Dr. Strange:
Gut, aber kein Meisterwerk.
Die guten Sachen erstmal vorneweg.
Der Film ist visuell eine Wucht. Wie kreativ die Special Effekt Leute hier sein konnten ist echt umwerfend, und alleine dafür würde ich bereits allen empfehlen, den Film im Kino zu schauen. Sogar das 3D hatte einige Momente, wo es scheinen konnte. Die Prämisse erlaubt für viele spektakuläre Momente und die Macher liessen keinen Moment davon ungenutzt.
Auch hervorragend sind die Schauspieler. Vor allem Benedict Cumberbatch als Dr. Strange und Tilda Swinton als “Ancient One” spielen einfach hervorragend! Sie geben ihren Charakteren eine erstaunliche Tiefe und so viel Menschlichkeit, wie man in diesen Filmen eigentlich selten sieht. Mit vielen kleinen Regungen ihrer Gesichter gelingt ihnen in jeder Szene eine emotionale Brücke zum Zuschauer zu schlagen, und erreichen damit, dass man immer einen Identifikationspunkt finden kann, ganz egal wie abstrus viele der Szenarien sein können.
Und zu guter Letzt will ich auch noch das Ende loben! Ohne zuviel verraten zu wollen muss ich hier einfach erwähnen, wie erfrischend ich es fand, dass man es hier endlich geschafft hat, ein Superhelden-Film-Finale zu erschaffen, in welchen es nicht darum ging, den Gegner so hart wie möglich zu verprügeln! Die Idee hinter dem Finale ist eindrücklich, originel und verkörpert gleichzeitig die Philosophie des Filmes hervorragend!
Soviel also zum Positiven. Warum also, wenn ich über diese Aspekte solche Lobeslieder singen kann, kann ich den Film dennoch als grandioses Meisterwerk loben?
Nun, der Hauptgrund ist der Film als Gesammtbild. Denn leider stolpert er über so viele essentielle Dinge, dass ich einfach permanent aus der Geschichte rausgezogen wurde.
Zum einen ist da der Charakter des Dr. Strange selber. Cumberbatch spielt gut… aber es lässt sich leider einfach nicht verneinen, dass er im Prinzip Sherlock Holmes als Arzt spielt… oder mit anderen Worten: Dr. House.
Ehrlich, in gewissen Szenen hätte man Cumberbatch mit Hugh Laurie ersetzen können, und keinem wäre einen Unterschied aufgefallen.
Der Charakter wird auch viel zu überhastet dargestellt. Die Idee ist, dass er erst ein kalkulierter Doktor ist, der nach einem Unfall auseinander bricht, und viele Schritte durchmachen muss, um sich zu ändern. Das Problem ist, dass man mit ihm als Arzt auf dem Höhepunkt seiner ärztlichen Laufbahn gerade mal etwa 10 Minuten, und genau zwei Szenen verbringt, bevor er gebrochen wird. Ein Teil seiner Entwicklung besteht darin, dass er als materialistischer Skeptiker die Existenz von Mächten akzeptieren muss, welche weit über sein Verständtniss hinaus gehen… das Problem ist, dass die erste Erwähnung seines Skeptizismus erst auftaucht, als er bereits mit der Existenz des Übernatürlichen Konfrontiert wurde. Bis zu dem Zeitpunkt war offenbar einfach keine Zeit, diesen Aspekt auf der Leinwand zu zeigen.
Und dieses Problem der Überhasteten Charakterentwicklungen ziehen sich durch den ganzen Film! So sehr sich der Film zwischendurch immer wieder Zeit nimmt seine Ausbildung und Wandel zu zeigen, so sehr wird der Fokus immer wieder falsch gelegt, sodass gewisse Momente einfach zu unfokusiert wirken.
Ein weiteres Problem ist der Ton des Filmes. Marvel hat so den Ruf, leichtherzig und aufgestellt daher zu kommen. Und das ist schön und gut, und ist auch ein Vorteil dieses Franchises (im Gegensatz zu einem gewissen Konkurenz-Franchise, das auf biegen und brechen “düster” und “erwachsen” sein will…). Aber DIESER Film hier, dem hätte es wirklich gut getan, die Comedie etwas zurück zu schrauben. Was eigentlich seltsam ist zu sagen, denn ich fand den Humor eigentlich ganz lustig. Das Problem ist einfach, dass viel des Humores von Dr. Strange selber kommt, und das schien sich einfach permanent mit anderen Aspekten seines Charakters zu beissen.
Ausserdem gibt es viele Momente, welche inhaltlich eigentlich recht schwer sein sollten, wo dann aber immer aus dem Nichts ein “Witz” reinflattert und die emotionale Stärke des Momentes untergräbt.
Der Film ist auch unsagbar Dialog-lastig. Das muss nicht zwangsläufig etwas schlechtes sein, aber wenn man schon viele Dialoge braucht, dann soll man diese auch interessant gestalten. Leider hatte dieser FIlm einfach so viele Momente, in welcher sich die Dialoge einfach nur ziehen ohne das etwas interessantes gezeigt wird, dass ich oft einfach das Interesse verlor.
Der beste Vergleich des Filmes kann eigentlich zu einem anderen “Marvel”-Film gezogen werden: “Ant-Man”!
Auch “Ant-Man” ist ein Film den ich für die visuelle und kreative Umsetzung absolut loben konnte, welcher aber einfach nicht wusste, wie man Charakter-Entwicklung und Dialoge interessant umsetzen soll.
Und dies läuft schlussendlich bei beiden Filmen auf das gleiche raus: Ich wurde während des Filmes gut unterhalten, war auch begeistert von den originellen Ideen und der tollen visuellen Umsetzung… wünschte mir aber zwischendurch permanent, dass der Film von einem Regisseur gemacht worden wäre, der das Geschichten-Erzählen genau so ernst nimmt wie den Aspekt der visuellen Umsetzung.
Fazit: Ein Film voller grandioser Wow-Momente, hervorragender Schauspieler und einem brillianten Ende. Ein unausgereiftes Skript und schwache Charakter-Entwicklung muss man aber schon in Kauf nehmen können, um den Film zu geniessen.