Thema #7: Erzähler
Film: The man who left his will on film (Tôkyô sensô sengo hiwa) von Nagisa Ôshima
Erscheinungsjahr: 1970
Laufzeit: 94 Minuten
Wo gesehen: YouTube
Mein erster Impuls nach dem Film war, meine Rezension auf ein einziges Wort zu beschränken: „Hä?“
Einem Amateurfilmer wird offenbar die Kamera weggenommen, woraufhin der „Dieb“ mit laufender Kamera davonläuft, man sieht also Wackelkamera am Limit, bis er wohl auf ein Hochhaus flieht und Selbstmord begeht. Der Besitzer liest die Kamera am Leichnam auf, wird jedoch von der Polizei verfolgt, die Beweise sichern möchte. Schnitt, wir finden uns innerhalb einer filmschaffenden Kommune von Studenten wieder, die darüber philosophieren, was echter weltbewegender Film ist, wie eine intellektuelle Revolution auszusehen hat und ob der obengenannte „Dieb“, offenbar Teil der Gruppe, überhaupt existiert hat. Schnitt zum themenbezogenen Erzähler-Teil: Demonstrationen zweier Studentenbewegungen, die von der Polizei niedergeschlagen werden und dabei anscheinend gefilmt werden sollen. Erzählt wird das Ganze von der Freundin des wohl Verstorbenen (oder hat er sich doch nur den Knöchel verstaucht?) - Zuhörer sind wir und der Protagonist des Films, welcher entweder unter Amnesie leidet, Halluzinationen hat oder Dinge verdrängen möchte - ich weiß es nicht so genau.
Jedenfalls schauen sich die verbliebenen Kommunenmitglieder den hinterlassenen Film an, befinden ihn für Mist, zweifeln seine Existenz an, schneiden daran herum und machen sich schließlich auf die Suche nach den zu sehenden Schauplätzen, um „das gleiche“ in besser zu drehen?
Ein schwieriger Film, über lange Strecken auch langweilig und mit leider vielen tonlosen Sequenzen, über den man jedoch eine Weile nachdenken kann und sollte. Habe mir auch diverse Rezensionen dazu durchgelesen und festgestellt, dass der Anspruch, den der Regisseur wohl an sich selbst gestellt hat „keine Filme zu drehen, die man nach 15 Minuten verstehen kann“ definitiv erfüllt wird. Mir fehlt für das komplette Verständnis wohl definitv Wissen über die zeitgenössische Literatur, Filmlandschaft und politische Situation, die avantgardistische und politisch aufgeladene Intention des Films springt einem dennoch ins Gesicht.
In der zweiten Hälfte hat der Film mich jedenfalls deutlich mehr mitgenommen als zu Beginn, wo ich nach einer halben Stunde während eines „studentischen Streitgesprächs“ schon kurz davor war, doch noch einen anderen Film einzulegen. Hier kamen dezent exploitative Einschübe dazu und eine deutlich interessantere Bildsprache als „Wackelkamera bis in den Tod“.
Insgesamt sicher nix für einen entspannten Filmabend zum Abschalten. Für Freunde des experimentellen Films, japanischer Interpretation der Nouvelle Vague und anstrengender Filmkost aber sicherlich einen Blick wert.
Sollte man keine Lust haben, länger als fünfzehn Minuten über den Film nachzudenken, dürfte es wohl bei meinem erwähnten ersten Impuls bleiben: „Hä?“
3/5 Kameralinsen