Green Book
Wenn man sich Peter Farrellys Filmografie ansieht, muss man unwillkürlich die Stirn runzeln. “Dumb and Dumber To”, “Movie 43”, “Hall Pass”, “The Heartbreak Kid”, … puh, die Farrelly-Brüder waren in den letzten Jahren nicht gerade an oscarreifen Must-Watch-Filmen beteiligt. Umso erstaunlicher, dass Peter Farrelly mit “Green Book” nun den Oscar für den besten Film gewonnen hat. Liegt das jetzt an seiner Regie, Nick Vallelongas Drehbuch oder an dem bärenstarken Duo bestehend aus Viggo Mortensen und Mahershala Ali? Vielleicht ist es ja eine Mischung aus all dem. Entscheidend ist aber, dass “Green Book” ein wirklich guter Film ist, der eine nach wie vor wichtige Thematik adressiert und dabei wunderbar unterhält.
Ja, hier und da könnte man den Eindruck kriegen, dass Tony Lip und Don Shirley die sichere Ausfahrt nehmen, um den Zuschauer nicht zu überfordern und um es sich als Buddy-Komödie nicht zu verscherzen. Jedoch kann man nicht behaupten, dass “Green Book” die Thematik der Rassendiskriminierung und der allgemeinen Xenophobie auf den zweiten Platz verweist. Haarsträubenden Momenten wird genügend Screen Time gegeben, sodass man sich als Zuschauer der harten Realität nicht entziehen kann. Wenn man sich ansehen muss, wie Mahershala Ali nachts im strömenden Regen steht und “So if I’m not black enough, and if I’m not white enough, and if I’m not man enough, then tell me Tony, what am I?!” schreit, dann geht das unter die Haut. Oder wenn er nach draußen verwiesen wird, um dort das alte, verranzte Plumpsklo zu benutzen. “Green Book” beschönigt nicht, denn es braucht nicht immer gleich Folterszenen und Blut, um dem Zuschauer begreiflich zu machen, wie irrsinnig jegliche Rassendiskriminierung ist.
Zudem ist es für mich unverständlich, wie man Tony Vallelonga als einen “White Savior” bezeichnen kann. Selbst wenn das Ende ein wenig aufgesetzt und kitschig daherkommt - Tony Vallelonga wäre am Ende ohne Don Shirley der gleiche gefräßige, unreflektierte und vertrottelte Kleingeist, der er am Anfang war. Zudem sieht man in diesem Film so einige weitere Beispiele dafür, dass man hier unter den weißen Charaktere vergeblich nach einem “White Savior” sucht.
“Green Book” ist kein “Get Out” und auch kein “12 Years a Slave” - und schon gar kein “Django Unchained”. Aber das will er auch gar nicht sein, denn er funktioniert auf einer anderen Ebene genau so gut. Manche Szenen blieben mir nämlich auf die gleiche Weise im Hals stecken wie bei den oben genannten Beispielen. Ganz ohne hochgeschraubten Gewaltgrad.
Ein großes Lob geht natürlich an Viggo Mortensen und Mahershala Ali. Beide Schauspieler haben miteinander eine grandiose Chemie und verkörpern ihre jeweilige Rolle so gut, dass ich in bestimmten Abschnitten des Films minutenlang ein Dauergrinsen hatte. Wenn Viggo Mortensen sich eine große Pizza in den Mund rollt und Mahershala Ali ihn ständig auffordert, auf die Straße zu schauen, dann geht das einfach runter wie Öl und lässt die Zeit im Handumdrehen verfliegen. Richtig stark!
Nicht ganz so gut gefallen hat mir, dass “Green Book” den Road Trip bildlich nicht ganz so intensiv einfängt wie ich es mir gewünscht habe. Ein paar Sekunden länger hätte man die Kamera auf die wunderschönen Weiten und Landschaften definitiv halten können. Zudem fängt “Green Book” gegen Ende der Reise damit an, die Fahrt stark zu komprimieren, sodass es sich für mich als Zuschauer so anfühlt, als wären die beiden Männer nur eine Woche unterwegs gewesen.
Alles in allem hat mir “Green Book” aber sehr gut gefallen. Während ich mir ein “Get Out”, “12 Years a Slave” oder “Django Unchained” nicht so schnell ein zweites Mal ansehen möchte, ist das bei diesem Film anders. Und das ist bei der heftigen Thematik eine willkommene Abwechslung, weil ich mir gut vorstellen kann, dass “Green Book” dadurch ein größeres Publikum erreichen wird.