Suffragette:
Ein sehr kompetent gemachter Film über ein sehr wichtiges Thema.
Leider wünschte ich mir, dass ich es nicht so formulieren müsste, denn wer zwischen den Zeilen lesen kann, der versteht sicher, dass das nicht das beste Lob ist, das man einem Film geben kann. Und ich wünschte mir, dass ich enthusiastischer sein könnte.
Aber leider hat mich der Film wirklich nicht auf der emotionalen Ebene abgeholt, auf der ich es gerne gehabt hätte.
Der Film ist hervorragend geschossen. Die Bilder sehen toll aus, der Film ist stark inszeniert, aber er ist auch sehr konservativ in seiner Umsetzung, lässt jegliche Handschrift oder künstlerisches Risiko vermissen und wirkt wie mit einem (sehr, sehr guten) Computerprogramm dirigiert.
Das muss nicht unbedingt einen Film abwerten. Andere Filme, welche historische Ereignisse umgesetzt haben, haben oft eine visuelle Zurückhaltung, um die Schauspieler und die Dialoge ins Zentrum zu stellen (“Lincoln” ist ein solches Beispiel). Und das kann gut funktionieren.
Dafür braucht es aber andere Elemente, welche mich reinziehen. Hervorragende Schauspieler, gut geschriebene Charaktere und/oder Dialoge, ein überraschender Plot voller Wendungen…
Aber dieser Film hat leider nicht viel in diese Richtung.
Die Schauspieler sind alle wirklich gut! Aber eben… richtig gut. Nicht hervorragend, nicht umwerfend, nicht überragend. Einfach… gut halt. Man findet nicht viel was man kritisieren kann, aber leider auch nicht viel, was heraussticht.
Das gleiche gilt für die Dialoge und den Plot. Die sind sehr effizient gemacht, bringen den Plot und die Themen gut rüber… aber sind auch sehr vorhersehbar, und zum Teil ein bisschen schwerfällig und lässt Subtilität vermissen, sowie Überraschungen.
Hier ein bizarres Beispiel, aber: in 2017 kam ein Schweizer Film raus, “Die Göttliche Ordnung”. Da ging es um den Kampf für das Frauenstimmrecht in der Schweiz im 1971 (jep… so lange hat das in der Schweiz gedauert…). Und dieser Film, wenn auch mit viel weniger Ressourcen und weniger grossen Namen gemacht, hat in meinen Augen viel mehr zum Thema der Geschlechter-Gleichsetzung zu sagen! Dieser Film zeigt, wie schädlich die Unterdrückung der Frauen für die ganze Gesellschaft war. Was für negative Feedback-Loobs entstehen, welche einer ganzen Gesellschaft schaden, allen beteiligten, Männer, Frauen, Kinder. Dieser Film geht in die Gruppendynamik zwischen Mann und Frau, Ehemann und Ehefrau, Frau und Frau, Mann und Mann… geht überall rein, und zeigt die giftige Wirkung, welche solch systemische Ungerechtigkeiten hat. “Suffragette” geht den offensichtlichsten Punkt an (die Frauen, als die Opfer der gesetzlichen Ungleichheit) und fokusiert sich völlig darauf! Das ist GUT. Das ist OK. Das ist IN ORDNUNG. Aber es ist auch das offensichtlichste Thema, und es spielt sich auch so offensichtlich ab, wie man es sich vorstellen kann. Es gibt vier immer wiederkehrende Männliche Charaktere, und wenn ich euch fragen würde, was für Rollen diese Männer in der Geschichte spielen, und wie sie zum Frauenstimmrecht stehen, dann kann jeder, der solche Filme ein bisschen kennt vermutlich ziemlich gute Vermutungen anstellen, was für Charaktereigenschaften man da findet…
Wie ganz zu Beginn gesagt, der Film ist GUT! Wenn man ihn sich anschaut, dann kriegt man solide Handwerksarbeit zu einem wichtigen Thema geliefert. Es ist sicher die Zeit Wert, die man investiert um den Film zu schauen.
Aber ich wünschte mir, dass er mehr in mir erweckt hätte als nur ein anerkennendes Nicken.
Fazit: Gute Arbeit zu einem interessanten Thema. Aber ziemlich ohne eigene Handschrift und ohne Risiko einzugehen.