The Book of Henry:
Au weja…
Das war doch eher ein bisschen ein Fehlgriff.
Und das, obwohl ich jetzt zum Schluss, ganz zum Ende, trotzdem noch ein bisschen positiver gestimmt bin als ich es die meiste Zeit während dem Film war.
Das Ende dieses Filmes ist nämlich ganz in Ordnung. Denn zum Schluss hat der Film noch zwei Wendungen, welche ich ganz gut finde und passend zum Film, und vor allem die eine Wendung (oder besser: Die Absenz einer von mir erwarteten Wendung) sorgte dafür, dass ich dem Film noch ein bisschen Credit geben kann. Und ausserdem hat das Ende eine Performance von einer der Schauspielerinen, welche ich extrem stark fand! So stark, dass ich sofort googlen musste, wer diese Schauspielerin den ist, denn sie kam mir irgendwie bekannt vor.
Und als ich sah wer es war machte ihr Cast plötzlich extrem viel Sinn…
Denn es handelt sich dabei um Maddie Ziegler, die junge Tänzerin welche durch viele Sia-Musikvideos berühmt wurde. Ich dachte immer, dass ich sie gerne mal als Schauspielerin sehen würde, denn sie hat ein unglaublich ausdruckstarkes und emotionales Gesicht, und in diesem Film ist sie einfach hervorragend gecastet, aus sehr, sehr vielen Gründen. Dieses Casting und ihre Darstellung sind wirklich hervorragend und verdienen ein Kompliment.
Leider kann man das nicht vom Rest der Schauspieler sagen! Und das ist erstaunlich, denn der Film hat zwei der besten männlichen Kinder/Jungen-Schauspieler der letzten Jahre (Jacob Tremblay von “Room” und “Wonder” und Jaeden Martell von “Midnight Special” und “It”), sowie Naomie Watts, eine Schauspielerin welche eh fast immer eine gute Leistung bietet… und trotzdem wirkt die Schauspielerische Ebene irgendwie völlig daneben.
Hierbei will ich aber nicht den Schauspielern die Schuld geben. Viel mehr scheint der Regisseur einfach nicht auf der Höhe gewesen zu sein. Und die wirklich grauenhaft aufgesetzten Dialoge helfen da sicher auch nicht! Vermutlich hätte kein Schauspieler diese Zeilen natürlich wirken lassen können… Ich meine, ich habe Maddie Ziegler gelobt, aber ihr Charakter sagt kaum etwas in dem Film, wovon sie vermutlich nur profitiert.
Denn sobald in diesem Film jemand den Mund aufmacht wirkt es, als höre man einen Alien bei einem Versuch wie ein Mensch zu reden.
Sowieso leidet der ganze Plot darunter, dass sich niemand so verhält wie eine echte Person! Erst dachte ich, dass liege einfach am Charakter des Henry. Henry ist ein… “Genie”. Aber er ist mehr als das. Er ist ein göttliches Geschenk an die Welt. Er ist ein 11 jähriger Junge mit einem vermeindlichen IQ von 200. Aber anders als andere überzeichnete Genies in Film und Fiktion ist Henry nicht nur intelligent, er ist auch handwerklich geschickt, sehr reif für sein alter (es wird spezifisch festgestellt im Film, dass er reifer ist als die meisten Erwachsenen um ihn herum) und er hat nicht einmal die asozialen Züge welche man oft mit dieser Art Charakter assoziert, sondern er ist völlig empathisch, mit einem extrem starken Sinn für Moral und dafür, gutes zu tun und die Welt zu verbessern. Er ist auf die absurdeste Art überzeichnet und in keinster Weise realistisch oder authentisch.
Aber wenn es nur er wäre, der so ist, dann könnte ich damit eventuell umgehen. Immerhin könnte ich es dann als eine Geschichte abtun von einer Art Übermensch welcher in eine realistische Welt geboren wurde. Aber auch das ist nicht der Fall.
Den ob es seine Mutter, sein Nachbar, sein Bruder oder die Arbeitskollegin der Mutter ist, alle Charaktere um ihn herum sind überzeichnete Karikaturen ohne den geringsten Sinn für Authentizität oder Realismus. Und in den Momenten wo das Verhalten der Charaktere nicht “Klischee” ist, wird es noch schlimmer, denn dann fangen sie an sich so seltsam zu verhalten, dass ich keine Ahnung mehr hatte, was genau abgeht. Z.B. das erste Mal wo Naomie Watts’ Charakter als Henrys Mutter sich mit der jungen Nachbarstochter unterhält zeigen sie, dass die zwei einen bizarren Budddy-Handschlag haben… und danach streicht Naomie dem Mädchen durch die Haare und… ehrlich, die Szene wirkte völlig bizarr, ich hatte das Gefühl ich hätte etwas verpasst.Aber hatte ich nicht! Anscheinend ist das, wie sich der Regisseur vorstellt junge Mädchen und die Mütter ihrere Nachbarsjungen verhalten sich zueinander! Ich konnte das ganze einfach nie wirklich ernst nehmen.
Und das ist ein massives Problem. Denn der Film ist düster… und zwar so richtig. Es geht um sehr schwierige, harte Themen, und mehrere Momente sind dazu ausgelegt, richtig emotional rüberzukommen.
Und leider zog das gar nicht. Ehrlich gesagt war ich über weite Strecken gelangweilt. Dies ist einer dieser Filme, welcher nur leicht über 100 Minuten geht, sich aber anfühlt wie weit über 2 Stunden. Das Tempo ist so langsam, weil man versucht Charaktere und Emotionen zu entwickeln, da aber nichts wirklich wirkt kommt es einfach als langsam und schleppend rüber.
Aber Langeweile ist eine Sache, die grössere Sünde passiert zu dem Zeitpunkt, als der Film unfreiwilig zu einer Komödie oder Parodie von sich wird.
Denn über weite Strecken des ersten Aktes des Filmes wird uns gezeigt, wie gut Henry gewisse Leute aus seinem Umfeld kennt.
Ab der zweiten Hälfte kommt dann das Titelgebende “Buch von Henry” ins Spiel, welches da genutzt wird um im Prinzip in Henrys Abwesenheit von diesen Charakteren, denen Hinweise und Ratschläge gibt.
Dies wird aber zu einem SO absurden Grad gemacht, dass ich einfach nur noch lachen konnte, denn was da gezeigt wird ist etwas, was man normalerweise in Komödien und komödiantischen Sketchen sieht. Im Sinne von: Das Buch sagt einem Charakter: “Hey, du solltest umbedingt noch das Geschirr spühlen”. Und der Charakter sagt zu sich: “Gut, gut… aber das kann ich auch morgen noch machen”. Und in dem Moment dreht wendet der Charakter die Seite, wo Henry reingeschrieben hat: “Und sage dir nicht, das kann ich auch morgen machen. Hör auf alles aufzuschieben!”
Ja, die Nachrichten welche Henry indirekt braucht um mit den Leuten zu kommunizieren “wissen” oft eins zu eins was der Charakter sagen oder machen wird… und die Nachrichten sind so aufgelistet, dass sie z.B. erst beim umblättern erkannt werden, sodass der Charakter erst noch die Möglichkeit hat so zu reagieren, wie es Henry vorausgesagt hat.
Ich kann es nicht anders sagen, das ist einfach nur dumm und lächerlich, und wäre witzig gewesen, wenn diese zweite Hälfte thematisch nicht wirklich düster und ernst gemeint gewesen wäre.
Ehrlich, der Film ist wirklich nicht sehr gut gemacht. Der Regisseur schien noble Absichten gehabt zu haben, aber er ist leider völlig daneben getreten.
Dazu kommt noch die Tatsache, dass der Film wie gesagt sehr, sehr düstere Themen behandelt… aber sich offenbar nicht einmal getraut zu irgend einem Punkt diese Themen explizit anzusprechen. Das mag vielen Zuschauern vermutlich gar nicht zu fest auffallen, aber für mich wirkte das schon etwas problematisch, in einem Film der unter anderem die Aussage hat, dass man zu oft diese Dinge ignoriert, und sich einfach abwendet. Ich habe da dann halt schon ein bisschen Mühe, wenn der Film dann selber sich nicht einmal getraut es explizit anzusprechen.
Fazit: Alles in allem wirklich ein grösserer Fehlgriff, und kein Film den ich empfehlen würde. Mit der Ausnahme eines dritten Aktes der Ok ist, und einer guten Darstellung eines jungen Talentes.