Aufbruch zum Mond
Der Film spaltet und das hängt meiner Meinung nach mit einer falschen Erwartungshaltung zusammen. Es ist kein Raumfahrtfilm, den anscheinend viele erwartet haben, sondern es ist das Psychogramm eines Mannes, der sich durch Schicksalsschläge emotional von seiner Außenwelt abkapselt und dennoch großes vollbringt, dass für viele Menschen einen hohen emotionalen Wert hat.
Ganz ehrlich: DAS ist für mich modernes amerikanisches Heldenkino. Endlich werden Helden zu Helden durch das, was sie tun und nicht dadurch, wie sie inszeniert werden.
Dem Film wurde zugunsten der Hauptfigur ALLES entzogen, was man sonst so aus dem Hollywood-Kino kennt. Es gibt keinen Patriotismus, keinen Heldenpathos, keinen religiösen Pathos. Im Film fällt durch die Charaktere weder das Wort “Amerika” oder “USA” noch “Gott”.
Damit konzentriert der Film sich nicht nur auf das Wesentliche, sondern stellt auch endlich einmal das deutlich heraus, was mich schon immer an solchen Hollywood-Raumfahrtfilmen genervt hat: Die Raumfahrt ist größer als die USA! Ihr habt zwar angefangen, aber euch gehört das nicht. Es gehört der ganzen Menschheit.
Dass man die Fahnen-Szene nicht gezeigt hat, ist da nur konsequent und weder anti-amerikanisch, noch in irgendeiner Weise politisch gegen aktuelle Präsidenten gerichtet… ihr wisst schon, dem mit dem toten Eichhörnchen auf dem Kopf.
Es macht auf der Ebene Sinn, dass man sich nur auf einen Charakter konzentriert und eben auf einer höheren Ebene mit der Botschaft, dass “Space Exploration” nicht etwas ist, dass die Amis exklusiv haben und nur für sich tun.
Die Szenen in den Kapseln haben mich immer wieder an “Das Boot” erinnert. Weniger über Optik, sondern viel mehr über Geräusche wird hier die Spannung erzeugt. “Fällt die Kiste gleich auseinander oder nicht?” Das ist großartig.
Durch diese drastische Verengung auf Armstrong muss man natürlich Abzüge bei anderen Charakteren hinnehmen. Die Crew der Apollo 11 wirkt nicht wie eine verschworene Einheit, wie man es bei so einer Mission erwarten müsste. Collins tritt kaum in Erscheinung und Aldrin wirkt durchgehend fast wie ein unsympathischer Proll.
Auch mit Armstrong selbst fremdeln viele, weil er diese emotionale Kühle auch auf den Zuschauer überträgt (symbolisch toll verdeutlicht, als er auf dem Mond bei einer emotionalen Reaktion das Visier verschließt und dem Zuschauer dem Blick verwehrt). Er entzieht sich in seinem Habitus vollkommen dem Stereotyp eines Helden. Die Beziehung zu seiner Frau ist auch eher kalt.
Mein einziger größerer Kritikpunkt am Film ist, dass er durch die minütlichen Schnitte zwischen Raumfahrt-Szenen und Beziehungszenen etwas unfokussiert ist.
Also mein Fazit: Möchte man Raumfahrt für´s Herz schaut man “Apollo 13”. Möchte man Raumfahrt für´s Hirn, wählt man “First Man”. Man sieht, dass ich damit auch die immerwährenden Vergleiche zwischen den Filmen ziemlich deplatziert finde. Beide haben vollkommen unterschiedliche Ansätze.
Ich gebe First Man 4 von 5 Sternen.