Ok, habe mir jetzt doch noch “Fyre Fraude” angeschaut.
Bin nicht ganz sicher, ob ich behaupten würde, dass es bei mir grosse “Skepsis” zur Netflix Doku aufgerufen hat.
Ja, es beleuchtet bestimmte Aspekte etwas mehr als der Netflix-Film, vor allem wenn es um die anderen Leute hinter Billy geht und zeigt, dass der Aspekt der “Influencer” ein wesentlich grösseres, kontrollierteres Geschäft ist, als man es im Netflix-Film sieht. Das gibt etwas mehr Kontext zu Billys Charakter und Hintergrund. Aber auch hier kriegt man nicht den Eindruck, als sei Billy nicht der Hauptverantwortliche und der Haupttäter in der ganzen Geschichte.
Ich würde es mal so sagen:
Diese beiden Filme sind sicher interessant als Kombo zu sehen. Der Netflix-Film hat einen grösseren Fokus auf die Leute, welche von Billy mit reingezogen wurden und je länger je mehr gegen das Disaster ankämpfen mussten. Es zeigt auch viel mehr als der Hulu-Film, was für einen Schaden Billy angerichtet hat. Im Hulu-Film könnte man ein bisschen das Gefühl kriegen, als seien die einzigen Leidtragenden die reichen Millenial-Kids gewesen… was die eigentlich Geschädigten Parteien (all die Arbeiter und Mitorganisatoren) ignoriert. Abgesehen von kurzen Screen-Texten am Ende des Filmes wird in “Fyre Fraud” kaum auf diesen Aspekt eingegangen.
“Fyre Fraud” hat dafür mehr Stimmen der “anderen” Seite (Billy und die Leute von der Seite der organisierten “Influencern”) sowie einen etwas tieferen Einblick auf die Medienlandschaft, welche dieses ganze Debakel überhaupt ermöglichte. Zwei unterschiedliche Filme zum gleichen Thema, die sich in meinen Augen gut ergänzen.
Wenn ich allerdings wählen müsste würde ich von meiner Seite aus sagen, dass der Netflix-Film wesentlich besser ist.
Der Fokus des Netflix-Filmes finde ich interessanter. Denn die Stimmen der direkt beteiligten Mitarbeiter zu hören, und der Leute die von Billy mitreingezogen wurden finde ich an der Geschichte einfach sehr zentral. Ich sage nicht, dass es reiche Kids verdient haben über den Tisch gezogen werden, natürlich nicht! ABER wenn diese Gäste die einzigen Geschädigten gewesen wären, dann würde ich behaupten dass ich emotional vermutlich nicht ganz so betroffen gewesen wäre, wie wenn ich sehe wie eine lokale Restaurantbesitzerin erzählt, was für einen Schaden Billy auf der Insel angerichtet hatte…
Der zweite Punkt, warum ich den Netflix-Film besser finde ist die Tatsache, dass er sein Thema einfach viel, viel besser und klarer aufrollt. Er erzählt die Geschichte recht geradelinig, und konzentriert sich auf die Geschehnisse aus der Sicht der beteiligten, mit einem Fokus darauf, wie Billy sie alle mit reingezogen hatte.
Der Hulu-Film scheint ein bisschen alles mögliche abdecken zu wollen. Es geht um die Millienials und ihre Kultur… nur werden die dann während der Mitte des Filmes kaum mehr erwähnt und plötzlich geht es mehr um Billy selber… und danach geht es zurück zu den Millenials… und dann wird plötzlich noch Trump reingeworfen als Referenz für einen berühmten, erfolgreichen Con-Artisten (eine Parallele, die ich in einem früheren Kommentar ja auch schon aufgeworfen habe, aber für einen Dokumentationsfilm das nur in einem kurzen Satz aufzugreifen, wenn doch die These des Filmes ist, wie diese Con-Artisten heutzutage ein leichtes Spielfeld haben ist einfach nicht gut genug), und zum Schluss kommt man plötzlich wieder auf FuckFreddy zu sprechen… welche nach dem ersten Drittel des Filmes praktisch nicht mehr angesprochen worden sind!
Ich mag den Aspekt, den der Hulu-Film zeigen wollte, finde das durchaus interessant. Aber der Film hätte definitiv anders strukturiert sein und einen klareren Fokus haben müssen, um dem abstrakteren Thema der Millenial-Medien-Problematik sauber abzuhandeln.
Und zu guter letzt fand ich den Hulu-Film auch zu über-produziert.
Die ominöse Musik die ganze Zeit und das fast schon Thriller-mässige Auziehen der ganzen Sache…
Auch die Interviews mit vielen der Betroffenen wirkten künstlich zusammengeschnitten. Es gab mehrere Momente, wo man im Interview mit Billy ihm eine Frage stellt, und er dann lange ruhig ist und es aussieht als finde er keine Worte, weil er jetzt auf dem falschen Fuss erwischt wurde…
Vielleicht tue ich den Filmemachern hier unrecht. Vielleicht lief das Interview wirklich genau so ab. Aber die Schnitte in diesen Momenten geben mir das Gefühl, dass man Billys Pausen da künstlich verlängert hat. Auch die Tatsache, dass Billy ein geübter Bescheisser ist, der eine Menge Übung hat sich irgendwelche Lügen und Ausreden zurechtzulegen macht es für mich einfach nicht glaubwürdig, dass ihn solche offensichtliche Fragen derart auf dem falschen Fuss erwischt hätten, dass er für etliche Sekunden kein Wort mehr rausbrachte.
Währe der Rest des Filmes nicht so über-inszeniert und hätten diese Pausen nicht diese auffälligen Schnitte drin wäre ich vielleicht weniger skeptisch, aber so… ehrlich gesagt, ich fühlte mich bei der Hulu-Doku doch öfters etwas zu fest durch die Inszenierung manipuliert.
Sagen wir es mal so:
Ich denke, dass der Netflix-Film gewisse Aspekte rausgelassen hat. Und ob das gewesen ist, weil die Macher einfach Dinge nicht ansprechen wollten, die für ihre Produzenten unangenehm gewesen wären, oder ob man es rausliess weil es für das, was der Film zeigen will nicht nötig ist, kann ich nicht sagen. Ich finde, dass es tatsächlich nicht wirklich nötig war, für den Film den sie gemacht hatten, da es in dem Film in erster Linie um die Sicht der Opfer ging. Aber die Tatsache, dass die Macher Verbindungen zu einer der treibenden Parteien in der Geschichte hat ist natürlich unangenehm und macht die Frage, warum man das Thema der Influencer nur oberflächlich angeschnitten hatte doch sehr fragwürdig. Aber als Doku, für sich gesehen, scheint sie solide zu sein und die Fakten und Themen die angesprochen werden scheinen solide recherchiert und aufgearbeitet.
Die Hulu-Doku versucht viel mehr abzudecken und scheint auch eine klare Stellung zum Interessenkonflikt der Netflix-Doku zu nehmen.
Trotzdem wirkt er auf mich (wenn ich einfach den Film und die Präsentation ansehe) weniger seriös und zuverlässig als die Netflix-Produktion, und leider auch viel zu überladen mit Themen und Dingen die man ansprechen wollte, aber irgendwie dann doch nur überflog.
Fazit: Ein interessantes Doppelpack, ohne Zweifel. Ich denke, wenn man sich für das Thema interessiert, dann sind die zwei Filme Seite an Seite auf jeden Fall ein guter Weg sich in das Thema reinzufinden.