Thema #2: Märchenfilm oder Film mit Märchenbezug
Film: Tokyo Godfathers (Tōkyō goddofāzāzu) von Satoshi Kon
Erscheinungsjahr: 2003
Laufzeit: 88 Minuten
Wo gesehen: Sky
Heiligabend in Tokyo: Miyuki, Hana und Gin leben zusammen als Obdachlose in den Straßen des Nobelviertels Shinjuku. Hinter Müllsäcken finden die drei ein ausgesetztes Baby. Auf der Suche nach den Eltern beginnt eine Zufalls-Odyssee durch Tokyo und die eigene Vergangenheit, der drei so unterschiedlichen Hauptpersonen, genauso wie durch die Abgründe und Wunder der Menschheit.
Sehr emotionaler Anime. Sehr gut hat mir die Mischung aus tiefgreifenden, schweren Problemen, welche aber doch oft mit viel Humor behandelt werden, gefallen. Der Anime rast da wirklich in einem wahnsinnigen Tempo durch unzählige Figurenkonstellationen, Milieus und vielem mehr.
Da bietet sich finde ich ein kleiner Exkurs auf das hier zugrunde liegende Weihnachtsmärchen von den „3 Godfathers“ an. Das ist nämlich eine amerikanische Novelle von Peter Bernhard Kyne, aus dem Jahr 1913. Das ist deshalb interessant, weil diese Novelle einfach unzählige Male verfilmt wurde. Angefangen schon gleich 1916. Unter diesen unzähligen Verfilmungen des Stoffes, sind auch einige von den ganz großen Regisseuren dabei. Unter anderem hat William Wyler 1930 daraus den Film „Die Galgenvögel" gemacht und für Satoshi Kon die wichtigste Inspirationsquelle: „3 Godfathers" (1948) von John Ford.
Natürlich ein Western mit John Wayne. Kennen wir unter dem Titel „Spuren im Sand". Ist überhaupt lustig, wie auf englisch diese gefühlt 20 Verfilmungen des Stoffes, egal wann, oft 3 Godfathers im Titel haben, wenn man aber die deutschen Titel kennt, hat man keine Ahnung, dass die Filme alle auf die gleiche Novelle zurückgehen. Schön wie dieses Märchen mit unterschiedlichsten Filmen, in unterschiedlichste Kulturen Einzug gefunden hat.
Noch 2 Funfacts zum Exkurs: John Ford, der Wahnsinnige möchte ich fast sagen, hat die Novelle schon 1919 als Stummfilmwestern gedreht und eigentlich damit 1948 nur ein Remake seines eigenen Films gedreht. Sein Film Marked Men (1919) ist aber verschollen. Außerdem geht der Film „Ice Age" auf die Novelle zurück .
Warum der Exkurs? Satoshi Kon hat genau wie Ford in seinen Western hier eben diese krasse Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit gepackt. Und das fand ich sehr gelungen. Vor allem: In viele Western von Ford nervt mich diese Schwankung von gefühlt ohne Schnitt zwischen fast Pipi-Kacka-Humor und Massenmord, oft extrem. Hier in so einem Anime-Setting haben mir diese starken tonalen Schwankungen dagegen gefallen.
Gibt aber auch Sachen, die haben mir nicht so zugesagt, wie immer aber Geschmackssache. Ich bin im Anime-Segment wohl ziemlich „Mainstream". Denn im Vergleich zu den Ghibli-Filmen haben mir die Optik und vor allem der Sound nicht so zugesagt. Fand beides okay, Tokyo sah hier und da auch ganz schön aus, aber nichts was ich umwerfend fand.
Dazu fand ich ja zwar die tonalen Schwankungen gut aber was ich weniger gelungen fand, waren die Actioneinlagen. Der Film war so schon schnell genug und ist sowieso schon so kurz. Da hätte ich viel lieber noch ein bisschen mehr Charakter-Fokussierung gehabt. Die Actioneinlagen fand ich jetzt auch nicht so toll. Und langweilig war der Anime ja so oder so nicht. Einige (Nicht-Ghibli-)Animes übernehmen sich meiner Ansicht nach einfach mit zu vielen Dingen und versuchen zu viel zu thematisieren, anstatt bisschen mehr zu fokussieren.
Trotzdem der Film war absolut okay. Als favorisiertes Weihnachtsmärchen wird es an Weihnachten, bei mir aber eher wieder „Ist das Leben nicht schön“ geben.
6 von 10 Schneeflocken