Son of Saul - Saul fia (2015)
Regie: László Nemes
Géza Röhrig, Levente Molnár, Urs Rechn, Sándor Zsótér, Todd Charmont, Uwe Lauer, Christian Harting, Kamil Dobrowolski, Jerzy Walczak
Inhalt:
Oktober 1944, Auschwitz-Birkenau. Saul gehört zu einem sogenannten Sonderkommando, einer Gruppe von jüdischen Häftlingen, die gezwungen werden, die Nazis bei der Ermordung der deportierten Juden zu unterstützen. Er arbeitet in einem der Krematorien. Eines Tages entdeckt er einen toten Jungen, in dem er seinen eigenen Sohn zu erkennen glaubt. Als die Mitglieder des Kommandos einen Aufstand planen, beschliesst er, das Unmögliche zu versuchen, den toten Jungen zu entführen und auf würdige Weise zu beerdigen.
Fazit:
Circa zwanzig Jahren ist her als sich Claude Lanzmann der Macher der beeindruckenden Dokumentation Shoah zu einer beißenden Polemik gegen Steven Spielbergs Holocaust-Melodram Schindlers Liste (1993) ausholte. Er attackierte nicht nur dessen Machart. Er attackierte generell den Anspruch des Erzählkinos, die Judenvernichtung nachbilden zu können. Jede Inszenierung von Auschwitz laufe schon deshalb auf Verharmlosung hinaus, weil sie sich einer Ökonomie visueller Zumutbarkeit bediene.
Zum vorliegenden Film äußerte sich Lanzmann positiv.
Gegen diese Position hat sich längst die Gegenposition durchgesetzt, der zufolge es der Darstellung des Holocaust bedarf, um ihn vor dem Vergessen zu bewahren.
Ich kann beide Positionen verstehen doch interessiert mich eigentlich die künstlerische Bearbeitung solch schwierigen Themen wie (Massenmord, Krieg oder jede Art von totalitären Systemen).
Mich beschäftigt mehr die Frage, wozu der Mensch fähig ist, wenn er kollektiv beschließt aufzuhören Mensch zu sein und das schafft dieser Film auf eindrucksvoller Weise.
"Son of Saul“ ist so etwas wie die Antithese zu Spielbergs Hollywood-Holocaust und Roberto Benignis KZ-Märchen "Das Leben ist schön“.
Die Handlung konzentriert sich auf den Protagonisten Saul Ausländer. Die Handkamera weicht nicht von seiner Seite. Allerdings mutet uns László Nemes nicht zu, dass sich die Bilder beispielsweise von Leichenbergen bei uns einbrennen. Deshalb ist auf den Bildern vieles nur unscharf im Hintergrund, mitunter sogar nur als Silhouette zu erahnen. Kein einziges Mal wird eine Totale aufgenommen. Das verstärkt den Eindruck der Orientierungs- und Sinnlosigkeit, zumal ständig Menschen herumhasten. Die Farben der Bilder im 4:3-Format sind düster und schmutzig.
Neuartig an der von László Nemes entwickelten Filmsprache ist vor allem der Soundtrack. Statt einer Musikuntermalung gibt es einen Klangteppich aus gebrüllten Kommandos, Schreien, Stöhnen, Schüssen, Hundegebell, Flüstern. Viele der Dialoge sind jiddisch, deutsch, polnisch, russisch oder ungarisch.
Dieser Film zeigt das institutionalisierte Töten als das, was es ist: schwer zu ertragen.
Noch 2 Tipps.
Zum einem der oben erwähnte Film Shoah (1985) von Claude Lanzmann.
und der andere
Nacht und Nebel - Nuit et brouillard (1956) von Alain Resnais