Firewatch:
Wieder einmal durchgespielt.
Und muss sagen, dieses Spiel wird besser, wenn man es schon kennt, und weiss, worauf es hinausläuft.
Ist irgendwie spannend. Das Spiel hat mir schon beim ersten Mal gut gefallen, aber das Ende fand ich, wie so viele Gamer, etwas enttäuschend. Zwar verstand ich, warum es enttäuschend sein MUSS, aber irgendwie hat es mir doch das Gefühl gegeben, dass irgend etwas fehlt.
Jetzt bin ich aber anderer Meinung. Ich finde, dass die Story, so wie sie ist perfekt ist.
Von hier an gibt es ein bisschen Spoiler, aber es ist schwierige über die Relevanten Aspekte des Spieles zu reden, ohne auf spezifischere Details einzugehen.
[spoiler]Die Tatsache, dass hinter der ganzen Geschichte nichts grösseres steckt, dass es wirklich nur eine einsame, verwirrte Person ist, welche den beiden Protagonisten nachschnüffelt, und dass am Ende die Isolation und der Wunsch nach etwas “Grösserem” dazu geführt hat, dass die beiden Protagonisten so paranoid wurden ist grossartig aufgebaut und macht schlussendlich auch wirklich Sinn.
Das ist schliesslich der Inhalt der Erzählung, und der Spieler kann sich gut mit den Protagonisten identifizieren, weswegen das Gefühl zum Schluss, dass mehr da sein sollte als es eigentlich ist, die Identifikation mit den Figuren gut rüberbringt.
Fasziniert bin ich auch von der Tatsache, wie gut die Beziehung zwischen den Protagonisten funktioniert.
Ich habe beim ersten Mal durchzocken versucht, so freundlich und offen zu sein wie möglich. Beim zweiten Mal spielen hingegen war ich völlig verschlossen und ein ziemliches Arsch…
Und das hatte einen ganz interessanten Effekt. Denn obwohl der Plot sich kein bisschen verändert und die Beziehung zwischen den Charakteren gezwungenermassen “intimer” wird (wegen bestimmter geskripteter Szenen), so hatte es doch einen recht drastischen Einfluss, vor allem auf das Ende.
Denn zum Schluss, wenn man endlich in Delilahs Turm steht und zum letzten Mal mit ihr redet, wirkt das ganze plötzlich völlig anders. Beim ersten Mal spielen hatte ich das Gefühl, dass sich hier zwei Freunde voneinander verabschieden. Zwei Leute, welche sich in ihrer Isolation zueinander geöffnet hatten, und welche sich jetzt lossagen müssen um zurück in die Realität ihres alten Lebens zurückzukehren.
Beim zweiten Mal spielen zeigte das Ende zwei Fremde, welche nicht viel voneinander wissen, und deren Beziehung nur deswegen “intimer” geworden ist, weil sie so lange nur sich gegenseitig hatten. Und in diesem letzten Moment, in welchem sie sich verabschieden müssen, realisieren sie, wie wenig sie sich doch eigentlich kennen, und wie sehr sie sich in das Bild eines Charakters verliebt haben, welches vermutlich gar nicht existiert.
Und ehrlich gesagt, dass finde ich einen richtig beeindruckenden Effekt darauf, wie sich die Wahrnehmung der Charaktere ändert, nicht abhängig vom Plot, sondern rein abhängig von den Dialogen, welche die beiden miteinander austauschten.
Sowieso finde ich es faszinierend, wie die Charaktere dem Spieler näher gebracht werden.
Beim ersten Mal durchspielen ist es mir nicht aufgefallen, aber:
Es gibt vier wichtige Charaktere: Henry, Delilah, Brian und sein Vater Ned.
Und alle drei Charaktere werden dem Spieler schlussendlich auf die gleiche Art vorgestellt: Indem man ihr “Heim” sieht.
Henrys Zuhause sieht man die ganze Zeit, im Aussichtsturm. Und man gestaltet es auch ein kleines bisschen selber. Und dann, im letzten Drittel des Spieles sieht man erst den Unterschlupf von Brian, dann den Bunker von Ned, und schlussendlich auch das Innere des Aussichtsturms von Delilah. Von allen Charakteren hat man zuvor eine Menge gehört, und sie waren relevant für die Geschichte, aber in jedem Fall war es die Entdeckung ihres “Heimes”, welches ihnen schlussendlich ein Konkretes Gesicht gab. Und das, muss ich zugeben, ist eine wirklich fantastische Art Charaktere in einem solchen Spiel, in dem man nie direkt mit NPCs interagiert, zu zeigen.
Und auch das Ende ist grossartig gemacht.
Und ich rede hierbei von den Credits.
Die Idee, durch die Fotos die man selber mit Brians Kamera geschossen hat, rückwärts zu scrollen ist schonmal eine wirklich schöne Idee, aber was wirklich brilliant ist, dass man zum Schluss noch ein Paar Bilder sieht, welche die zwei tragischen Charaktere welche eigentlich im Zentrum des Dramas stehen (Brian und Ned) noch kurz auf ein Paar Bildern sieht…
Nicht nur ist das innerhalb des Spieluniversums ein genialer Zug (schliesslich stammte die Kamera ja ursprünglich aus Brians Rucksack), es ist auch nochmals so richtig ein emotionales Ausrufezeichen, wenn man bedenkt was für ein Bild man von diesen zwei Charakteren sonst erhalten hatte…[/spoiler]
Alles in Allem finde ich dieses Spiel einfach wunderschön. Natürlich ist es kein Game, welches allen Gamern gefallen wird (ehrlich gesagt, man kann darüber diskutieren, wie sehr es überhaupt ein “Game” ist, da es kaum Gameplay hat… der Begriff “Walking Simulater”, welcher für diese Art Story oft verwendet wird, passt wohl besser), aber wenn man sich darauf einlässt, dann hat diese Geschichte einiges zu bieten.
Wer das Spiel jedoch nicht kennt und es mal ausprobieren will, dem würde ich empfehlen: Schaltet in den Optionen gleich zu Beginn die Markierung auf der Karte aus. Nicht nur erhaltet ihr damit ein kleines Bisschen mehr Gameplay, es sorgt auch dafür, dass man den Park in dem die Geschichte spielt viel besser kennen lernt und viel mehr in die Story eintauchen kann.
Und man muss sich definitiv auf das “Game” einlassen. Es ist viel mehr eine interaktive Erzählung, als ein Game, aber eine, welche in meinen Augen viel zu bieten hat.
Als einziger Kritikpunkt würde ich die Technische Seite hier bemängeln. Das Spiel sieht grafisch zwar gut aus und schafft es erstaunlich gut, den Park richtig riesig und echt erscheinen zu lassen, aber da die Darstellung insgesammt doch eher “minimalistisch” ist, was Grafik angeht (was NICHT heisst dass das Spiel schlecht aussieht) muss ich mich schon fragen, warum das Spiel so miserabel optimiert ist und doch so oft stocken und ruckeln muss.
Aber abgeshen davon ist es dennoch eine tolle Erfahrung, und die technische Schwäche war generell eigentlich kein grosses Problem.
Fazit: Tolles Game. Beim zweiten Mal durchspiele sogar noch besser als beim ersten Mal.