Bendy and the Ink Machine:
Jetzt unmittelbar nach dem Ende hatte ich eigentlich gleich Lust gehabt das Spiel nochmals anzufangen. Denn die Story hat mir gut gefallen, und das Ende regt wirklich dazu an nochmals durch das ganze Spiel zu gehen und zu schauen, wie die Story zusammenkommen wenn man das Ende schon kennt. Ausserdem kriegt man ein neues Werkzeug für einen zweiten Durchgang, welches extrem dazu beiträgt bei einem neuen Durchgang nochmals auf Storyjagd zu gehen.
Ausserdem hat das Spiel einfach ein geniales, visuelles Design, welches ein guter Grundstein für eine gelungene Atmsophäre ist.
Und dennoch: Ich kann wirklich nicht behaupten, dass das Spiel selber wirklich gut ist. Ehrlich gesagt, ich halte es für ein ziemlich schlechtes Game.
Das Problem ist, dass all die guten Aspekte wirklich nur sehr, sehr oberflächlich sind und das Werk als GAME extrem wenig zu bieten hat und sehr schnell auseinander fällt.
Das Gameplay ist mehr als nur minimalistisch und oberflächlich. Es hat ein „Kampfsystem“, welches daraus besteht einen Knopf zu drücken um zu schlagen (mit welcher Waffe man gerade ausgerüstet ist) und dann muss man hoffen dass man schneller zuschlägt als der Gegner, denn ausweichen kannst du praktisch nicht, du bewegst dich viel zu langsam…
Das „Kampfystem“ ist etwa mit dem Kämpfen in „Bioshock“ zu vergleichen… wenn man NUR den Schraubenschlüssel zur Verfügung hätte und du praktisch nur ein Gegnermodel hast, welches immer mit etwa zwei Schlägen niedergeht.
Und trotzdem hat das Spiel die Nerven ganze Abschnitte der Kapitel um dieses „Kampfsystem“ rumzubauen.
Ansonsten rennt man eigentlich nur in recht leeren Leveln rum, wo fast nichts passiert.
Zu Beginn hat man noch eine gute Atmosphäre. Wie oben gesagt, die visuelle Umsetzung und das Design sind hier ein solider Grundstein für eine tolle Atmosphäre. Leider geht die nach der ersten Halben Stunde recht schnell den Bach runter, sobald man realisiert, wie das ganze geskriptet ist.
Ein Beispiel: Im Game stehen überall diese lebensgrossen Cartoon-Kartonausschnitte rum. Einmal versuchte ich eines zu zerschlagen und voila… das ging.
Als ich dann nach kurzer Zeit in einem anderen Raum zu dieser Stelle zurückkam… grinste mich diese Figur von weitem wieder an, aufrecht stehend als ob nichts passiert wäre.
Cooler effekt, creepy…
Bis ich realisierte, dass diese Figuren sich immer wieder selber zusammen setzen, sobald man ihnen den Rücken zukehrt.
Das war nicht ein einmaliger Effekt, das war etwas, was ich konstant wiederholen konnte. Ich konnte mich im Kreis drehen, die Figur jedesmal zerschlagen wenn ich sie zu Gesicht bekam, und nach der nächsten Drehung stand sie bereits wieder… ready für den nächsten Schlag.
So vorhersehbar darf solches Zeugs in einem Horrorspiel einfach nicht sein, sonst geht sofort jegliche Atmsophäre flöten, sobald man erkennt, wie das Zeugs programmiert ist.
Andere Dinge, welche schnell die Atmosphäre kaputt machten, sind Dinge wie die Gegner-KI.
Relativ schnell realisiert man, dass alle Level mit diesen Holzkästen voll sind, in welchen der Spieler rein kann und dann die Türe hinter sich zumacht, und dann durch ein kleines Loch rausschauen kann.
Wer schonmal ein Horror- oder Stealthspiel gespielt hat, der wird recht schnell realisieren: Ah, ok. Wenn ich verfolgt werde, dann kann ich mich da drin verstecken.
Nur: Was ich NICHT wusste, aber dann relativ schnell realisierte war, dass du nicht einfach eine „Chance“ hast, dich da vielleicht zu verstecken, wenn es dir gelingt die Kästen zu erreichen, bevor dich der Feind darin verschwinden sieht.
Nein, nein. Der Gegner kann dir direkt auf den Fersen sein, wortwörtlich einen Halben Meter hinter dir… und wenn du diese Verstecke erreichts spielt sich die Animation ab wie du dich da drin versteckst, und dann siehst du den Feind sich einfach umdrehen und weglaufen. Diese „Verstecke“ sind eine 100% sichere, undurchdringliche Wand für die KI. Wenn du dich darin versteckst, dann kriegt die KI sofort einen Reset und geht ihrem alten Protokoll nach, bevor sie dich gesehen haben. Konsequent, ohne Ausnahme, immer das gleiche.
Aber auch wenn es dir mal nicht gelingt dich zu verstecken (und sind wir ehrlich: Das kann schnell passieren, denn dein Charakter bewegt sich SO LANGSAM, dass es oft unerträglich ist), ist nur halb so wild. Dann stirbst du, und wirst an einer der vielen, vielen Statuen wiederbelebt welche überall im Level verteilt sind… und zwar ohne dass du irgendwas verlierst. Den Fortschritt den du gemacht hast? Immer noch da. Die Schlüsselitems die du gefunden hast? Jep, trägst du immer noch mit dir rum.
Ehrlich gesagt, es gibt Abschnitte wo es vermutlich einfacher und günstiger ist dich töten zu lassen, damit du zurück zum Anfang des Levels teleportiert wirst, wo du das Schlüsselitem das du gerade gefunden hast dort brauchen kannst. Geht schneller, als zurück zu laufen.
Ich glaube es sollte klar sein, wie vernichtend für die Atmosphäre und das Spielgefühl all dieses Zeugs ist.
Aber nicht nur die Atmsophäre leidet unter den ganzen Designfehlern.
Das Spielvergnügen an sich, unabhängig vom Horror oder der Atmosphäre, wird oft auch dadurch getrübt dass dir das Spiel einfach schlechte Indikatoren gibt, was du genau machen musst. Wenn du weisst, was du machen musst dann hast das Spiel praktisch null Herausforderung, wenn du aber NICHT weisst, was du machen musst, dann kannst du auch gerne mal länger hängen bleiben, einfach weil das Spiel dir nicht genug Rückmeldung zu dem gibt, was du gerade machst. Der Finale Boss ist hierbei am aller schlimmsten, wo ich wirklich dachte ich mache etwas falsch, weil der „Kampf“ ein reines Glücksspiel war. Dann ging ich online nachschauen, ob es da einen Trick gibt den ich übersehen habe aber nein… ist tatsächlich einfach so, dass dieser Abschnitt ziemliche Glückssache ist.
Wie gesagt:
Das Spiel hat visuelle Elemente welche sehr gelungen sind. Und eine gute Story. Es sind kreative Funken vorhanden, aber es ist relativ deutlich, dass das Spiel zu 95% auf einem coolen, visuellen Style aufbaut und das „Spiel“ danach einfach halbherzig drum herum geknüpft wurde.
Lustigerweise habe ich den Eindruck mir wird das Spiel vermutlich jetzt, wo ich genau weiss was ich machen muss und wo ich durch muss, besser gefallen als beim ersten mal Zocken… denn jetzt kann ich es fast wie einen narrativ getriebenen Walking-Simulator spielen, anstatt ein mühsames, frustrierendes Game. Und mit einer Spielzeit von 3-4 Stunden kann man da vielleicht mal einen netten Story-Abend damit haben. Aber das ist eigentlich nicht so, wie ein Game funktionieren sollte.
Fazit: Keine Empfehlung von mir. Ein ansprechender visueller Style und eine Atmosphäre welche auf sehr, sehr oberflächlichem Level funktioniert solange man nicht zu genau hinschaut ist einfach nicht genug um über das schlechte Gamedesign in allen anderen Aspekten hinwegzusehen.