden Darstellung von Josh Brolin.
Hier muss ich aber ganz kurz auch eine der wenigen Schwächen des Filmes ansprechen. Ich mache eine Spoiler-Warnung hin, aber der Abschnitt enthält nicht wirklich Spoiler. Ich rede so drum rum dass Leute die den Film gesehen haben vermutlich wissen wovon ich rede, und die die ihn nicht gesehen haben nur eine Idee der Konzepte erhält. Dennoch enthält der Abschnitt “Spoiler” im Sinne, dass er halt Erwartungen im Leser wecken kann, die ihr vielleicht nicht haben wollt, wenn ihr in den Film geht. Darum, seid gewarnt.
Thanos hat einen Moment im Film, in welcher sein Charakter wirklich klar gezeigt wird, wo man sieht, wer er ist und was er bereit ist zu tun. Das Problem hierbei ist, dass der Schockmoment dieser Szene dadurch ruiniert wird, dass all seine vorherigen Szenen sehr, sehr deutlich machen, was in diesem Moment passieren wird. Diese Szene hat einen langsamen Aufbau, nimmt sich Zeit… und das wäre unglaublich stark gewesen, wenn nicht gleich von Anfang an klar gewesen wäre, wie sie ausgehen wird. Ich habe das Gefühl, wenn man Thanos schon vor diesem Film mehr kennen gelernt hätte, und nicht dieser eine Film so auf diesen Moment hingespielt hätte (z.B. wenn die Hinweise auf diesen Moment schon in anderen Filmen angespielt worden wären), dann hätte dieser Moment vielleicht noch stärker sein können.
…
Oder auch nicht. Ich weiss es nicht, und ich würde lügen wenn ich behaupten würde, dass die Vorhersehbarkeit des Momentes diesen ruiniert hätte. Vielleicht ist der Moment auch darum so stark, weil der Aufbau so langsam ist, und man als Zuschauer weiss, dass das Resultat unaufhaltsam ist…
Der Moment ist auf jeden Fall verdammt gut, und dass ich dieses kleine Problem hier als Problem aufliste obwohl ich nicht mal sicher bin, dass es eines ist… nun, das zeigt wie verdammt gut der Film sonst ist!
Darum lasst mich schnell zu zwei legitimen Problemen kommen, die ich mit dem Film habe.
Captain America, den ich eigentlich immer als einen interessanten Charakter empfunden habe, obwohl das die meisten Leute nicht so sehen, ist in diesem Film wirklich recht langweilig und uninteressant. Er hat kaum etwas zu tun und man hätte ihn fast völlig aus dem Film rausnehmen können, ohne gross etwas zu merken. Es spricht aber auch für den Film, dass er der einzige Hauptcharakter ist, welcher etwas zu kurz kommt.
Der Film enthält ausserdem noch zwei Charaktere, die nicht drin sein sollten. Der eine ist Loki, dessen perfekte Charakterentwicklung schon damit ruiniert wurde, dass er zum Schluss von “Thor 2” wieder zurückkommt… in “Thor – Ragnarock” wurde schon auf seinem tollen Charakter rumgetrampelt und in diesem Film wird einmal mehr gezeigt, wie unnötig und verschwenderisch es war, dass man seine Geschichte nicht in “Thor 2” schon abgeschlossen hatte. Der zweite Charakter will ich nicht spoilen, aber der erscheint in einer Szene, in welcher er einfach daneben wirkt und so scheint als sei es reiner Fanservice. Der Film wäre besser gewesen ohne ihn drin zu haben.
Aber wie schon erwähnt:
Die Tatsache, dass ich in einem 150 Minuten langen Film nur solch kleine Details habe, die ich in die negative Sparte schreiben kann ist ein absolutes Wunder.
Der Film ist einfach eine Klasse für sich, und er fühlt sich genauso an wie er sollte: Wie ein Werk in welchem alle bisherigen Filme zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Der Film passt tonlich, er getraut sich endlich mal wieder so richtig dramatisch und ernst zu werden, er versucht (erfolgreich) seinen Charakteren Tiefe zu geben, die Action ist wahnsinnig genial und wer wie ich über die letzten 10 Jahre auf diese Art von Film gewartet hat und alle anderen Filme gesehen hat, und die Charaktere liebt, der wird mit diesem Film eine solche Ladung an Qualität und Kreativität und Emotionen erhalten, dass man gar nicht anders kann als befriedigt aus dem Kino zu kommen.
Fazit: Der Film ist so gut wie er nur sein kann. Ich ging hinein und hoffte, einen guten Film zu sehen der mich befriedigt, und habe einen Film erhalten, der mich richtig gehend weggefegt hat!