[Archiv] Autorenwettbewerb #1

Mit etwas Verspätung ist es endlich da!

Das Voting mit allen Einsendungen für den Autorenwettbewerb.

Viel Spaß an alle Leser.

Kommentare und Diskussionen bitte in den dafür vorgesehenen Thread:

Bewertung:

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  • 4 Punkte: hat mir gut gefallen
  • 3 Punkte: war eine solide Geschichte
  • 2 Punkte: Die Geschichte wies deutliche Mängel auf
  • 1 Punkt: Die Geschichte hat mir überhaupt nicht gefallen

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Die Leiden des M.

Es ist wieder soweit, meine Schicht beginnt bald. In der Brust schlägt mein Herz schon beim Gedanken an die kommende Ansammlung aus seelischem Schmerz und Agonie so schnell wie ein Presslufthammer, der an Starkstrom angeschlossen wurde. Die Hoffnung auf ein Wunder war schon längst aus jeder Pore meines Körpers geflossen, ausgesaugt durch die Gedanken an meine Mitarbeiter. Sie haben sich nicht nur gegen mich verschlossen, sondern sogar unsere Kunden durch sukzessives Stigmatisieren meiner Position gegen mich aufgehetzt, um ihre zu stärken – es wird schließlich immer ein Sündenbock benötigt. Es vergeht kaum eine Minute, in der ich nicht abschätzig aus wütend blitzenden Augen voller Hass betrachtet werde wie ein niederes Wesen ohne Recht auf Leben und ohne Recht auf Freude.
Als ich mich in meinem kleinen Stuhl mit der harten Lehne und dem durchgesessenen Kissen zurücklehne erinnere ich mich an früher, als ich jung und so naiv war – und diesen Job angenommen, ohne Murren diese Position bezogen und tapfer mein Lächeln auf das Gesicht gezwungen habe. Nur der helle Mond konnte mir Trost spenden, wie er in seinen gleichzeitig warmen und doch kalten Farbenspielen die Welt um mich herum in einem ganz anderen Blickwinkel betrachten ließ. Alles sah so viel friedfertiger aus in der Stille und Kühle der Nacht, in der sich die Feuchtigkeit wie ein Mantel der Ruhe über die Welt legte. Außerdem bedeutete sie nicht nur den Anfang, sondern auch das Ende meiner Arbeit. Das Alpha und Omega meines Lebens, gleichzeitig ein Augenblick der Freude und ein Augenblick der puren Angst.
Die erste Zeit hatte ich die Hoffnung, dass meine Arbeit mich absolut erfüllen würde, einfach weil es meine Leidenschaft ist Menschen zu helfen. Ich bringe ihnen Struktur ins Leben, helfe bei der Organisation von Aufgaben und Koordination ganzer Gesellschaften. An mir ist nicht alles perfekt, das weiß ich, allerdings sehe ich in mir mehr als nur ein notwendiges Übel. Ich bin der Erste, der Anfang, der frische Start, der Aufschwung in neue Aktivitäten, die einen auf dem Lebensweg weiter bringen und schlussendlich glücklich machen. Doch ich sehe kaum jemanden lachen, wenn er mich sieht – bin ich doch auch mit weniger spaßigen Bereichen verbunden, die nun mal Teil eines jeden sind. Das Helle ist immer mit dem Dunklen verbunden, so funktioniert die Welt einfach.
Mein Kollege hat es tatsächlich nur geringfügig besser getroffen als ich. Er steht in der Hierarchie nur eine kleine Stufe, man könnte es eher ein Stüflein nennen, über mir und doch klammert er sich wie ein Äffchen fest und hat nicht ein Quäntchen Mitgefühl mit mir. Er ist wie einer dieser Zwerge in lustigen Klett-Kostümen, die man gegen die ebenfalls beklettete Wand werfen kann. Sie tun so als würden sie dazugehören und sind am Ende doch nur Spielball der Mächtigen.
Kurz darüber hat dann einer der ruhigsten seinen Platz. Er ist so lebhaft wie ein plattgefahrener Igel, der schon eher an ein Schnitzel mit Stacheln erinnert als an ein niedliches Tier, und positioniert sich eher durch Nichtstun als durch aktives Gerede. Die meisten stehen ihm absolut neutral gegenüber, einfach weil er so unglaublich uninteressant und nichtssagend ist.
Nach ihm dagegen kommt sozusagen die Vorband für die großen Headliner. Der Ansager für den Main Act des Lebens, dem Epizentrum aller Freude. Er greift in seiner Gier nach Anerkennung jede Art von Ruhm ab, sei es in Form verzweifelter Ü30-Parties, bei denen in Torschlusspanik alles geschlechtsreife begrabbelt und berubbelt wird, oder aber sinnbefreiten Ballermannfeiern, die die Arbeitslosen und Alkoholiker anziehen wie die Kerzenflamme die Mücken – und ihre Lebensenergie gleichermaßen verfeuern.
Die beiden Brüder darüber sind die Wurzel meines Leidens – oder wohl eher meines gesamten Lebens. Ersterer hatte schon immer Probleme mit sich selbst. Will dazugehören, ist extrem böse und schadenfroh, lässt auf den Feten immer den Partylöwen und Hengst für die Frauen raushängen - wie oft ich schon sein Gemächt als AH-64 Apache-Helikopter durch den Raum habe rotieren sehen - und redet vor allen jedes Mal von seiner Kündigung. Jedes Mal prahlt er damit zum Chef zu gehen, ihm auf den Tisch einen wunderschönen Haufen zu setzen, das Bild seiner Frau mit selbstgemachter Salatsoße zu verschönern und alles hinzuschmeißen. Und doch ist er morgens immer noch auf der Arbeit zu sehen, ganz gewissenhaft am Schreibtisch sitzend und als einzige Rebellion eine Krawatte mit gewagtem Muster tragend. Ich hatte mir schon öfter überlegt seine Eskapaden zu filmen und anonym einzureichen, allerdings würde sicherlich jeder sofort ahnen, dass ich es war und dann würde ich aus meinen Zähnen eine formschöne Kette bauen können.
Sein Bruder ist das große Vorbild, der inoffizielle Anführer der ganzen Belegschaft. Er arbeitet seit Jahren nur unregelmäßig, je nachdem wie es ihm in den Kram passt und vor allem nur um Präsenz zu zeigen. Wie ein Platzhirsch stolziert er mit geschwollener Brust, herausgestrecktem Entenhintern und leicht watschelndem Gang durch unseren Arbeitsplatz. Es wird an jedem Schreibtisch Halt gemacht, Kommentare abgegeben und gegebenenfalls Abreibungen verpasst – sofern er sich dazu bequemt seine überdimensionale Sonnenbrille abzunehmen, die mit über drei Dutzend glitzernden Steinchen in den verschiedensten Farben besetzt war, um seine stechend blauen Augen in deine zu bohren. Jeder liebt ihn, noch mehr als seinen Bruder, denn er bedeutet für viele Menschen pure Entspannung und freie Ausübung jeglicher Hobbys.
Jeder, wirklich jeder, hatte Respekt vor ihm und seinem dominanten Auftreten. Bis auf einer. Dieser eine, der mir immer noch am liebsten war und mit dem ich mich sogar schon über philosophische Fragen wie dem Sinn hinter der Redewendung „Haaren auf den Zähnen haben“ unterhalten hatte (denn warum haben wir das Recht zu bestimmen, was Haare in ihrer Existenz in der stofflichen Welt wirklich darstellten? Hatten wir einfach nur Haare auf den Zähnen oder ist das eine Diskriminierung gegen die Lebensform der Haare an sich?). Oder warum die Gesellschaft mit ihren fordernden Normen – diese Normen sind sowieso das Joch unseres ganzen fleischlichen Daseins - das Tragen von Unterbekleidung in der Öffentlichkeit als derart essentiell ansieht. Er ist daher meistens mit Lendenschurz und mit einem mit viel Liebe gedrehtem Joint zwischen den Lippen anzutreffen, sozusagen die Personifikation der Entspannung und Antiparty – oder wohl eher Afterparty. Dabei hält er sich aus den meisten Streitigkeiten heraus, will es sich allerdings auch mit niemandem verscherzen.
In meinen Gedanken über meine sechs Mitarbeiter versunken schaue ich mit schweren Augen auf die in tiefen Tönen tickenden große Uhr aus dunkel gemasertem Eichenholz, dieses schreckliche Ding. Sie beginnt tief zu schlagen, verhöhnt mich und meine gesamte Existenz. Mit einem tiefen Seufzen beginne ich meine Schicht und höre schon nach nur einer Minute diesen Satz, der mein Herz jedes Mal ein Stück mehr sterben lässt.
„Schon wieder Montag. Wie ich diesen Tag hasse.“

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Die Legende von Horst, dem Sonnenfänger

In einer kleinen Stadt am Rande eines großen Meeres wohnte einmal ein junger Mann, dem sagte man nach, dass er ein Träumer und Tunichtgut sei, da er den lieben langen Tag damit verbrachte, in der Gegend zu stromern und kleine Heldentaten zu verbringen. Er rettete Vogelküken, die aus dem Nest gefallen waren, barg verlorene Schmuckstücke aus dem Wasser, trug der alten Mutter des Schmieds die Einkäufe, spielte mit den Kindern der Witwe Nietenthal und ging jeden Abend auf den verlassenen langen Bootssteg hinaus, um zu angeln. Er wohnte ganz allein in einem bescheidenen Haus am Marktplatz, und niemand wusste um seine Eltern; er war ganz einfach immer schon da gewesen.

Eines Tages kam eine sonderbar gekleidete Frau in die Stadt. Sie hatte einen Schleier vor dem Gesicht und war in bunt schillernde Gewänder gekleidet, die jeden Flecken ihrer Haut verbargen. Sie kehrte in der Bar zum Kolossalen Wal ein, bestellte eine Flasche Wein und trank sie in einem Zug leer. Dann verlangte sie ein großes Bier. Die Leute in der Bar sahen ihr staunend zu und schließlich wagte der Schmied es, sie anzusprechen: »Wer seid ihr, gnädige Frau, und was verschlägt euch in unsere Stadt?«

Sie sah ihn mit glasigen Augen an. »Mein Name ist Sophia, und ich bin die Überlebende eines schrecklichen Schiffsunglücks. Seit Wochen schon wandere ich am Strand entlang, von einem Ort zum nächsten, und suche zu vergessen, doch die Piraten holen mich stets ein.«

»Piraten?«, raunten die Leute erschrocken.

»Ein Schiffsunglück?«, fragte der Kellner Joppe. »Ich habe von keinem Unglück gehört!«

Sophia nahm einen großen Schluck Bier und winkte dem Wirt nach einem neuen. »Es geschah vor vielen Wochen, vielleicht gar vor einem halben Jahr. Ich bin die Tochter eines Kapitäns, der mit einer Ladung erlesener Stoffe unterwegs war. Des Nachts wurden wir von einer blutrünstigen Bande Piraten überfallen, und alle Männer wurden getötet. Nur mir gelang es, in einem Beiboot ans Ufer zu flüchten. Doch ich bin, so scheint es, vom Pech verfolgt, denn die Piraten ziehen ebenfalls von Ort zu Ort und plündern und morden, wohin sie auch kommen! Ach, ich bin es so leid!«

»Warum geht ihr nicht ins Landesinnere?«, fragte ein Mann aus der Menge.

Sophia schüttelte betrübt den Kopf. »Das geht doch nicht! Ich muss weitergehen und die Städter und Dörfler warnen! In nur einem Tag werden die Piraten auch zu euch kommen!«

Da schwiegen die Leute in der Bar. Aber nur wenige Stunden später hatte sich die Schreckensnachricht überall verbreitet und die Kinder klammerten sich weinend an ihre Mütter, während die Männer zu den Waffen griffen. Die Angst war groß, denn die Piraten seien besonders grausam und viele noch dazu.

Natürlich hörte auch der junge Horst von der Geschichte. Er trat aus seiner Wohnung, wo er gerade einen Fisch gebraten hatte, auf den Markt und mischte sich unter das wild debattierende Volk. Die einen sagten, man solle die Stadt schleunigst verlassen und ins Landesinnere flüchten, andere wollten die Schiffe bemannen und ins offene Meer davon segeln, wieder andere riefen, man dürfe die Heimat nicht kampflos aufgeben. Der Bürgermeister, auf einem wackligen Podest stehend, bat vergebens um Ruhe. Als Horst ihn ansprach und seine Meinung kundtun wollte, fuhr der Bürgermeister ihn barsch an: »Du halt deinen Mund, Taugenichts! All deine geretteten Vögel helfen uns jetzt nichts, denn in nur einem Tag müssen wir eine Entscheidung treffen können!«

Horst dachte einen Moment lang darüber nach, dann lachte er plötzlich und sagte: »Nichts leichter als das! Ich werde euch einen Tag schenken!« Unter den staunenden Blicken derjenigen, welche diese Ankündigung vernommen hatten, marschierte er vom Markt und aus der Stadt, mit nichts als den Kleidern an seinem Leib.

Er ging an den Strand, zu dem verlassenen Bootssteg und setzte sich dort an die Kante, ließ die Füße ins Wasser baumeln und rief: »Herr Fisch, Herr Fisch! Lass dich sehen, denn ich muss dich etwas fragen!«

Und tatsächlich kam sodann eine Forelle zum Vorschein. Diese Forelle hatte Horst einmal geangelt und er war sehr erstaunt gewesen, als der Fisch plötzlich zu ihm sprach und ihn bat, zurück ins Wasser zu dürfen, wo er sich gerade um die Gunst eines Weibchens bemühte. Seitdem waren der Fisch und Horst Freunde geworden und es stellte sich heraus, dass die Forelle so klug war, dass sie sogar die Sprache der Menschen hatte erlernen können.

Jetzt fragte Horst den Fisch: »Sage mir, wie kann ich den Menschen der Stadt einen Tag schenken, damit sie Zeit gewinnen, sich auf den Angriff der Piraten vorzubereiten?«

»Dazu müsstest du die Sonne fangen«, antwortete der Fisch, »denn solange sie am Himmel steht, wird es nicht Nacht.«

Das leuchtete ein. Horst bedankte sich artig und ging von dem Bootssteg in den Wald hinein. Dabei überlegte er hin und her, wie er es anstellen könnte, die Sonne zu fangen. Gewiss würde sie sehr ungehalten reagieren, denn schließlich hatte es noch niemand gewagt, sie in ihrem Lauf um die Welt zu stören. Es galt, Feingefühl zu beweisen. Vielleicht, mit einem starken Seil … doch nein, die Sonne sei sehr heiß, kein Seil wäre stark genug, ihr zu wiederstehen. Er schüttelte den Kopf.

»Horst, was überlegst du?«, fragte ein Specht, dessen Junges Horst vor einiger Zeit ins Nest zurückgesetzt hatte.

»Ich muss ja die Sonne fangen, damit ich den Menschen meiner Stadt einen Tag schenken kann!«, antwortete Horst, nicht im Mindesten überrascht, von einem Vogel angesprochen zu werden.

»Die Sonne fangen!«, lachte der Specht. »Du Narr! Niemand kann diesen riesigen Feuerball fangen!«

»Und ich werde es dennoch tun!«, rief Horst und rannte in die Tiefen des Waldes hinein, bis er auf einen Hügel gelangte, auf dem sich eine Lichtung auftat, wohin der Sonnenschein ungehindert fiel. Hier blieb er stehen und sah sich um, ob er nicht ein besonders starkes Geschoss fände, mit dem er die Sonne festnageln könnte. Aber ringsherum war nur leicht entzündliches Holz und Gras. Verzweifelt streckte er die Arme in die Luft und schrie: »Sonne! Sonne! Sprich mit mir!«

Eine Weile war es ganz still, nur der sanfte Wind wehte vom Meer und ließ die Blätter der Bäume rascheln. Dann traf ein Strahl aus Licht Horsts Gesicht und er hörte die glockenklare Stimme: »Wer bist du, kleiner Mensch, der du es wagst, mich in meinem Lauf zu stören?«

»Der Sonnenbezwinger!«, antwortete er kühn. »Ich bin gekommen, dich aufzuhalten.«

»Mich?« Sie lachte lauthals. »Das ist ein lustiges Unterfangen. Wie hast du dir das gedacht, junger Mann?«

Weil ihm nichts anderes einfiel, entgegnete er: »Mit meinen bloßen Händen werde ich dich festhalten, Sonne, so lange es mir beliebt!«

»Du Narr! Ich werde dich verbrennen!«

Horst ließ die Arme sinken. Ihm war ein Gedanke gekommen, doch dazu musste sie ihre Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen zuwenden. »Du hast recht, liebe Sonne. Vergib mir«, sagte er kleinlaut und die Sonne lachte ein letztes Mal, ehe sie sich tatsächlich von ihm abwandte.

»Vöglein, Vöglein aus dem Walde«, flüsterte Horst. »Kommt herbei, ihr müsst mir helfen, wie ich euren Jungen geholfen habe.«

Ein Rauschen ging durch die Bäume, als viele kleine und große Flügel gleichzeitig schlugen. Als erstes erschienen die Spechte, deren Wortführer jener höhnische Specht war, der Horst vorhin erst verspottet hatte. Dann kamen die Sperlinge, eine ganze Familie. Anschließend die erhabenen Habichte, drei an der Zahl, deren Nest einmal vom Sturm von der hohen Klippe gepustet worden war. Zuletzt kam eine alte kurzsichtige Eule, die Horst seit einiger Zeit mit Mäusen versorgte. Nachdem sie alle Platz genommen hatten, erklärte Horst ihnen seinen Plan.

Sodann erhoben sich die Vögel und verschwanden in alle Richtungen. Die Sperlinge eilten zum Meer, um dort die Möwen um Hilfe zu bitten. Die Spechte mobilisierten die Finken und Nachtigallen. Die Habichte erhoben sich als Kundschafter in die höchsten Lüfte. Sie stießen laute Rufe aus, wann immer sie die Objekte der Begierde sahen, dann machten sich die kleinen Vögel auf den Weg, um sie zusammenzutreiben.

Unterdessen war auch die alte Eule nicht untätig. Sie flog von Ast zu Ast und sprach mit den dort lebenden Spinnen, die sich schon lange nicht mehr vor der kurzsichtigen Jägerin fürchteten. Und weil Horst noch nie einer Spinne etwas zuleide getan hatte, machten sie sich auf zu der Lichtung.

Als die Vögel zurückkamen, brachten sie große graue Wolken mit sich, die sie zu einem gewaltigen Haufen türmten. Sogleich machten sich die Spinnen ans Werk. Sie hüllten Horst in die Wolken und vernähten sie mit ihren klebrigen Fäden. So dicht war die schillernde Rüstung, dass kein Sonnenstrahl sie durchdringen konnte, denn die Wassertropfen reflektierten das Licht. Dazu fertigten die Spinnen einen Helm und Handschuhe. Es war ein eifriges Arbeiten, und die Nachtigallen hatten sich an den Rand der Lichtung gesetzt und sangen fröhliche Lieder.

Endlich war alles fertig. Horst bat den Habicht um einen letzten Gefallen und dieser, der den Schmerz des Verlustes der Heimat kannte, nahm einen Strick in seine Klauen, den Horst sich um den Bauch band, und brachte den jungen Mann hinauf zur Sonne.

Diese staunte nicht schlecht, als sie die bunt schillernde Rüstung sah, deren Reflektionen unter Horst einen Regenbogen bildeten, auf dem der Habicht ihn absetzte. Sofort stürmte er vor, die Arme weit ausgestreckt und rief: »Nun, Sonne, werde ich dich aufhalten und meiner Stadt einen Tag schenken, der nicht zu Ende geht, ehe sie nicht bereit sind!« Und so groß waren sein Mut und seine Kraft in diesem Moment, dass die Sonne erstaunt stehenblieb und ihn gewähren ließ.

Auf dem Marktplatz in der Stadt sahen die Menschen erstaunt, was sich am Himmel abspielte. Der Bürgermeister reagierte und rief den Leuten zu, sie sollten die Waffen herausholen und sich bereit machen, die Stadt zu verteidigen. So geschah es und etliche Stunden später, als der Mond sich schon wunderte, wo die Sonne wohl bliebe, riefen die Menschen hinauf: »Horst, du kannst nun herunterkommen, denn wir sind bereit!«

»Siehst du, liebe Sonne«, sagte Horst leichthin, »nun habe ich dich doch gefangen. Doch sei unbesorgt, es wird nicht wieder vorkommen. Schau nur, meine Rüstung ist schon ganz dünn geworden.« Er trat zurück und der Habicht kam, ihn zurück auf die Erde zu setzen. Die Sonne setzte ihren Lauf fort und als der junge Mann zurück in die Stadt kam, dunkelte es. Man empfing ihn jubelnd, aber er winkte ab und sagte nur, man solle recht gut kämpfen, denn darin sei er schlecht.

Am nächsten Tag kamen die Piraten, wie Sophia es vorhergesagt hatte. Sie hatten eine schwarze Flagge am Mast und waren mit Knochen und Zähnen geschmückt. Ihr blutrünstiges Grinsen hätte viele gestandene Männer erschrocken, wären sie nicht darauf vorbereitet gewesen. Die Städter erwarteten die Unholde in ihren Häusern und stürmten plötzlich auf die Straßen, kaum dass sich die Piraten verteilt hatten. Nach weniger als einer Stunde waren die Schurken besiegt und gebunden.

Horst, der Sonnenbezwinger, wurde fürderhin von der Stadt zum Ehrenbürger ernannt und niemand machte sich mehr über ihn lustig, wenn er der alten Mutter des Schmieds die Einkäufe trug oder Vogelküken in die Nester zurücksetzte. Er war deswegen nicht hochmütig, sondern spielte weiter mit den Kindern der Witwe Nietenthal, fing jeden Abend ein paar Fische und lebte bescheiden in seinem Häuschen am Markt in der Stadt am Meer.

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Miri und die Welt

“Ich liebe dich Miri, pass auf dich auf”, mit diesen Worten hatte sich ihr Vater am Morgen von ihr verabschiedet.
Es war wieder einer dieser Tage an denen Miri ganz allein mit sich selbt war. Natürlich wusste sie, dass es notwendig war. Aber ihr war dabei immer unwohl. Sie kannte die Abmachung genau, wenn ihr Vater nicht innerhalb eines Tages zurückkehren würde, müsste sie weiterziehen. Zu groß wäre sonst die Gefahr für sie und außerdem war es unrealistisch danach auf eine Rückkehr zu hoffen.
Das war sie nunmal, die Welt, in der sie nun leben mussten. Verlassen, verfallen und sehr einsam. Ohne ihren Vater wäre sie wohl verloren. Aber diese Gedanken schob sie lieber weit von sich weg. Nach vorne schauen und das beste aus dem Tag machen war ihre Antwort auf solche Gedanken. Für heute hatte sie sich vorgenommen das kleine Wäldchen zu erkunden und hoffentlich einige nützliche Kräuter und Beeren zu finden. Ihr lief schon fast das Wasser im Mund zusammen, bei dem Gedanken an wilde Erd- oder Brombeeren.
Sie löschte das Lagerfeuer und bedeckte die Sachen, welche sie nicht mitnehmen würde, mit einigen Ästen. Auf diese Weise würden sie vor unliebsamen Augen geschützt bleiben. Während des Abdeckens fragte sie sich ob es überhaupt notwendig war, an die letzten Menschen die sie gesehen hatte konnte sie sich kaum erinnern. Der Geruch vom Wald zog schon zu ihrer Lagerstelle herüber, es roch ein wenig stechend und etwas abgestanden, aber das würde sie nicht abhalten.
Sie nahm ihren Rucksack und etwas Proviant mit sich und ging Richtung Waldesrand. Der Wald war ein Mischwald es gab viele verschiedene Bäume. Eichen, Tannen, Fichten, Buchen und auch hier und da einen Ahornbaum. Sie steckte sich einige Bucheckern in die Tasche und hielt Ausschau nach den ersten Kräutern. Insgeheim hoffte sie sehr darauf wilden Waldmeister zu finden. Ihr Vater hatte ihr immer wieder davon erzählt wie gern sie den Geschmack als Kind mochte. Neben einem morschen Baumstamm sah sie einige Pilze, welche sie sich näher ansah. Soweit sie sich erinnern konnte waren viele Pilze essbar, aber leider auch einige sehr giftig. Deshalb hatte sie Pilze stets ignoriert. Während sie noch mit sich haderte, hörte sie plötzlich hinter sich ein lautes Knacken. Erschrocken drehte sie sich um und suchte die Bäume nach einer Bedrohung ab. Ihr Herz raste, sie konnte das Pochen im Hals aufsteigend spüren. Es Pochte hoch, bis in ihren Kopf. Minutenlang starrte sie hektisch von Baum zu Baum auf der Suche nach der Ursache für das Geräusch. Doch fand sie mit ihren Blicken keinen Verursacher. Der Wald lag friedlich vor ihr, kein Tier oder Mensch störte diese Idylle.
Nach einer Weile beruhigte sie sich langsam und die Anspannung fiel von ihr ab, sie atmete tief durch und machte sich langsam auf den Weg weiter auf der Suche nach brauchbaren Gewächsen. Sie fand etwas Kamille und ein paar Blaubeerbüsche und tatsächlich auf einem kleinem baumfreien Stück fand sie endlich die gesuchten Pflanzen und Kräuter. Einige spezielle erweckten ihr Interesse, sie kamen ihr irgendwie bekannt vor. Sie riss ein paar Blätter ab und roch daran. Sie erinnerte sich wieder daran!
Wie in einem Tagtraum sah sie vor sich wie sie als kleines Kind mit ihrem Vater auf dem Jahrmarkt gewesen ist. Sie beide lachten und sie konnte spüren wie seine Hand die ihre umschloß. Sie war soviel größer als ihre eigene und fühlte sich rau und hart an. Aber sie vermittelte ihr auch Wärme und Vertrauen. An einem kleinem Stand kaufte er ihr ein Eis und sie erkannte den Geschmack endlich. Es war Waldmeistereis. Beide genossen ihr Eis und stellten mit einiger Erheiterung fest, dass ihr Zungen sich grün gefärbt hatten. Sie musste auch jetzt noch Lachen wenn sie daran dachte. Es war lange her, dass sie sich so glücklich wie damals gefühlt hatte.
Da saß sie nun also und lächelte den Waldmeisterpflanzen zu. Sie sammelte einige Blätter und steckte diese ein. Sie konnte es nicht abwarten und probierte sofort einige. Der Geschmack war metallisch und sehr bitter, genauso wie in ihrer Kindheit. Voller Vorfreude dachte sie daran, dass sie ihrem Vater am Abend eine Überraschung machen könnte.
Nachdem ihr Rucksack gefüllt war schlenderte sie noch eine Weile durch den Wald und genoß die kühle Luft. An einem kleinem Bach machte sie Mittagspause. Sie zog ihre Schuhe aus und ließ ihre Füße vom Wasser umspülen. Sie schloß ihre Augen, atmete tief durch und lauschte dem Wind in den Bäumen.
Plötzlich fing ihr Handrücken an zu brennen, das Brennen fraß sich durch ihre Adern bis in den Oberarm. Ihre Arme und Beine fühlten sich sehr schwer an. Ihr Bauch schmerzte stark, der Schmerz nahm ihr den Atem. Keuchend, schweißgebadet wachte sie wieder auf.
Miri setzte sich auf und ihre Atmung normalisierte sich langsam wieder. Während sie dem Bachlauf mit den Augen folgte, und dem Wasser zusah wie es sich entlang des Bachbettes schlängelte, musste sie an den Urlaub denken als sie auf einem Steg saß und die Fische beobachtete. Sie war damals faziniert von der Art und Weise wie die Pfeiler des Stegs sich unter der Wasseroberfläche verändert hatten. Sie waren ganz grün und bewachsen. Oberhalb war es eher grau und knorrig. Sah alt und tot aus, doch unter dem Wasser wirkte es ganz lebendig. Einige kleine Garnelen hatten sich in dem Grünen Flaum versteckt.
Es war schon Nachmittag und so langsam sollte sie sich wohl auf den Rückweg machen. Sie zog sich wieder an und stand auf. Mit etwas Glück könnte ihr Vater schon bald wieder da sein. Sie wollte ihm doch schon etwas vorbereitet haben, wenn er wiederkam. Auf dem Rückweg dachte sie darüber nach, ob sie wohl lieber einen Tee, oder eine kleine Suppe machen sollte.
Als sie den Waldrand erreichte konnte sie ihr Lager sehen. Das Lagerfeuer brandte schon. Aber zu sehen war niemand. Sie beschleunigte ihren Schritt und lief auf das Feuer zu. Dort angekommen sah sie, dass die Äste, mit denen sie ihre Sachen abgedeckt hatte, beiseite gelegt worden waren. Neben dem Feuer lag noch ein weiterer Rucksack, an dem allerhand verschiedene Gegenstände befestigt waren. Vater muss sich wohl einen neuen gesucht haben, dachte sich Miri. Sie ließ ihren Blick auf der Suche nach ihm wandern.
Am Waldrand konnte sie eine Gestalt sehen, deren Kontur sich langsam von den Bäumen abzeichnete. Miri spannte sich an. Wenn es nicht ihr Vater wäre, würde sie nun nicht mehr wegrennen können. Aber wer sollte es sonst sein? Sie setzte sich als an das Feuer und packte schnell die Kamillenblüten aus, um ihn wenigstens noch mit einem Tee überraschen zu können.
Vorher am Morgen desselben Tages.
“Es tut mir Leid, wirklich. Aber wir haben alle bekannten Therapien ausprobiert. Miriams Zustand hat sich leider nicht verbessert. Wir müssen heute noch einen kleinen Eingriff vornehmen, um eine kleinere Blutung im Bauchraum zu beheben.” sagte der Arzt, welcher Miriam schon seit Anfang an behandelte. Er kannte ihren Vater mittlerweile schon. Jeden Tag kam er sie besuchen. Der Duft seines Rasierwassers blieb sogar noch etwas länger als er. So ein Altherren-Rasierwasser, was nach Tannennadel und anderen Bäumen roch. “Sie sollten sich langsam von ihr verabschieden. Wenn sie nicht bald aufwacht, gibt es leider keine Hoffnung mehr.”
Auch wenn er Leid gewohnt war, so tat es ihm gerade in diesem Fall doch sehr leid. Der Vater erzählte Miriam immer von seinem Tag und von Dingen die sie früher unternommen hatten. Versprach ihr, dass sie das bald wieder tun können. Wenn sie aufwachen würde. Er versprach ihr Waldmeistereis noch vieles mehr, was sie als Kind glücklich gemacht hatte. Abends bevor er ging cremte er noch ihre Lippen und Hände ein.
Die Realität sah aber finsterer aus. Die letzte Chance für das Mädchen war es, wenn sie bis morgen zu sich kommen würde. Die Zugänge für den Tropf entzündeten sich immer regelmäßiger und langsam gingen ihnen die Möglichkeiten aus. Außerdem wurde sie immer schwächer.
“Es ist ihre Entscheidung und ich maße mir nicht an, ihnen dabei reinzureden. Sie kommen nun jeden Tag hierher und kümmern sich rührend um ihre Tochter. Aber langsam gehen sie daran zu Grunde, und das möchte ihre Tochter doch bestimmt nicht. Ich würde ihnen raten sich heute den Tag über auszuruhen und sich etwas Zeit für sich selbst zu nehmen. Wenn sie es wünschen, können sie heute Abend ja wiederkommen. Für den Fall, dass etwas passiert haben wir ihre Nummer.” Der Vater nickte und ging noch einmal zu Miriam und flüsterte ihr ins Ohr “Ich liebe dich Miri, pass auf dich auf. Und wenn du heute Abend nicht wieder bei mir bist, dann hab keine Angst und verlass diesen Ort ruhig”.

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Jeden Tag geht die Sonne auf

„… und dann zündeten sie es an. Die Häuser, die Menschen darin, das Getreide auf den Feldern, alles, das gesamte verfickte Dorf. Nicht dass sie noch lange zu leben gehabt hätten, die armen Schweine. Der scheiß Boden gibt nichts mehr her, seit die verdammten Wolken weitergezogen sind. Wären eh verhungert in ein, zwei Jahren. Aber verdammt, sie alle sind bei lebendigem Leibe verbrannt. Die Frauen, die Kinder, sogar die Insignien der vier Heiligen haben sie angezündet. War denen wohl nicht heilig, wa?“

Der jugendliche Krieger warf einen Blick rüber zu seinem Kompagnon. Der alte Mann zeigte keine Regung. Er starrte weiter gebannt in das endlose Nichts der Wüste. Ein Windhauch unterbrach die eisige Stille – eine Stille, für die sich der Krieger und der alte Mann nicht gut genug kannten. Also ergriff der Krieger erneut das Wort.

„Naja, hab’s selbst nich’ geseh’n, muss ich gesteh’n. Ein alter Kamerad hat’s mir erzählt, ist aber 'n guter Junge. Keiner, mit dem die Fantasie durchgeht, außer wenn’s ums Ficken geht. Wenn’s um den Tod geht, ist aber verdammt ernst, der Junge. Hat seinen Vater an eine Patrouille der Wolkenmänner verloren.“ Sein Schwert stieß im Takt seiner Worte an den Sattel seines Pferdes. „Passt ja auch zu dem, was man sonst so hört. Gibt ja genug Geschichten von den Pissnelken, wie sie Dörfer niederbrennen und Felder plündern. Wie soll’s auch anders sein? Jeden zweiten Vollmond kommt ein Volltrottel auf die Idee, die Wolkenstadt müsse noch größer werden. Mehr Wolken für ihre Paläste und Feste. Die haben doch keine Ahnung, dass hier unten nix mehr wächst. Wie auch? Die sitzen da oben und wichsen von ihren Wolken auf uns herunter.“

Der Krieger richtete seinen Blick nach oben. Die Wolkenstadt thronte auch an diesem Abend über ihnen, so wie am letzten Abend und am vorletzten und an allen Abenden davor. Im Licht der Dämmerung sah sie noch majestätischer aus als am grellen Tage. Die orangenen Strahlen ließen die gezackten Türme, die runden Bögen und den bronzenen Palast größer und zugleich heilig wirken.

„Ich mein, klar, ich kann’s ja irgendwo verstehen. Die wollen auch nur leben. Saufen. Ficken. Was jeder Mensch so will. Nur – ich mein, wo soll das enden?“ Die Augen des Kriegers reflektierten das brennende Orange der untergehenden Sonne. „Ihre Priester haben keine Ahnung, wie viele Weinreben absterben, ehe sie ihren Wein saufen. Ihre Händler wissen nicht, wie viele Getreidewagen die Plünderer sich unter die Nagel reißen, ehe sie ihr Brot verkaufen. Ihre Gelehrten haben keine Vorstellung, wie viele tausend Meilen die Huren laufen müssen, ehe sie ihre versifften Schwänze in ihre Muschis steck…“

Mit einer Handbewegung brachte der alte Mann den Krieger zum Schweigen. „Genug.“ Der Krieger war baff. Seit Tagen ritt er an der Seite des alten Mannes, noch nie hat er ihn ein Wort sprechen hören. Seine Stimme klang heller, als der Krieger erwartet hatte. „Ich weiß längst, was du mir sagen willst.“

Dem Krieger verschlug es kurz die Sprache. Doch er fand seine Rolle schnell wieder. „Oh, Mister Geheimnisvoll kann sprechen. Schön. Also, was will ich sagen? Erhelle mich, oh weiser Greis!“

Der alte Mann schwieg kurz. „Ich bin an der Seite von Priestern geritten, die glaubten, der einzig rechte Weg wäre, der Welt die Taten der vier Heiligen zu lehren. Ich bin an der Seite von Händlern geritten, die glaubten, der einzig rechte Weg wäre, ihre Waren an den Höchstbietenden zu verkaufen. Und jetzt reite ich an der Seite eines Kriegers, der glaubt, der einzig rechte Weg wäre es, Gerechtigkeit auf der Welt zu verbreiten.“

Der alte Mann verzog keine Miene. „Mit dem Priester habe ich an einem Tag zwei Dutzend Ungläubige vor den Palästen der Wolkenstadt gehängt, und am nächsten Tag ging die Sonne auf. Mit dem Händler habe ich an einem Tag hunderte Menschen von ihren Feldern vertrieben, und am nächsten Tag ging die Sonne auf. Mit dir, junger Krieger, werde ich die Taten der Priester und Händler rächen, und morgen wird dieselbe Sonne meinen Weg erleuchten, wie nach all meinen Taten zuvor.“

Der Krieger wirkte plötzlich nachdenklich. Falten gruben sich in sein jugendliches Gesicht. Der alte Mann blickte tief in seine Augen: „Die Sonne scheint jeden Tag.“ Der Krieger starrte nach unten, tief in Gedanken versunken.

Am Fuße der Wolkenstadt stand ein einsamer Turm, als wäre er ein gebrochener Knochen, der aus einem leblosen Körper ragte. Es war der einzige Weg weit und breit, der in die Wolkenstadt führte. Aus den staubigen Weiten der Wüste traten zwei Gestalten in den Turm. Als sie ihn wieder verließen, war der Boden bedeckt mit dem purpurroten Blut der Wachsoldaten.

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-Familienidylle-

Ein herbstlicher Sonnenstrahl bricht durch die halb geschlossenen Vorhänge und scheint Nicolas mitten ins Gesicht. Das führt dazu das er langsam aus dem Reich der Träume zurück in die Realität gleitet. Mit einem zufriedenen Stöhnen dreht Nicolas sich zur Seite um die Gemütlichkeit des Bettes noch einen Moment zu genießt, bevor er vollends aufwacht. Doch sein Körper hat etwas dagegen, dass er noch ein paar Minuten weiter schläft. Zuerst öffnet er das eine, dann das andere Auge. Er sieht die leere Stelle neben sich und muss lächeln. Die letzten 24 Stunden waren einfach perfekt. Der Tag wäre für viele andere Männer nichts besonderes gewesen, einfach nur ein weiterer Tag mit den Menschen die man liebt, doch für Nicolas war der Tag den er zusammen mit Alice und dem 6 jährigen Jonas verbracht hat einfach perfekt. Zusammen frühstücken, mit dem Kleinen spielen und während dieser dann später einen Mittagsschlaf gehalten hat, hatten Nicolas und Alice etwas Zeit für sich und haben diese dann auch genutzt und etwas Elternzeit miteinander verbracht. Danach hat sich Nicolas an den Grill gestellt und für seine Liebsten Burger gegrillt. Bis zu Abend wurde dann noch mit Jonas gespielt, bevor es Zeit war ins Bett zu gehen. ‚Ein perfekter Tag’, denkt Nicolas bei sich und lässt seinen Blick durch das Schlafzimmer schweifen. An den weißen Wänden hängen ausschließlich Bilder von Jonas. Einen fröhlichen kleinen blonden Jungen, mit breitem Grinsen, mitsamt großer Zahnlücke, da wo die Schneidezähne sein sollten. Einfach ein liebenswerter kleiner Fratz. Auf einem weiteren Bild ist zudem noch Alice zu sehen. Eine groß gewachsene Frau mit Schulter langen, blonden Haaren, schmalem Gesicht, mit dem sie ihren Kleinen liebevoll anlächelt. Schwungvoll schwingt sich Nicolas aus dem Kingsizebett, in der Vorfreude auf Alice und Jonas, reißt die Vorhänge und das Fenster auf und lässt nun die Herbstsonne vollends ins Zimmer. Er lässt seinen Blick flüchtig über den gut gepflegten Garten gleiten und malt sich im Kopf schon aus, dass er den Tag mit Alice und Jonas am liebsten Draußen verbringen will. Er wendet sich lächelnd ab, klemmt sich seine Klamotten unter den Arm, verlässt das Schlafzimmer und macht sich auf den Weg zur Dusche. Dabei kommt er an der Küche vorbei und sieht dabei Alice und Jonas friedlich am Küchentisch sitzen. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich in Nicolas’ Gesicht aus. Bevor er sich zu den beiden gesellt, will Nicolas erst einmal duschen und ich seiner morgendlichen Routine hingeben. Er liebt es heiß zu duschen und die dampfschwaden die aus der Dusche hervorquillen, erfüllen bald das ganze Bad und lässt den Spiegel so sehr beschlagen, dass nichts mehr darin zu erkennen ist. „So gut”, stöhnt Nicolas zufrieden. Er legt seinen Kopf in den Nacken und lässt sich das heiße Wasser übers Gesicht fließen. Mehrere Minuten steht Nicolas so da, bevor er ruckartig seinen Kopf wieder nach vorne richtet, wäscht sich eilig und trocknet sich auch etwas übereilt ab, um sich so schnell wie möglich zu Alice und Jonas zu kommen. Den beschlagenen Spiegel nimmt Nicolas sich als Vorwand sich heute mal nicht zu rasieren. Vollkommen entspannt und gut gelaunt geht Nicolas in die Küche und das erste was er dort macht, ist dass er Alice und Jonas einen liebevollen Kuss auf den Hinterkopf gibt. „Guten Morgen, meine Lieben. Ich hoffe ihr habt gut geschlafen. Ich hab wie ein Baby geschlafen.” Er geht zur Anrichte und bereitet sein Frühstück zu, Rührei und Kaffee, und redet dabei enthusiastisch weiter. „Der gestrige Tag hat mir echt Spaß gemacht und ich hoffe euch auch. Es war einfach so … so … entspannend. Die meisten Leute die ich kennen wollen ständig irgendwo hin reisen, etwas erleben und möglichst viel action in ihrem Leben. Ich bin da anders. Ich mag es wenn es ruhig und entspannt ist. Ja. Ruhe und Frieden. Das sind die Dinge nach denen ich strebe und ich bin so froh euch dabei an meiner Seite zu haben.” Nicolas kippt sein Rührei von der Pfanne auf seinen Teller, gießt seinen Kaffee in eine große Tasse, nimmt sich Besteck und setzt sich zu Alice und Jonas an den Küchentisch. Breit lächelnd schaufelt er sich hungrig das Rührei in den Mund und schaut die beiden an. Ihre roten, tränenverquollenen Augen starren Nicolas panisch an und ihr Schluchzen wird von dem Klebeband über ihrem Mund gedämpft. Die Hände und die Handgelenke von Mutter und Sohn sind bereits leicht bläulich angelaufen, da die Arme mit Klebeband an die Armlehnen fixiert sind. Liebevoll streicht Nicolas Alice eine Strähne aus dem Gesicht und sieht sie verliebt an. „Du bist heute Morgen wunderschön, mein Schatz. Die letzten 24 Stunden waren einfach unvergleichlich und ich weiß, dass es dir und dem Kleinen auch so geht. Ich bin wirklich froh dich getroffen zu haben.” Seelenruhig isst Nicolas sein Frühstück und blendet dabei völlig das verzweifelte Wimmern, das von seinen Liebsten kommt. Nicolas brauch nicht lange um seinen Teller zu leeren und auch seinen Kaffee trinkt er in wenigen Schlucken aus. „Ah, das war sehr gut.” Er deutet auf den Jungen und sagt mit väterlicher Stimme: „Auch wenn es schon hunderte Male gesagt wurde, kann ich dir auch nur mit auf den Weg geben: Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Mit einem guten Frühstück startet man viel beschwingter und besser gelaunt in den Tag. Hast du das verstanden?” Verwirrt und starr vor Angst starrt der kleine Jonas Nicolas an und weiß erst nicht was dieser so richtig von ihm will. Erst als Jonas einen flüchtigen Blick zu seiner Mutter rüber wirft und diese, fast unmerklich, mit dem Kopf nickt, macht Jonas diese Bewegung einfach nach. „Sehr gut”, freut sich Nicolas und springt so ruckartig auf, dass Alice und Jonas sich erschrecken. Er stellt sein Geschirr in die Spülmaschine und redet dabei weiter: „Es ist gut das wir uns verstehen. Ich bin so froh euch gestern kennengelernt zu haben. Es ist ein Hauch von Schicksal, wenn ihr mich fragt.” Nachdem er mit dem einräumen der Spülmaschine fertig ist, läuft er hinter Mutter und Sohn auf und ab. „Ich meine, dass ich gerade euch gefunden habe ist doch einfach unglaublich. Die letzten 24 Stunden mit euch zusammen zu sein war einfach … wundervoll.” Nicolas’ Gesicht wechselt langsam von fröhlich-beschwingt zu wehmütig. „Das Problem ist nur, das sich ein so perfekter Tag wie gestern nicht nicht wiederholen lässt. Das ist oft das Problem mit perfekten Momenten, sie lassen sich nicht so einfach reproduzieren. Und wenn doch, werden die Erinnerungen niemals an das Original herankommen.” Traurig schaut Nicolas auf Mutter und Sohn, die vergeblich versuchen die Köpfe so zu drehen, dass sie Nicolas sehen können. Liebevoll und mit feuchten Augen küsst er erneut ihre Hinterköpf. Er zieht einen kleinen Revolver aus der Tasche und richtet diesen auf den Kopf des Jungen und drückt ab. Ein Knall und der leblose Kopf des Jungen sackt blutüberströhmt auf seine Brust. Die panischen und verzweifelten Schreie von Alice, die durch das Klebeband auf dem Mund kaum mehr gedämpft werden, verstummen jedoch nach einem zweiten Knall aus dem Revolver. In tiefer Trauer und unter Tränen verlässt Nicolas das Haus seiner Liebsten und beschließt sich möglichst bald eine neue Familie für einen Tag zu suchen und neue schöne Erinnerungen zu schaffen.

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…UND DANN IST ES VORBEI.

Ich sitze jeden Tag auf dieser Parkbank. Immer.
Manchmal nur für eine Stunde. Manchmal den halben Tag.
Ich habe sogar schon einmal auf ihr geschlafen.
Ich stehe morgens auf, putze mir die Zähne, dusche, ziehe mich an, esse
eine Kleinigkeit und dann geht es in den Park. Wenn ich ankomme ist
es halb elf und der Obdachlose auf der Bank gegenüber nickt mir zu.
Immer.
Ich setze mich also hin und hole den abgegriffenen Notizblock und einen
Kugelschreiber, von dem ich nicht einmal mehr weiß ob er noch
schreibt, hinaus.
Dann fange ich an nachzudenken.
Dabei beobachte ich die tobenden Kinder oder die brütenden Vögel in
den Bäumen. Um diese Mittagszeit hat dieser Park etwas friedliches.
Kein großer Trubel, keine gestressten Arbeiter auf dem Weg zu ihrer
Arbeitsstelle. Nur Menschen, die mit ihrem Leben im Einklang sind.
Junge Mütter spielen mit ihren Kindern, Rentner genießen die Sonne
und Studenten sitzen in kleinen Grüppchen auf der Wiese, lachen und
trinken ein Bier. Selbst der Obdachlose scheint zufrieden zu sein,
solange er seinen treuen Hund und seine noch treuere Schnapsflasche
bei sich hat. Und dann bin da noch ich.
Dabei fing mein Leben doch eigentlich ganz vielversprechend an:
Ich bin in eine bodenständige Familie geboren worden.
Der Vater Kundenberater bei einer Bank, die
Mutter Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. Langweilige aber
anständige Berufe, mittelmäßig bezahlt. Besonders zu meinem Vater
hatte ich eine innige Beziehung. Er stand mir mit Rat und Tat zur
Seite und war schon immer mehr Freund als Elternteil. Nach einer
fantastischen Schulzeit voller schöner Erinnerungen und dem Abitur
fing ich ein Medizinstudium an. Um Geld musste ich mir dank meiner
Eltern nie Sorgen machen. Freunde und eine Freundin fand ich schnell
und hatte eine wahnsinnig tolle Zeit.
Aber alles Gute endet irgendwann…
Zuerst wurde bei meinen Vater Lungenkrebs im Endstadium diagnostiziert.
Eine Schockbotschaft aus dem Nichts. Weder hatte er geraucht,
noch anderweitig ungesund gelebt. Allerdings hatte er die
Symptome lange genug verdrängt oder ignoriert.
Man will es halt nie so richtig wahrhaben, wenn etwas
nicht stimmt. Ein halbes Jahr später, mit 47, ist er gestorben.
Zur Beerdigung kam ich nicht.
Geplagt von dem Gefühl unendlicher Leere saß ich da.
Ich tröstete meine Mutter und sie tröstete mich.
Wirklich besser wurde es dadurch nicht. In einem Film
hieß es einmal: „Mit den Menschen ist es wie mit den Tieren:
Man liebt sie, man begräbt sie und dann ist es vorbei.“
Das stimmt nicht!
Von da an ist meine Geschichte schnell erzählt:
Ich ließ das Studium schleifen, wurde exmatrikuliert
und brach den Kontakt zu meinen Kommilitonen ab.
Mitmeiner Freundin machte ich per „WhatsApp“ Schluss.
Ich zog in eine andere Stadt und verlor so auch den Kontakt zu meiner Mutter.
Es tat mir unendlich leid, sie allein zu lassen, aber ich konnte nicht
dort bleiben, nicht da!
Um einen neuen Job bemühte ich mich garnicht mehr.
Ich verließ in den ersten Monaten nichmal mehr
das Haus und versank vollständig in der Lethargie…
Wenn einem die selbstverständlichsten Dinge genommen werden,
lebt man nicht einfachso weiter. Man beginnt sich Fragen zu stellen:
„Wofür lebe ich eigentlich?“, „Welche Ziele habe ich?“, „Was bedeutet mir noch etwas?“.
Irgendwann traute ich mich wieder aus dem Haus. Und dann entdeckte ich diese
Parkbank und setzte mich. Ich notierte mir also die drei Fragen und
versuchte sie zu beantworten. Tage vergingen, Wochen vergingen. Seit
über einem Jahr komme ich nun hierher. Das Papier bleibt leer.
Immer.
Ein Seil habe ich schon vor Monaten gekauft.
Es ist auch schon zu einer Schlinge verknotet.
In meiner Dachgeschosswohnung habe ich sogar
die passenden Balken an der Decke. Aber irgendwas hält mich im Leben.
Tag für Tag spiele ich mit dem Gedanken, alles zu beenden,
doch ich kann es einfach nicht.
Und so sitze ich auch heute
wieder hier. Mit dem Stift in der Hand und dem leeren Notizbuch auf
dem Schoß. Ich denke an das Telefonat mit meiner Mutter vor einigen
Wochen. Sie rief mich an meinem Geburtstag an, ohne das ich mir
dieses Tages bweusst war. Wir wechselten einige Worte. Sie bot mir
ihre Hilfe an, ich lehnte ab und legte auf. Ich konnte einfach nicht
mehr. Menschlicher Kontakt strengte mich zusehr an. Einen so tiefen
Riss in der Seele kann man nicht einfach so wegreden.
Soll ich sie zurückrufen? Nein! Mein Entschluss steht fest.
Nur noch einen Tag, denke ich. Ein Tag. Und dann ist es vorbei.

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Drei sind besser als zwei

0:00
Der alte Röhrenfernseher warf sein fahles Licht auf Mark, der zusammengekauert in dem großen Ohrensessel Platz genommen hatte. Seine Pupillen wanderten zu seinem Leidwesen nur allzu aufmerksam über die höchst mittelmäßig rappenden Schauspieler, die ein Internetvergleichsportal bewarben. Manchmal wünschte sich Mark, zumindest einen Tyler Durden in sich zu haben, wenn er schon der Knecht seiner verstimmten inneren Uhr sein musste. Langsam griff er zu dem Wasserglas, das auf seinem hölzernen Couchtisch stand. Das kalte Nass tat gut, wenngleich ein heißer Kakao oder ein Glas Milch ihm wohl eher einen Dienst erwiesen hätten. Naja, was solls. Mark wollte gerade zu dem dritten großen Schluck ansetzen, als er das Glas abrupt wieder zurück auf seine Unterlage beförderte und seine Sitzposition aufrichtete. „Wir unterbrechen das aktuelle Programm für eine Sondermeldung“. Eine nicht sehr erfreut dreinschauende Nachrichtensprecherin blickte durch die Mattscheibe. „Soeben hat uns die schockierende Nachricht erreicht, dass lokale Einsatzkräfte den leblosen Körper von Hillary Clinton in ihrem Washingtoner Apartment gefunden haben. Zu den genauen Todesursachen wurden noch keine Angabe gemacht“. Es war einer dieser Momente, in denen Mark doch etwas froh war, nicht schon im Land der Träume zu weilen, auch wenn er es wohl nicht offen zugegeben hätte. Schließlich war ein Mensch ums Leben gekommen, und zwar nicht irgendwer. „Allerdings wurde von offizieller Stelle bereits der Verdacht auf ein Tötungsdelikt geäußert“, fuhr die Fox-News-Schönheit fort. „Bei uns im Studio sind mittlerweile exklusive Aufnahmen einer anliegenden Überwachungskamera eingetroffen. Es konnte dieser Mann als Hauptverdächtiger ausgemacht werden.“ Auf den Schirm trat das leicht verschwommene Bild eines relativ jungen Mannes, bekleidet mit einer markanten roten Baseballmütze. Mark zuckte zusammen.

2:26
Davids Schritte hämmerten eine rhythmische Melodie auf den Washingtoner Asphalt, Synchron mit seinem keuchenden Atem. Sein Plan hatte keine Hindernisse dieser Art beinhaltet. Und schon gar keinen hell erleuchteten Gemeinschaftsraum. Doch davon ließ er sich sicher nicht beirren. Nun, eigentlich war es tragisch, dass einige seiner Gesinnungsgenossen ihre Nächte regelmäßig unter den Brücken des Potomac Rivers verbrachten, aber von Zeit zu Zeit eben doch auch praktisch. Die größte Chance auf ein erfreuliches Aufeinandertreffen rechnete er sich für das westliche Ende der Arlington Memorial aus, die Brücke, über die seine Chicago-Bulls-Mütze in diesem Moment wippte.

2:13
Die normalerweise knapp zweistündige Autofahrt von Richmond nach Washington war ob der ruhigen Nachtstunden in einem Bruchteil der Zeit vorübergegangen, lediglich das innerstädtische Straßengewirr hatte Mark Kopfschmerzen bereitet. Es würde wohl noch ein Weilchen dauern, bis er sich an die Großstadt gewöhnte. In seinem Fahrersitz hatte er sich gefragt, wer überhaupt schon von der monumentalen Nachricht wissen konnte. Die Schichtarbeiter, die wohl einen Großteil der noch nicht seelenruhig schlafenden ausmachten, wohl eher nicht. Er bezweifelte, dass viele Informationen an so einen Arbeitsplatz drangen. Blieben eigentlich nur die von Natur aus schlaflosen, wie er. Doch all das war jetzt eigentlich nicht sonderlich wichtig, denn nun stand er vor dem Verbindungsgebäude, die selbsternannten Nordamerika-Zentrale, dem einzigen Ort, an dem er seinen Kindheitsfreund vermuten konnte, und drückte die Türklingel seit gefühlten fünf Minuten durch. David Bohr war eigentlich immer ein recht umgänglicher Zeitgenosse gewesen. Bis er eines Tages plötzlich das Licht erblickt hatte, wie er es selbst nannte. Und jetzt sah man ihn als Hauptverdächtigen im Mordfall der nächsten Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.
Endlich öffnete sich die Tür. Ein offensichtlich schlaftrunkener Mann, dessen grau meliertes Haar auf mittleres Alter schließen ließ, begrüßte ihn: “Was in Gottes Namen wollen Sie um diese Zeit…“ „Ich suche David Bohr. Da er sich offenbar in Nordamerika, präzise gesagt hier in Washington aufhält, habe ich allen Grund zur Annahme, dass…“ „Schön, schön, kommen Sie schon rein und suchen sie nach ihrem David, wenn Sie mir dann meinen Schlaf lassen.“ Unverzüglich trat Mark über die Schwelle. Das war ziemlich leicht gegangen für so einen paranoiden Haufen. Aber um zwei Uhr morgens leistet wohl kaum jemand großen Widerstand. „Er weilt also in ihrer Einrichtung?“ „Jaja, könnte man so sagen. Er ist letzte Woche von Frankfurt angekommen.“ „Wo ist sein Zimmer?“ „Gleich da drüben, die erste Tür“. Mark blickte in einen leicht heruntergekommenen, kleinen Gemeinschaftsraum, von dem ein einziger Gang links abging, in welchen der Mann mit seinem Finger zeigt. Mark ging schnurstracks auf die erste Tür zu und öffnete sie. „Leer.“ „Wo ist der denn hin um diese Zeit?“, fragte sich der namenlose Mann. „Keine Ahnung. Verdammt!“ Mark machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür.

9:43
Obwohl der überproportionierte Kaffeebecher von Starbucks wie üblich seine Wirkung entfaltete, machte sich trotzdem langsam Müdigkeit in Marks Körper breit. Stundenlang hatte er die halbe Stadt nach seinem alten Kumpan abgesucht, vergebens. Ein vernunftgetriebener Mensch wäre natürlich auf direktem Wege zur Polizei marschiert und hätte erklärt, den Typen von den Überwachungsaufnahmen zu kennen. Aber irgendetwas hatte ihn davon abgehalten. Es war keine wirkliche innere Verbindung zu David, keineswegs, die existierte schon seit Jahren nicht mehr zwischen Ihnen. Aber trotzdem… Die Sache schien so unwirklich zu sein.
Da er langsam an die Grenzen jener Zeitspanne kam, in welcher man sich in einem Lokal aufhalten konnte, ohne zu konsumieren und dabei nicht unhöflich wirkte, erhob sich Mark schließlich und trat auf die Straße. Rechts von der Starbucks-Filiale befand sich ein kleiner Elektronikladen, der mit seinen mächtigen Fernsehgeräten Marks Aufmerksamkeit auf sich zog. Er erkannte die Sprecherin aus der Nacht. „… wird Donald Trump sein Statement abgeben. Der Kandidat wird um die Mittagsstunden vor dem Kapitol erwartet, wo er Stellung beziehen wird“.

13:08
Als Teil einer Menschenmenge fühlte man sich immer so vereint, fast schon geborgen fand Mark, auch wenn er mit den anderen Schaulustigen wohl nur ausgesprochen wenig gemeinsam hatte und der vulgär übergewichtige Mann vor ihm, der seinem Wunsch, Amerika wieder toll zu machen, zwischen seinen lächerlich fetten und verschwitzen Schulterblättern Ausdruck verleihen musste, keinen schönen Anblick abgab. Irgendwie war es wie bei einem schlimmen Unfall: Man wollte beim besten Willen nicht hinsehen, musste aber doch irgendwie.
Gerade als Mark seinen angewiderten Blick vom Slogan auf dem Shirt des Wal-Mannes lösen konnte, watschelte ein hellblonder Haarschopf auf die Bühne und nahm seine Position hinter dem Rednerpult ein: „Leute. Was heute Nachte geschehen ist, war schrecklich. Eine tat von furchtbaren, furchtbaren Leuten. Aber ich habe es euch ja gesagt. Wir haben ein Problem!“ Die Menge jubelte frenetisch, wie auf Kommando. Trump setzte zum nächsten Satz an, als er mit geöffnetem Mund und erhobenem Zeigefinger innehielt. Er senkte die Hand wieder, schloss den Mund. Ein dünnes Rinnsal von tiefrotem Blut ergoss sich aus seinem Ohr. Er kippte nach hinten um.

13:12
Er rückte sich die Mütze zurecht. David war nun doch etwas stolz auf sich. Zwei von Drei.

14:28
Mark stürmte entsetzt durch den Raum, auf den Mann aus der Nacht zu. „Wo, verdammte Scheiße, ist David?!“ „Keine Ahnung, er war nie hier!“ Langsam kämpfte Mark mit sich, um die Augen nicht zufallen zu lassen, trotz der Aufregung. „Kacke verdammte! Wo könnte er sein?“ „Ich weiß nicht… er wollte heute ins Diplomatenviertel, unsere Sache voranbringen hat er gesagt… Du weißt schon, es muss endlich was geschehen, wir können doch nicht ewig in den ungeordneten Überbleibseln der Nazidiktatur leben, verwaltet von einer GmbH, als Kolonie der Entente. Und da sich weder die Bundesregierung, noch die Russen kooperativ geben, müssen wir…“ Mark schaltete innerlich auf Stand-By. Diese „Reichsbürger“ mit ihren Verschwörungstheorien gingen ihm immer mehr auf den Keks. Hier hatte er keine Hilfe zu erwarten.

18:02
Mark war zu einem Schluss gekommen. Er musste endlich aufhören, David hinterherzulaufen. Stattdessen musste er ihm voraus sein. Dazu hatte er sich in seinen Ohrensessel zurückgezogen und versucht, Schlüsse aus seinem Wissen zu ziehen. David war also in „offizieller Sache“ nach Washington gekommen, anscheinend um zu verhandeln, oder wohl eher um mit seinen Spinnereien einem Haufen mehr oder weniger wichtigen Leuten mächtig auf die Nerven zu gehen. Und hatte dann anscheinend beschlossen, das Problem direkt an der Wurzel zu packen und die Urheber gleich aus der Welt zu schaffen. Oder er hatte es von langer Hand geplant, was doch wahrscheinlicher war: David war immer extrem minutiös vorgegangen, ob es um die Pläne für den Nachmittag oder um die Zubereitung einer Fünf-Minuten-Terrine ging. Einen Doppelmord überließ man da nicht dem Zufall. Dieser Gedanke riss Mark aus seinem Halbschlaf. Der lange Tag würde noch länger werden.

20:20
So dumm die amerikanischen Waffengesetze für Außenstehende auch waren, so praktisch konnten sie von Zeit zu Zeit sein. Sie ermöglichten es David beispielsweise, Seelenruhig mit seiner Glock im Hosenbund auf das Weiße Haus zuzuspazieren. Er sah chic aus in seinem Anzug. Genauso wie Mark, der sich soeben selbst eine Walther zugelegt hatte. Nur wussten die beiden noch nichts voneinander.
20:30
Wenn die Gerüchte stimmten, würde der Präsident selbst noch heute Nacht das Weiße Haus verlassen um sich an einem geheimen Aufenthaltsort zu verbarrikadieren. Sicher ist sicher. Und Mark hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in der Zwischenzeit im Regierungsviertel seine Augen nach David offen zu halten. Aufmerksam, sofern das seine fast lähmende Müdigkeit zuließ, stromerte er durch die Gassen, im Zick-Zack auf eines der berühmtesten Gebäude der Welt zu. Die Waffe fühlte sich extrem ungewohnt an, vermittelte aber doch auch ein wenig Sicherheit. Er würde sie womöglich brauchen.

21:04
Die Küche, in der David stand, war weiträumig und wirkte klinisch steril, und obwohl sie vom Hauptgebäude ausgegliedert und nur durch einen unterirdischen Tunnel daran angebunden war, waren die Sicherheitsvorkehrungen zum Eintritt rigoros. Doch Juanita hatte schon seit seinem ersten Amerikaaufenthalt Augen für ihn gehabt.

22:01
Michael, ein eindrucksvoller Afroamerikaner von adonischen Ausmaßen und NBA-würdiger Körpergröße, setzte sich mit prall gefülltem Tablet neben seine Kollegen, die schon eine Minute vor ihm in die Mensa gekommen waren. Dass Taco-Day war schien der einzige Lichtblick an einem ansonsten extrem entbehrungsreichen und auslaugenden Tag zu sein. Bereits am Morgen hatten die Kinder gequengelt, warum Papa wieder den ganzen Tag arbeiten musste, danach die ganze Aufregung über die „Vorfälle“, wie man di Morde intern respektvoll nannte, und nun eine im letzten Moment eingeschobene Spätschicht. Ohne auf die anderen Agenten zu achten, die eh lieber schwiegen, stopfte er sich das erste Teil in den Mund und kaute genüsslich darauf herum.

23:00
Wer aufmerksam war, und Mark war das, und wusste, wonach man schauen musste, und das tat er, dann erkannte man, dass etwas in Gang gesetzt wurde. Eine gut geölte Maschinerie wurde angeworfen, die keine Fehler zuließ. Und im Normalfall auch keine machte. Zuerst schlossen sich alle Jalousien der weißen Außenfassade, dann gingen, eines nach dem anderen, getimet wie ein Schauspiel, alle Lichtquellen im Außenbereich aus. Ein Garagentor öffnete sich, hervor glitten mehrere gepanzerte Geländewagen, die die Eskorte der Limousinen bilden würden.

23.30
Pünktlich nahmen die unzähligen Wachleute ihre Posten ein, wobei sie den gesamten Gebäudekomplex gleichermaßen abdeckten. Lediglich im Umkreis der SUV’s war eine kleine Ansammlung auszumachen. Jetzt galt es nur noch zu warten. Mark drückte sich tiefer in das Gestrüpp, das ihm Sichtschutz bot.

23.51
Marks Augen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment bersten. Wie gern hätte er sich einfach nur hingelegt, seine schweren Lider zufallen lassen und sich der Traumwelt hingegeben, von ihm aus auch gleich hier in einem Busch vor dem Weißen Haus. Doch das konnte er sich jetzt nicht leisten. Ein weiteres Mal öffnete sich das große Garagentor, diesmal kamen drei identische, tiefschwarze Stretch-Limousinen zum Vorschein. In einer davon saß in diesem Moment der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Langsam rollten die Wagen an, während sich die Geländewagen vorne und hinten einreihten. Der Straßenzug nahm Gestalt an.

23:55
Doch gerade, als der vorderste Truck beschleunigte, schien der dritte komplett aus der Reihe zu tanzen. Das Auto zog rapide nach rechts, direkt auf die Blumenbeete zu, und wirkte dabei fast wie führerlos. Nur Sekundenbruchteile Später ereilte die anderen Karossen ein ähnliches Schicksal. Sie alle rollten vor sich hin, runter von der schmalen Straße und rein ins Gebüsch oder verursachten Auffahrunfälle untereinander. Das gesamte bizarre Spektakel nahm nur wenige Sekunden in Anspruch, dann herrschte allumfassende Ruhe. Mark suchte die Umgebung nach den Wachmännern ab. Wo waren sie? Da entdeckte er einen bulligen Körper, der zusammengesackt an der Hauswand lehnte, links davon ein weiterer bewegungsunfähiger Agent. Weiter hinten taumelte eine Gestalt umher, bis auch sie zusammenbrach. Nur ein einziger Sicherheitsbeamter schien noch auf den Beinen zu sein. Er näherte sich einer der Limousinen. Er war ungewöhnlich schmächtig für das Mitglied einer Spezialeinheit.

23:58
Mark schnellte empor und setzte zu einem atemberaubenden Sprint an. Er schoss über die feuchten Grünflächen, hin zum schief abgestellten Wagen, in den David soeben eingestiegen war. Er riss die Hintertür auf und schleuderte sich ins Innere.

23:59
Sein Blick wanderte nach oben, gefolgt von seiner gezückten Walther. Er erblickte in etwa das, was er erwartet hatte: David saß auf der Rückbank, direkt neben ihm Barack Obama, dem eine Handfeuerwaffe unsanft gegen die Schläfe gedrückt wurde. „Mark?“ David schien ehrlich überrascht. „Was machst du denn hier? Willst du mich etwa aufhalten?“ Seine Stimme wechselte zu einem eindeutig amüsierten Unterton. „Nun, dafür wirst du mich schon töten müssen!“ Er grinste Mark ins Gesicht. Dieser richtete seine Pistole in die Richtung von Davids Kopf. Mit seinen tonnenschweren Augen fixierte er einen Punkt direkt zwischen jenen des Doppelmörders. Er bewegte den rechten Zeigefinger langsam auf den Abzug, spannte seinen gesamten Körper an, bevor er ein letztes Mal blinzelte und

24:00
Mark schlief ein.

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Das Versteck

„Und?“
„Ehrlich gesagt ist hier niemand besonders vertrauenswürdig. Meine alten Quellen sind fast versiegt.“
„Ist das deine poetische Weise zu sagen: Du hast keine Ahnung?“
„Es gibt nur Gerüchte.“
„Wann?“
„…Sie sind auf dem Weg. Morgen.“
„Morgen.“
„Ja.“
„Nichts Genaueres?“
„Manche sagen, morgen früh. Andere meinen, sie starten erst nach Sonnenaufgang. Dann wären sie am späten Nachmittag hier.“
„Vierundzwanzig Stunden also.“
„Mit Sicherheit weniger.“
„Aber wenn sie in vierundzwanzig Stunden noch nicht da sind, haben sie uns nicht entdeckt und sind schon wieder auf dem Rückweg. Sie können es sich nicht leisten, so viel Zeit in diesem gottverlassene Nirgendwo zu verbringen. Dann können wir übermorgen weiterziehen-"
„…Was ist mit dir los? Du bist doch sonst nicht so optimistisch. Das beunruhigt mich mehr als deine üblichen Panikattacken.“
„Wir sind ihnen jetzt schon so oft entwischt. Warum sollte es dieses Mal anders sein?“
„Das ist kein besonders gutes-“
„Ich hab auch einfach keine verdammte Lust mehr, ständig in Angst zu leben. Wenn sie uns kriegen, kriegen sie uns halt. Es gibt nichts, was wir dagegen tun können.“
„Bist du sicher? Wenn wir sofort verschwinden, hätten wir immer noch einen gewaltigen Vorsprung…“
„Ich bleibe jetzt hier.“
„Woher stammt dieses plötzliche Phlegma? Was ist los? Ist etwas passiert, während ich weg war?“
„…Nichts ist passiert. Ich denke nur nach, weiter nichts.“
„Und das ist bei deinen Grübeleien herausgekommen? ‘Wenn es passiert, passiert es eben’?“
„Ich bin so müde.“
„Was?“
„…Irgendwann passiert es doch sowieso. Das wissen wir beide. Aber du kannst gerne gehen, wenn du willst. Noch ist vielleicht genug Zeit.“
„Ja, klar. Ich werde dich jetzt hier allein zurücklassen, nach allem, was wir miteinander erlebt haben.“
„Du meinst nach allem, was du für mich aufgegeben hast.“
„Wirklich? Willst du jetzt tatsächlich eine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen? Am Vorabend der möglichen Katastrophe? Jede Minute ist kostbar, und statt über einen Fluchtplan reden wir über so einen Scheiß. Morgen könnte alles vorbei sein, das ist dir doch bewusst?“
„Sehr bewusst. Und der Gedanke daran wird von Tag zu Tag schöner.“
„Ach, Fuck.“
„Sieh mich nicht so an. Irgendwann kommt jeder Mensch an diesen Punkt. Ich halte das einfach nicht mehr aus. Ich sterbe auf dieser Reise, so oder so.“
„Ach, und was willst du jetzt machen? Wenn sie nicht kommen, für immer in diesem Drecksloch vergammeln? Und wenn sie kommen, alle Mühe, alles Erreichte einfach wegwerfen?“
„Was genau haben wir denn erreicht? Ein bisschen jämmerliche Lebenszeit mehr, hungernd, wundgelaufene Füße jeden Tag, niemandem kann Vertrauen geschenkt werden, Angst, Versteckspiel, armselig. Mehr Tortur als alles andere.“
„Aber du warst am Leben. Du bist es noch. Wage es ja nicht zu behaupten, dass das schlechter ist als die Alternative. Solange man am Leben ist, hat man immer eine Chance.“
„Pathos und leeres Geschwätz. Langsam glaube ich, dass du dir das alles nur
selbst einreden willst.“
„Ich?! Ich war immer für dich da, ich habe-"
„Eben. Du hast meinetwegen dein Leben ruiniert. Das ist eine Tatsache, egal wie
edel die Motive, zumindest in deinem Kopf, gewesen sein mögen.“
„Ich kann nicht glauben, dass du so etwas sagst. Gestern haben wir noch darüber
geredet, wo wir in ein paar Jahren aufschlagen könnten. Im Paradies. Du weißt,
wovon ich spreche. Du und ich, frei, und die Zeit hier wird nur eine
unangenehme Erinnerung sein, halb verdrängt und doch irgendwie geschätzt, weil
sie uns an den Ort geführt hat, wo-“
„Das ist wieder deine Poetenseite. Völlig irr und realitätsfern. Du spinnst dir
einen perfekten Ort zusammen, wo wir glücklich sein könnten, wie zuvor. Ohne je
wieder verfolgt zu werden. Aber das kann es nicht geben. Ich werde immer lügen
und mich verstecken müssen.“
„Das stimmt nicht.“
„Ist das dein Ernst? Niemand auf der Welt würde mir je verzeihen, was ich getan
habe.“
„Ich habe dir verziehen.“
„Eine Lüge. Du verurteilst mich dafür jeden Tag. Du steckst nur zu tief in
deinem Wahn, um das zugeben zu können. In Wahrheit hasst du mich.“
Stille dröhnte durch den Raum.
„Du mochtest mich sehr. Du hast mir auch jede Menge bedeutet. Das war das
größte Unglück.
Als ich …danach zu dir ging, warst du überfordert und nicht bei Verstand. Ich
ebenso wenig.
…Ich hätte mich gleich stellen sollen, noch am ersten Tag.“
„…Du kannst doch nicht…“
„Ich glaube nicht, dass irgendjemand sich dein Gesicht gemerkt hat. Es gibt
keine Beweise, dass du bei mir warst. Bitte geh. Sofort.“
„Ich werde dich auf keinen Fall-“
„Sei still! Dein ständiges Antreiben, das ewige Weiter-weiter-weiter ist nichts
anderes mehr als eine Belastung für mich. Jeder muss nach eigenem Empfinden
handeln. Und du wirst mich nicht weiter von meinen Wünschen abhalten.“
„Dann… Wenn du meinst… Dann gehe ich eben. Du wirst schon sehen, wie
aufgeschmissen du ohne mich bist. Schon in wenigen Stunden wirst du auf Knien
liegend und heulend bereuen, was du gerade machst. Du bist im Arsch ohne mich,
und sie werden dich umbringen mit Methoden, die du dir nicht einmal in den
dunkelsten Albträumen deiner Flucht hast ausdenken können. Morgen um diese Zeit
wirst du um deinen Tod betteln, aber da bin ich schon längst weg!“
„Vielleicht habe ich ja Glück. Ich hoffe wirklich, dass ich recht hatte… Und
auch dieses Mal entkommen kann. Ich hoffe es, trotz allem.
Und jetzt geh.“
„Lebewohl.“
„Mach’s gut. Viel Glück und… Danke für alles.“
Einzig das laute Trampeln vieler schwerer Stiefel, die sich eilig in Richtung
der beiden bewegten, störte den Abschied.

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Transiente globale Amnesie

Am Abend

Es war ein kalter Winterabend. Stöhnend und ächzend kämpfte er sich den Hügel hinauf. Der Mann mit der Narbe. Sein Gesicht war eingefallen, die Haare an der Seite ergraut und sein Bart seit Tagen nicht mehr rasiert worden. Die Narbe bedeckte seine linke Wange und verzog seine Gesichtszüge zu einer skurilen Grimasse. Die grauen Augen, die einst wissbegierig und konzentriert die Umwelt beobachteten, waren nur noch erloschene Planeten. Die Sonne stand schon längst nicht mehr am Himmel und es wehte ein eisiger Wind. Er zog die Schultern an und atmete in seinen Schal, genoss die Wärme seines Atems und kniff die Augen enger zusammen. Einige wenige Straßenlaternen brannten und leuchteten ihm den Weg. Die Straße war menschenleer. In der Ferne konnte er eine Sirene aufheulen hören, die das stete Rauschen der Autos übertönte und ihn an diese vergangene Nacht erinnerte. Diese Stadt war nichts für ihn. Zu düster, zu dreckig. So fremd. Als er den Berg erklomm, überkam ihn langsam ein nagendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Was, wenn er zu spät kam? Das durfte nicht geschehen, nicht schon wieder. Er hatte schon einmal die Zeit seine Pläne durchkreuzen lassen, konnte das Unheil nicht aufhalten. Seine Füße trugen ihn nur langsam vorwärts, die Kälte lähmte seine Glieder und bei jedem Atemzug fühlte er die eisige Luft seine Lungen fluten. Von irgendwoher wehte ein schwacher Kuchengeruch. Er atmete tief ein, um sich der Illusion von Wärme und Geborgenheit hinzugeben. Es vergingen mehrere Minuten und es begann erneut zu schneien. In dieser Stadt wusste man nie, wie das Wetter werden würde, es konnte von einer Sekunde auf die andere von strahlendem Sonnenschein zu einem Unwetter umschlagen. Noch etwas, was er an dieser Stadt hasste. Der Wind zog an und peitschte ihm die winzigen Schneeflocken ins Gesicht. Keines der zarten weißen Gebilde blieb auf der Straße liegen, sie vereinigten sich mit dem reflektierenden Nass auf dem Asphalt, wurden eins mit den Pfützen, durch die Stunden zuvor bereits geschäftige Menschen ihre Schuhe schleiften. Jetzt war von der Eile nichts mehr zu spüren. Es gab vieles, was auch er in diesem Moment lieber täte, aber nichts davon war real. Er durfte nicht an all die vergangenen Momente denken, die jetzt wirkten als wären sie nie passiert, als entstammten sie einem faszinierenden, aber unwirklichen Traum. Ohne es zu wollen, musste er plötzlich an vergangenen Sommer denken. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass er sie mit in das kleine Sommerhäuschen im Wald genommen hatte. Sie verbrachten einige glückliche Tage, waren im See schwimmen und saßen abends, nach einem kleinen, aber befriedigendem Essen zusammen und warteten darauf, dass es zu kühl wurde, um sich die dunklen Tannen am Horizont anzusehen. Dieser Moment war vergangen, er war in dieser verhassten Stadt und erklomm immer noch diesen Hügel, der nie zu enden schien. Er blieb stehen und drehte sich um. Von hier oben dachte er einen unglaublichen Ausblick zu haben, doch die Häuser um ihn herum versperrten ihm die Sicht. Alles was er sah, war den langen Weg, den er bereits hinter sich hatte und in weiter Ferne kleine aufblitzende Lichter, die schneller verschwinden zu schienen als sie aufgetaucht waren. Die Laternen waren die einzigen, steten Lichtquellen, doch ihr schwaches Licht vermochte lediglich ihre unmittelbare Umgebung zu erhellen. Der Schneefall wurde schwächer und er drehte sich wieder um und sah hinauf. Der Gipfel des Hügels verschwand in tiefster Dunkelheit. Es war scheinbar ein Ort, an dem es niemand für nötig hielt Licht zu machen. Wahrscheinlich war es ein Ort, den Menschen so selten betraten, dass es nie jemandem aufgefallen war, wie dunkel er bei Nacht ist. Schweren Schrittes ging er weiter, versuchte mit gleichbleibendem Tempo vorwärts zu gehen. Die Hände in seiner Manteltasche waren bereits eisig. Er hob sie an seine Lippen und hauchte sie an. Er konnte seinen warmen Atem nicht spüren. Entmutigt ballte er die Hände zu Fäusten und steckte sie wieder in die Manteltasche. Er versuchte beim Gehen seine Zehen zu krümmen, doch auch sie konnte er nicht mehr spüren. In der Hoffnung, bald einen warmen Ort zu erreichen, ging er zügiger. Schon bald atmete er schneller ein und aus, konnte sein rasendes Herz nicht kontrollieren. Fast befürchtete er in Ohnmacht zu fallen und von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Würde ihn jemals jemand vermissen? Oder würde er in Vergessenheit geraten? Er wusste es nicht, doch war er nicht erpicht darauf es heraus zu finden. Er atmete ein letztes Mal tief ein, legte die Arme eng an seinen Körper an und ging weiter. Trotz der Kälte und den rutschigen Straßen begann er zu laufen.

Gegen Mittag

Der Lärm betäubte ihm die Ohren. Zu viele Menschen. Die Türen schlossen sich, die Bahn fuhr an. Schneller und schneller bewegte sie sich, nur um wenige Minuten später quietschend zum Stehen zu kommen und noch mehr Menschen aufzunehmen. Die Luft war dick, der Sauerstoff rar. Irgendjemand hatte zu viel Parfume aufgelegt. Wieder schlossen sich die Türen, die Bahn fuhr an. Ihr Rütteln versetze die Menschen in Trance, dicht an dicht standen sie und suchten Halt. Der Mann mit der Narbe saß an einem Platz am Fenster und hatte die Augen geschlossen. Niemand sah ihn an, es war fast so als wäre er nicht existent. Weiter vorne hustete jemand, ein Mädchen auf der anderen Seite des Ganges hörte Musik, die durch ihre Kopfhörer nach außen schallte. Vor dem Fenster zog die Stadt vorbei, grau und regnerisch. Der Mann seufzte und versuchte es sich auf dem harten Sitz bequemer zu machen. Plötzlich wurde es dunkel als die Bahn durch einen Tunnel fuhr. Das Herz des Mannes raste. Als die Neonlampen flackernd zum Leben erwachten, krallte er sich in seinen Sitz und wurde geblendet vom Schmerz, der tief in seiner Brust verankert war. An der folgenden Haltestelle stieg er aus, schweißnass und immer noch voller Angst. Gemeinsam mit unzähligen anderen Fahrgästen bewegte er sich im Schutz der Anonymität an den Gleisen entlang Richtung Ausgang. Die Masse strömten an ihm vorbei. Hektik hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben. Als er sich auf der Rolltreppe an den äußeren Rand drängte, um Mütter, die genervt ihre Kinder hinter sich her zerrten, die Pendler mit ihren dunklen Anzügen und ausdruckslosen Gesichtern und die sonstigen Gestalten, die ohne besondere Beachtung für ihre Umgebung die Stufen erklammen, vorbei zu lassen, stieg ihm ein Geruch von Brathähnchen in die Nase. Der würzige Geruch ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Rolltreppe bewegte sich stetig weiter, bis er das Ende erreichte und durch den kleinen Bahnhof auf die Straße ging. Der beißende Geruch von Zigaretten ging von einem Mülleimer aus, er machte schnell einen Bogen darum und bog in eine kleine Gasse ein. Hier war es ruhiger, die Läden hier hatten schließen müssen und so bemühte sich niemand mehr, die unbefahrbare Kopfsteinpflasterstraße zu passieren. Der Mann mit der Narbe machte sich nichts daraus, dass ein paar Jugendliche, die rauchend in einem Hauseingang standen, ihn anstarrten und kicherten. Solange er nicht wieder in der Enge und Dunkelheit der Bahn sein musste, was ihm alles gleichgültig.

Greller Morgen

Der Tag begann für ihn immer auf die gleiche Art. Der Wecker klingelte. Ohne sich noch einmal umzudrehen und die Wärme des Bettes zu genießen stand er auf. Die ersten Sekunden des neuen Tages mochte er am meisten. In den ersten Sekunden, in denen er noch an seine Träume dachte und die Realität ihn noch nicht eingeholt hatte. Doch wenn sie es dann tat, und sie tat es jeden Tag mit gleicher Härte, sah er keinen Sinn darin etwas zu genießen. Während die Kaffeemaschine langsam vor sich hin plätscherte und ihren wohligen Duft in der kleinen Wohnung verbreitete, duschte er. Die Ärztin hatte gesagt, er solle die Narbe nicht zu oft berühren und heilen lassen, doch immer wenn er sein Gesicht im Spiegel sah, strich er über die Wunde. Sie war noch nicht ganz verheilt, die Fäden deutlich sichtbar und das Rot noch nicht abgeklungen. Er konnte den Anblick nicht ertragen, zu sehr schmerzte die Erinnerung an sie. Doch sie war weg. Während er sich weg drehte und weiter fertig machte, klingelte es an der Tür. Nicht an seiner Tür, hier hatte schon lange niemand mehr nach ihm gefragt, aber die neuen Nachbarn bestellten sich oft Pakete. Der Mann beobachtete den Postboten wie er wieder das Haus verlief und trank einen Schluck Kaffee. Er hatte für den Tag nichts geplant und würde einfach nur ein wenig spazieren gehen. Solange die Sache noch nicht abgeschlossen war, war er beurlaubt worden. Trotz der überfüllten Regale und zu dicht aneinanderstehenden Möbel wirkte die Wohnung groß. Leer und groß. Niemand konnte sie füllen. Er hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen, doch was nützte Reue jetzt noch?! Es war nicht seine Schuld, doch das nagende Gefühl in ihm behauptete etwas anderes. Sie würde nie wieder durch diese Tür kommen, ihn sanft küssen und seinen Tag erhellen. Er wusste nichts mit sich anzufangen und so ließ er die halb volle Tasse stehen und ging zur Tür hinaus. Vielleicht würde er einfach irgendwo hinfahren, etwas Neues sehen, die Gegend erkunden. Versuchen zu vergessen, was sich für immer in sein Gedächtnis gebrannt hat. Schlurfend nahm er die wenigen Stufen nach unten, öffnete ohne jeglichen Elan die schwere Eingangstür und ließ sie hinter sich zufallen.

Dämmerung

Da stand er nun. Ohne es zu wissen, hatten seine Füße ihn wieder an jenen Ort getragen, an dem es passierte. Unwillkürlich zwang ihn sein Körper dazu hinzusehen und die Erlebnisse dieser verhängnisvollen Nacht noch einmal in Gedanken zu erleben. Sie hatte dort gelegen, ihre Augen geschlossen. Der Geruch des austretenden Benzins hatte seine Sinne verhüllt, die Sirenen in der Ferne wirkten wie vage Hoffnungsschimmer, die ihr Ziel nie erreichen würden. Er blickte sich um und sah die leere Straße. Nichts erinnerte mehr an den Zusammenprall und doch erinnerte ihn alles daran. Er lehnte sich an einen Baum, dessen Rinde an einer Seite abblätterte. Nur noch wenige Blätter hingen an seinen dünnen Zweigen. Wie ein Blitz traf den Mann der Schmerz. Auch in jener Nacht hatte er sich an den Baum gelehnt, sah zu, wie das Auto entbrannte und sie von den Flammen verschlungen wurde. Seine Sicht verschwamm. Die Erinnerung drohte ihm zu entgleiten, ihn wie ein unheilvoller Schleier jeden Tag zu verfolgen. Die Nacht wurde greller Morgen. Die Sonne tauchte die Wiesen in warmes Licht und erhellte die Szenerie. Langsamen Schrittes machte er sich auf den Weg. Wohin, das würde die Zeit zeigen.

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Der Jo-Jo-Effekt

Jens setzt vorsichtig einen Fuß auf die Wiese. Das andere Bein steht noch immer standfest auf der Treppe. Bedächtig starrt er hinunter.
„Ich habe mir auf der Reise hierher ein paar Dokumentationen angesehen. Darunter auch eine zur ersten Marslandung“, ruft der hagere, junge Mann über seine Schultern, ehe er sanft nach vorne gestoßen wird.
„Bist das erste Mal auf einem Thaler, wie?“, fragt jemand, der nun an der Schleuse eines klobigen Transporters lehnt.
„Es ist überwältigend… Simon?! Wo bleibst du denn so lange?“, entgegnet Jens, der nun in den Himmel aufblickt. Zwischen den Wolken erspäht er eine gigantische Landmasse. Sie ist ungewöhnlich eben und von zahlreichen Wäldern überzogen. Dazwischen ziehen geradlinig Straßen hindurch, die bis in den Horizont reichen. Es handelt sich dabei um die gegenüberliegende Scheibe einer Raumstation, die sich aus zwei runden Platten zusammensetzt. Jede Seite der Scheiben besitzt einen Nutzen. Während auf den innenliegenden Seiten sich die habitablen Zonen befinden, die sich an ihren Rändern miteinander durch einen gigantischen Glasring verbinden, liegen auf den Außenseiten die Infrastrukturen für die interstellare Logistik und die Energieerzeugung durch flächendeckende Photovoltaikanlagen. Das gesamte Konstrukt, das einen Durchmesser von 3000 Kilometern besitzt und somit pro Seite eine Fläche von Australien aufweist, rotiert binnen 24 Stunden einmal um seine Hochachse, um so den zur Erholung dienenden Innenraum und die außenliegenden Solarzellen zu beleuchten. Zunächst die eine Seite, dann die andere, wobei es nur einen kurzen Augenblick andauert, dass beide Scheiben vom Licht der umkreisten Sonne durchdrungen werden, ehe eine der beiden ihren eigenen Zenit übersteigt und künstlich die Nacht anbricht, bis beide am Horizont nur noch die entlegenen Sterne aufblitzen sehen und die Energiereserven neu aufgeladen werden.
„Die Toilette konnte leider nicht mehr warten.“, ruft eine Stimme aus dem Vehikel, „Danke für die Mitfahrt, Nils“, spricht der stämmige Mann mit leicht zerzausten Haaren und Dreitagebart und klopft dem bärtigen Fahrer mit aufgesetzter Kappe auf die Schulter. Dieser schaut kurz auf seine Armbanduhr und dann Richtung Horizont.
„Kein Problem. Grad ging die Sonne auf, ihr kommt pünktlich an, um die Nachtwende für Kopf zu erleben.“, antwortet Nils, der den Kopf leicht in den Nacken legt und nach oben guckt. Die anderen Beiden sehen zur blau leuchtenden Sonne, die hinter den speziellen Gläsern des umschließenden Ringes über 400 Millionen Kilometer entfernt lodert, als schlagartig ein Schatten über die Scheibe huscht, die Jens gerade noch beleuchtet bestaunt hatte und im gleichen Atemzug die Lichter der endlosen Straßen erhellen und ein Schauer über seinen Rücken läuft.
„Der Reset ist immer etwas ruppig. Die Mittelnacht, die acht Minuten später auf der jeweils gegenüberliegenden Scheibe beginnt, ist da etwas langsamer, als bei der Eigenverschattung, wie man sie gerade bewundern durfte.“, erklärt Nils und richtet seine Kappe an dessen Schirm.
„Du meinst, wenn Kopf sich dann vor Zahl dreht.“, entgegnet Simon, stapft die wenigen Stufen hinunter und späht die Landschaft aus.
„Schön hast du’s hier.“, ergreift Jens das Wort.
„Danke, aber nicht mein Verdienst. Ich habe das Teil schließlich nicht entworfen und gebaut.“, stellt Nils fest, tritt ebenfalls hinaus und betätigt einen Knopf an der Seite der Schleusentür, die sich daraufhin zischend schließt.
„Es hat acht Generationen gedauert dieses Projekt zu vollenden. Ich finde es erstaunlich, dass nach 13 weiteren dieses Wunder von seinen Bewohnern nur noch als ‚Teil‘ bezeichnet wird“, erwidert Jens schnippisch.
„Ich bin hier aufgewachsen, es ist wirklich nichts Besonderes für mich. Zumal dies ja nicht der einzige Thaler ist.“, rechtfertigt sich Nils, der nun voran zu einem schlicht gestalteten Haus geht, während Jens und Simon ihm folgen.
„Trotzdem gibt es nichts Vergleichbares. Die Kolonien auf dem Mars - unsere Kolonie - sieht dagegen echt öde aus.“, stellt Simon fest. Jens nickt energisch und deutet dann mit dem Daumen nach oben.
„Der Mars hat nicht mal eine verschissene Atmosphäre, die man bestaunen könnte. Ihr habt hier gleich zwei Troposphären. Wenn es an dieser Stelle regnet, sieht man auf der anderen Seite die Gewitterwolken von oben, wenn das eigene Wetter klar ist. Auch ein Flug zwischen den Scheiben in 50km Höhe würde mir wohl regelrecht das Hirn zermartern.“
„Lass dir mal durch den Kopf gehen, dass in 10 Minuten bereits 36% der Fläche entlang des Durchmessers verschattet ist auf unserer Seite. Weitere zehn Minuten später sind es bereits 65%. In einer Stunde liegt die Grenze des Schattens nur noch 85 km hinter uns, wird aber noch eine Viertelstunde brauchen, um uns 275km vor dem Rand des Thalers zu erreichen. Bis die Sonne am Rand des Thalers untergeht dauert es seit Sonnenaufgang allerdings 6 Stunden. So langsam die Sonne für die nördliche Seite von Zahl und Kopf aufgeht, so langsam geht sie auf der südlichen Seite unter“, erläutert Nils während er die Tür zu seinem Haus mit einem Wisch seines Arms entlang eines Terminals entriegelt.
„Deswegen liegen die Städte nur auf einer Hälfte der Scheiben, richtig?“, denkt Simon laut.
„Korrekt. Man hat es lieber, dass die Sonne schnell aufgeht und langsam untergeht, als dass sie langsam aufgeht und schnell untergeht. Es verwirrt oft Reisende, dass der nördliche Teil gegenüber des südlichen liegt und umgekehrt. Es hat etwas mit der künstlichen Gravitation zu tun glaube ich, ich merke es mir allerdings damit, dass man im Süden am Strand liegt und den Sonnenuntergang beobachtet.“, erklärt Nils weiter, streift seine Schuhe an der Ferse ab und stößt sie dabei ungeordnet gegen die Wand. Jens tut es ihm gleich, nur Simon zieht seine Schuhe ordentlich aus.
„Muss teuer sein am Rand des Thalers zu leben, wenn die Sonne dort am längsten scheint“, meint Jens, der sogleich durch eine Türöffnung verschwindet. Wenige Sekunden später aber zurück auf die Schwelle tritt, „aber du hast mich abgelenkt, ich will gar nicht in deiner Bude abhängen, ich will den Thaler begutachten. Hast du etwas schnelles, dass ich mir ausborgen kann?“
„Ist auch kostspielig. Der Ausblick ins All ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Du kannst mein Hover Bike nehmen.“
„Wirklich? Ach, komm schon! Wir sind gerade erst angekommen, Jens…“, stellt Simon entrüstet fest und schlendert beleidigt in die Küche. Jens antwortet allerdings nicht mehr. Er hat bereits den Schlüssel von Nils erhalten und schnellt barfuß wieder aus der Haustür, durch die er gerade erst gekommen war. Zielstrebig geht er um die Ecke des Hauses und erspäht schon sogleich das Hover Bike. Kurz wird obligatorisch der Seitenspiegel gerichtet, schon düst Jens unter einem leisen Surren los und gibt ordentlich Tempo.
„Soll Simon sich doch den Bauch vollschlagen…“, murmelt er und beschleunigt weiter. Querfeldein rast er über die Wiesen. In der Ferne kommt ein Waldstück immer näher, dass sich weit Richtung Glasring erstreckt. Während Jens langsam bremst um zwischen den Bäumen hindurch zufahren, macht das Bike mehrere Sätze in die Luft, ehe Jens erschrocken energisch abbremst und im Wald zum Stillstand kommt. Plötzlich folgt ein lauter Knall, dessen Echo in großen Abständen wiederhallt, aber in einer solchen Lautstärke, dass Jens sich die Ohren zuhält.
„Was zum… Ist da ein Blitz eingeschlagen?“, flucht er und blickt in den klaren Himmel hinauf. Dann folgt eine weitere Erschütterung, dass das Rascheln der Blätter in das Grollen mit einstimmt, doch es wird wenig später von einem tiefen Brummen übertönt, das den Boden immer schwerer vibrieren lässt. Der erste Baum wird entwurzelt, weil sich unter schwerem Getöse der Boden unter seinen Wurzeln nach oben drückt, bis unter der Erde die ersten Kabel zum Vorschein kommen. Ungläubig starrt Jens das Spektakel an, nimmt die Hände von den Ohren und jagt zurück aus dem Wald, als er sieht, dass überall der Boden aufplatzt und stellenweise Dampf emporschießt. Entsetzt dreht Jens langsam den Kopf nach links und erkennt mehrere enorme, glühende Löcher in weiter Ferne auf der gegenüberliegenden Scheibe.
„Das darf nicht wahr sein…“, flüstert er, kurze Zeit später wird er von einem Sog mitgerissen und fährt in schwerer Schräglage weiter. Nun unter dem ständigen Aussprechen von Flüchen.
Plötzlich bricht der Boden vor Jens auf. Ein Riss zieht sich blitzartig hindurch und er kann gerade noch die andere Seite erreichen, ehe eine Grube hinter ihm aufklafft. In der Ferne kann Jens bereits das Haus als Trümmerhaufen ausmachen. Das Fahrzeug, mit dem sie angereist waren ist bereits in Bewegung und scheint Jens schon vorher ausgemacht zu haben. Nils und Simon kommen ihm entgegen, als der Riss den Glasring erreicht. Ehrfürchtig starrt Jens den Sprung an, der sich glitzernd bis zur anderen Scheibe erstreckt. Endlich erreicht er das Vehikel, an dessen offener Schleusentür bereits Simon steht und die Hand ausstreckt. Im Schutze des Fahrzeuges vor dem stetig zerrenden Sog steigt Jens ab und wirft das Hover Bike durch die Tür, bevor er hastig einsteigt und Simon die Tür hinter ihm schließt.
„Ist das ein Scherz?!“, schreit Jens, ehe er merkt, dass der Geräuschpegel im Inneren des Transporters deutlich angenehmer ist als draußen, „haben Asteroiden den Thaler perforiert?“
„Sie haben sich aus dem Gürtel gelöst, aus dem die Ressourcen abgebaut werden, wir müssen schleunigst hier weg! Geht es dir gut?“, ruft Simon.
„Bestens, das selbe wollte ich dich gerade fragen“, antwortet Jens, der einen stark eingestaubten Simon betrachtet.
„Uns ist nur die Decke auf den Kopf gefallen. Solange nicht Kopf auf unsere Decke fällt, ist alles gut.“, scherzt Simon, streicht sich mit den Fingern durchs Haar und lächelt entnervt.
„Keine Sorge, wir schaffen es schon noch hier raus. Was machen wir jetzt?“, ruft Jens zu Nils hinüber, der am Steuer sitzt und die Straße entlang hetzt.
„Sieht beschissen aus! Der Notfallsender rät zur unmittelbaren Evakuierung an den Docks.“, überschlägt sich die Stimme von Nils. Jens und Simons Blicke treffen sich erneut, diesmal ist beiden die Angst ins Gesicht geschrieben.
„Wie lange noch bis zum nächsten Exit?“, fragt Jens, der nach vorne geht und sich auf den Beifahrersitz setzt. Simon stellt das Hover Bike auf und kommt dann ebenfalls hinzu und packt mit je einer Hand verkrampft in einen Sitz.
„Eine Minute. Du solltest dich auch anschnallen. Mein Transporter kann theoretisch auch eine Zeit lang im All bestehen, ist allerdings alles andere als empfehlenswert.“, spricht Nils unruhig ohne die Augen von der Straße zu lassen.
„Leck im Glasring entdeckt, sofort Schutz suchen…“, ertönt es nun aus dem Radio. Wenige Sekunden später wird der bisherige Sog aufgehoben, um dann stürmisch in alle Richtungen zu wirbeln, dass reihenweise Bäume aus dem Boden gerissen werden. Der Wagen wird ordentlich durchgeschüttelt und kurzeitig in eine schwere Schräglage versetzt. Schimpfend lenkt Nils bei, um wieder auf den Boden aufzusetzen.
„Das ist die Apokalypse! Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber sobald die künstliche Schwerkraft aussetzt, sind wir im Arsch…“, bebt Nils Stimme.
Endlich kommt der Eingang zum Schacht hinter einer Kurve zum Vorschein, doch während sie noch näher heranfahren, stößt eine große Stichflamme dutzende Meter aus ihm heraus.
„Das passiert sicherlich kein zweites Mal.“, scherzt Jens trocken, während er die Klimaanlage einschaltet. Simon lächelt in Gedanken versunken und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die hinausgeschleuderten Trümmerteile werden vom Sturm wild in alle Richtungen versprengt.
„Hoffentlich stürzt der Kanal nicht ein. Müssen schließlich 10km bis an dessen Ende fahren.“, fürchtet Nils, der vorsichtig den Trichter hinunter fährt. Die Schwerkraft verläuft dort senkrecht, sodass sie in den runden Schacht hinein fahren können. Im Inneren leuchten nur noch vereinzelt Notlichter, dafür sprühen an vielen Stellen Funken.
„Solange die Schwerkraft besteht, haben wir eine reelle Chance.“, meint Nils, der sämtliche Lichter des Transporters anschmeißt. Niemand sonst ist vor ihnen zu erkennen. In der Ferne erkennt man ein schwaches Licht am Ende des Tunnels, das noch in sehr weiter Ferne liegt und nur als kleiner Punkt erscheint.
„Sollte sie ausfallen, aktiviere ich die magnetische Anziehung des Wagens, dies würde uns zwar enorm verlangsamen, kegeln dafür aber nicht in unser Verderben.“
Auf einmal verschwindet der Lichtpunkt und das Radio ertönt abermals: „Notausgang abgeschnitten, bitte verwenden sie einen anderen…“
Verärgert schlägt Nils aufs Lenkrad.
Im Thaler wird etlicher Dreck wie ein Sandsturm über die Landschaft gefegt. Dann hebt sich der ganze Unrat zusätzlich in die Höhe, bis die ersten Trümmerteile aus dessen Staubdecke herausschießen, und schlussendlich auf der anderen Seite wieder einschlagen.
Die Schwerkraft ist ausgefallen.

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EIN TAG

Volume 19, 08:00 - 08:35
Die Sonne strahlt durch mein Fenster und reisst mich aus dem Schlaf.
Erstmal den Rechner anschalten und die Rolladen herunter.
Ein Panda lächelt mir fröhlich von meinen sechs Bildschirmen aus zu.
Pandas. Ich mag Pandas.
Während der Kaffee durch die Maschine läuft logge mich im Forum ein.
47 neue Nachrichten.
Schon wieder. Warum, frage ich mich.
So viel kann doch in den drei Stunden seit meinem letzten Besuch nicht passiert sein.
Dann sehe ich es. Ein Etienne Thread der direkt von der selbsternannten Foren Elite gekapert wurde.
122 Kommentare über Ede’s Dutt.
Warum dies der erste Schritt Richtung Hipster sei. Warum Etienne die einzige Person ist, die so etwas tragen kann und darf.
Ich lösche die unpassendsten 35 Beiträge und fange leise an zu weinen.
Die stumpfe Dummheit der Beteiligten lässt mich an der Menschheit zweifeln.
25 Nachrichten.
Einige User sind der Meinung, dass die Diskussion über YouTube Uploads es verdient hat über diverse Threads verteilt zu werden. Ich verwarne sie nur. Vielleicht ändern sie sich.
13 Nachrichten.
Das Nacktbild einer Bewunderin. Nicht schlecht. 5/7. Doch meine Position als Moderator erlaubt es mir nicht, Beziehungen einzugehen. Und seien sie noch so flüchtig.
12 Nachrichten.
Spoiler der vorletzten Staffel irgendeiner Drachen Show.
Gelöscht.
10 Nachrichten.
Ein Mit-Moderator schickt mir eine Sammlung der besten Mutterwitze. Ich quäle mich durch die scheinbar endlose Liste. „lol“ antworte ich. Das wird mir hoffentlich ein paar Stunden Ruhe verschaffen.
9 Nachrichten.
Ich lösche sie ungelesen. Es reicht mir.
Die rechte Hand wandert langsam an meinem Körper hinunter.
Das einzige, was mich jetzt noch aufmuntern kann…
Nach 5 Minuten ist das Wunder vollbracht und ich fühle mich fast wieder wie ein Mensch.
Ich schalte Rocketbeans ein und schaue in den Chat.
Kappa.
Das wird noch ein langer Tag.

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Das Bauchgefühl

Samantha, oder auch Sam, wie ihre Freunde sie nannten, war schon immer sehr nervös gewesen. Schon im Kindesalter
wenn sie auf den Geburtstag eines Klassenkameraden gehen sollte, fühlte sie sich etwas unwohl. Das lag jedoch nicht daran das
sie Angst vor Zurückweisung hatte. Es war eher eine Art Bauchgefühl, das ihr sagte, das etwas nicht stimmte, das etwas anders sein sollte als es war.
Meist wurde ihr jedoch klar sobald sie auf der Party war, wie schwachsinnig es war zu glauben, dass immer etwas schiefgehen würde.
Nach ihrer Schulzeit wurde diese Nervosität weniger, war aber immer noch ab und an zu spüren. Bei ihren ersten Bewerbungsgesprächen,
ihrem ersten Date und auch bei ihrem ersten Mal.
Samantha ernährte sich gesund, betrieb Sport und man konnte sie wahrscheinlich als eine von den Personen bezeichnen, die keiner
Fliege etwas zuleide tun würden. Als sie mit einundzwanzig Jahren ihren Mann Henry in der Bar “Die fliegenden Bohne” kennen lernte,
hatte sie zum ersten Mal bei einer neuen Situation kein komisches Gefühl im Magen.
Die Bar verdank ihren Namen dem gleichnamigen
Cocktail, in dem eine einzelne Bohne war die durch eine bestimmte Zutat, die niemand wusste, da es ein langjähriges Familienrezept war,
aussah als ob sie fliegen würde. Henry liebte diesen Drink, da er nicht allzu süß war und wegen der Bohne, denn Henry war der einzige
in der Stadt der sie aß. Samantha liebte das an ihm, er war schon immer sehr eigensinnig gewesen und hatte viel Fantasie. Henry war
allerdings auch jemand der sehr Stur sein konnte. Als sie John bekamen, benannt nach Samanthas Vater,
beschlossen sie aus ihrer Heimatstadt in ein kleines Dorf zu ziehen. Womit Henry stark zu kämpfen hatte. Er hing sehr an seiner Heimat,
aber nicht so sehr wie an Sam und John, die ihm alles bedeuteten.
Die Jahre vergingen, John wurde älter, zog aus und gründete selbst eine Familie, die allerdings nicht so reibungslos lief. Seine Frau verließ
ihn und seine Tochter durfte er nur am Wochenende sehen, aber das ist eine andere Geschichte. Sam und Henry waren glücklich, sie hatten ein Haus,
einen Sohn der erfolgreicher Professor war und am wichtigsten sie hatten sich. Jeden Sommer saßen sie draußen in ihrem Garten und geniesten das Leben.
Während Samantha las, versuchte Henry weiter an seinem Schuppen zu bauen, was nicht gerade mit Erfolg gekrönt war.
Dann kam die Zeit in der Henry immer weniger am Schuppen saß und Samantha langsam eine Lesebrille brauchte.
Sie wurden zwar alt, ließen sich allerdings nicht davon abhalten weiterhin ihren Spaß zu haben auch wenn es zunehmend schwieriger wurde.
Samantha war inzwischen Achtundsiebzig Jahre alt, drei Jahre jünger als ihr Mann. Auch wenn sie versuchte so gesund wie möglich zu
Leben so konnte sie nichts gegen die Demenz machen, die sie vor zwei Jahren heimsuchte.
Sie vergaß immer mehr, manchmal ging sie dreimal am Tag zum Briefkasten um nach Post zu schauen. Es wurde zunehmend schwieriger für Henry
sich um sie zu kümmern, sie stritten inzwischen öfter und Henry suchte sich eine neue Bar.
Das war die erste Zeit in ihrem gemeinsamen Leben in der sie sich stritten. Zumal es belanglose Gründe waren,
es ging auch nicht darum das der Rasen nicht gemäht war. Insgeheim wussten sie beide sie hatten einfach nur Angst den anderen zu verlieren. Als sie letzte Woche zum Arzt gingen,
war der Höhepunkt der innerlichen Verwüstung gekommen. Samantha würde nur noch eine Woche zu leben haben.
Die Nachricht schlug ein wie ein Meteor auf die Erde. Für einen ganzen Tag brachte niemand ein Wort heraus. Den Rest der Woche verbrachten
sie meist in ihrem kleinen Garten, mit der alten Eiche auf der John früher immer rum geklettert war. Sie redeten über alte Zeiten, wobei
sich Samantha nicht mehr an viel erinnerte. Sie wirkte oftmals abwesend und Henry zerbrach jedes Mal wenn er sie so sah ein Stück mehr.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ging Henry, wie fast jede Woche, in seine Bar.
Sie gefiel ihm zwar nicht so wie die alte, aber sie tat ihren dienst. Sie half ihm nicht dauernd darüber nach zu denken das es nicht mehr lange dauern würde, auch wenn er nicht genau wusste wann,
war es bald soweit. Er würde ohne seine Samantha im Garten sitzen, nur darauf wartend das er sie irgendwann wiedersehen wird.
Nach einer Zeit setzte sich ein junger Mann neben ihn und fragte, was ihn so bedrücken würde. Als Henry ihm die Geschichte erzählte
antwortete der junge Mann, der ein bisschen so aussah wie Al Pacino in “Der Pate”, er könne ihm auf gewisse Weise helfen. Er bot ihm
einen Deal an. Ein Tag seines Lebens für einen weiteren Tag für sie. Henry lachte zuerst lautstark, doch der junge Mann blieb emotionslos.
Henry fragte sich ob er grade verarscht wurde, denn wenn war es nicht Lustig, allerdings hatte er auch nichts zu verlieren, also schlug er mit zweifelnden Gedanken ein.
Der junge Al Pacino verschnitt zog seinen dunklen Mantel an und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen aus der Bar.
Als Samantha am Nächsten Tag aufwachte fühlte sie wieder so eine seltsame Nervosität, was sie aber nicht weiter beschäftigte,
da sie sich schon lange damit abgefunden hatte, das es sie manchmal überkam. Nachdem sie den Tisch für das Frühstück deckte,
klingelte es plötzlich an der Tür. Bevor sie öffnete krabbelte wieder so ein komisches Gefühl hoch. Vor der Tür stand John, durchnässt
vom Regen mit Tränen übersätem Gesicht. Sie fragte was den bloß los sei und warum er so weinen würde. Doch als John ihr erzählte
das Henry letzte Nacht von zwei Leuten, die sich darauf spezialisiert hatten ältere Menschen zu überfallen, abgestochen wurde,
war ihre einzige Antwort, das sie nicht wusste, wer Henry sei. Nachdem John ihr versuchte zu erklären wer Henry gewesen ist, sie sich jedoch einfach nicht
daran erinnern konnte, entschloss er sich sie in ein Pflegeheim unterzubringen.
Er hätte auf sie aufgepasst aber er musste viel reisen und konnte sich deshalb nicht selbst um sie kümmern.
Samantha hatte von dem Tag an als ihr Sohn vor der Tür stand bis zu dem Zeitpunkt, wo sie starb,
jeden Tag um die selbe Uhrzeit dieses komische Gefühl im Magen, das irgendwas nicht stimmte.

The End

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Bedenkzeit

Ich betrete das Büro meines Chefs und nehme Platz. Aufgrund meiner hervorragenden Arbeit bietet er mir eine Beförderung an. Er redet über Chancen, Geld und Ansehen. Ich habe einen Tag Bedenkzeit. Dann spricht er über seinen Pudel. Ich nicke ab und zu und darf irgendwann gehen.
Zügig durchschreite ich den hell erleuchteten Flur. Mein Büro befindet sich im Westflügel.
Beförderung - nach einem Jahr.
Schon während der Schulzeit hatte es sich abgezeichnet. Im Jahrbuch wurde ich zum klügsten Kopf gewählt. Ein Studium war die einzige Option, verlief frei von Komplikationen. Reibungslos und geradlinig schritt meine Biografie voran. Eine Tür nach der anderen, die sich öffnete, ohne dass ich je einen Schlüssel herumgedreht hätte. Ein Headhunter vermittelte mich an dieses Unternehmen, dessen Namen ein jeder kennt. Keine Lücke im Lebenslauf. Meine Eltern waren stolz.
Und nun werde ich befördert.
Ich gehe an Billardtischen vorbei. Auf der anderen Seite steigen Leute aus dem Bällebad. Ich werfe einen Blick auf die Snackbar, doch bin zu satt. Ich kann nicht sagen, wann ich das Gebäude zum letzten Mal verlassen habe. Es gibt immer Arbeit zu erledigen. Und dafür wurde ich ja eingestellt.
Ich passiere die Brücke über der Eingangshalle. Eine Rutsche führt ins Erdgeschoss, direkt zu einem imposanten Springbrunnen. Ich habe die Rutsche einmal benutzt. Habe mir den Rücken dabei wehgetan. Obwohl es später Abend ist, ist alles hell erleuchtet. Das ist immer so. Hier ist immer Tag. Ich habe seit drei Wochen nicht mehr geschlafen. Es ist ein langer Tag.
Nun werde ich befördert.
Wenn ich mit Kollegen spreche, sehe ich immer nur Neid. Ihre Karrieren sind wie Leitern, die es mühsam zu erklimmen gilt. Ich rutsche nur, rutsche noch. Dabei will ich endlich ankommen.
In Gedanken vertieft bin ich an meinem Büro vorbeigelaufen. Damit niemand den Fehler bemerkt, bleibe ich vor einem Whiteboard stehen. Das bunte Gekritzel verschwimmt vor meinen Augen. Mir fällt ein, dass ich Anlage B noch ausdrucken muss. Ich drehe mich also um, gehe in mein Büro und starte den Druckauftrag. Der Drucker steht im Raum gegenüber. Jedoch bewegt sich nichts. Ich schalte ihn aus und wieder ein. Dann bemerke ich den Post-it am Boden. Ich klebe ihn wieder an den Drucker, sodass jeder das Wort DEFEKT lesen kann, und gehe zurück in mein Büro.
Defekt. Schlechter kann es einem Drucker kaum ergehen. Arbeitet er nicht, ist er nutzlos. Ich arbeite. Warum fühle ich mich trotzdem so leer, so sinnlos und gefangen? Was soll ich anfangen mit Geld und Ansehen? Mein Leben wirkt wie eine Kettenreaktion, die ich nicht mehr aufhalten kann.
Ich bin noch jung. Ich kann doch noch frei sein. Habe alle Möglichkeiten. Kann mir Träume erfüllen. Nur welche Träume? Ich schlafe ja nicht. Dafür braucht man Zeit. Wer frei sein will, braucht Zeit. Und die werde ich mir nehmen.
Ich schalte den Bildschirm aus und verlasse mein Büro. Vorbei an der Rutsche nehme ich die Treppe ins Erdgeschoss. Langsam nähere ich mich dem Ausgang. War es drücken oder ziehen? Es ist drücken. Das erste Mal seit Wochen verlasse ich das Gebäude. Die Kühle der Nacht begrüßt mich. Es riecht nach Regen. Und ich gehe ins ungewisse Dunkel.

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Pure “Was zur Hölle stimmt mit dir eigentlich nicht”-heit

“Ein Tag” lies und sprach ich aus.
Das ist das Thema? Ein Tag? Bevor ich das Thema kannte hatte ich Angst es würde mich zu sehr einschränken.
Das ich gezwungen werde eine bestimmte Handlung zu benutzen. Wird mich das Schlauchige Level Design unter den Themenvorgaben erwarten?
Wird meine Kreativität und Fantasie (oder wie Freunde gerne sagen “was stimmt mit dir eigentlich nicht?”) in ein
Korsett gesteckt das jede Entfaltung der “Was stimmt mit dir eigentlich nicht”-heit verhindert?
Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ein Tag. Das könnte praktisch alles sein solange es die Zeitspanne von 24 Stunden nicht überschreitet.
Also fing ich an einen ganz normalen Tag im Leben eines angehenden Starautoren, Agrarphilosophen und einer Legende in der Schnittlauchszene zu beschreiben.

Ich wache auf. Wie immer 40 Minuten zu früh. Wenn Zahlen Sozialverhalten hätten dann sind die grellen Zahlen auf dem Handydisplay die Asis unter den Zahlen.
Sie vespotten mich und lachen mich aus. “Du Gartenschlauch* hättest noch 40 Minuten schön weiterschlafen können”.
“Dann leg ich mich wieder hin und schlaf schnell wieder ein” denke ich mir. “mach das! Das geblubber aus der Dusche neben an stört dich dabei bestimmt nicht.
Außerdem trällert der Duschende die schönsten Lieder der 80er, 90er und von Heute lautstark wie eine sterbene Seekuh vor sich hin”
Auch wenn man keine Ahnung hat wie sich eine Seekuh anhöret ob sterbend oder nicht müssen sie zugebebn, dass das Interesse nicht so wahnsinnig groß
ist diese Wissenslücke zu füllen. Zu Recht!
Also verbringe ich die ersten wachen Minuten des Tages damit, auf das erlösende Bimmeln des Weckers zu warten.
Aber gleichzeitig hoffe ich das Bimmeln des Weckers würde mich noch lange nicht aus dem Bett zerren und ich könnte noch ewig
im flaushgewordenen Paradies verweilen.
Ich bin Jacks gespaltene Persönlichkeit.

Aber weil das doch nirgendwo hinführt und nun wirklich nicht sonderlich spannend ist (bis auf den Teil mit der Seekuh) habe ich Diese Idee verworfen.
Nein, es muss doch einen anderne Weg geben um mit diesem Thema umzugehen. Und da kam mir Idee Nummer zwei.
Wenn die Aufgabe ist etwas zum Thema “Ein Tag” zu schreiben was ist dann naheliegender als das aufzuschreiben
was man an genau diesen Tag geschrieben hat?!
Also durchwühle ich meine Emails, durchkämme meine WhattsApp Chats und grabe meine Tweets aus.
Irgendwo muss sich doch noch geeigneter Content verstecken. Es versteckte sich kein geeigneter Content.
Was ich Vorfand würde jeden Alkohol und Drogentest überflüssig machen. Kein Schimpanse auf diesen Planeten
würde so einen Bullshit frewillig das Licht der Welt erblicken lassen geschweige denn es noch einmal irgendwo
der Welt zeigen.
Leider blieb mir keine andere Wahl als genau das zu machen.
Ihr habt Heute sicherlich noch besseres vor als euch das anzutun. Also wer jetzt noch dabei ist, ist selbst schuld.
Du Regenschirm.
Das folgende Glanzstück der Literaturgeschichte entstammt aus einer WhattsApp Unterhaltung:

So, das erste Kapitel meines unveröffentlichten Romans ist soeben vollendet worden. Also höret und staunet.
Räusper
Autobiografischer Science-Fiction Fantasy Roman (nicht von den Leuten die den neuen fantastic Four gemacht haben)
Sein Name war Chang. Chang war ein ausgewachsener mitteleuropäischer Rhododendron Rühde. eines Abends,
es war 12 Uhr Nachmittags, da erblickte Chang etwas. Es war etwas das Chang geliebt hat in seiner Kindheit.
Den Penis des mongolischen Dorfpfarrers. Er hatte einen Namen den aus westlichen Regionen stammende Südalbaner nur
schwer ausprechen konnten. Deswegen nannten ihn alle “(trauriger smiley) delfingeräusch (Bürostuhl Emoji)”. Er war etwa
groß und hatte Haare. In einem späteren Kapitel seines Lebens (er war etwa neun selten alt) stieß Chang auf einen Afrikanischen
halbautomatischen nazistisch veranlagten Narzissen hassenden Nazi bepöbelten Ninja Dackel namens Joey. Er entschuldigte
sich und ging weiter. Aber genug von Jack. Zurück zu den Abenteuern von Sir Zirkelkreistraining zu Zeiten von König Jay Jay Duschbruase
McPflaume (super Twittername btw. Leider zu lang. Du weißt du hast ein scheiss Leben wenn das einzige was zu lang an dir ist dein
Twittername ist. First World Problem? Vielleicht. Aber sind die First World Problems nicht die wichtigsten? Immerhin
heißt es first World Problem. Wer interessiert sich denn schon für die Probleme der zweiten dritten geschweige denn der achten Welt?
Richtig, Niemand! Die sollen mal froh sein das die da kein Internet haben und nicht Opfer grausamer Troll Attacken werden können)
Aber zurück zur Geschhichte.
Es war so gegen 6:00 uhr da war Sir Zirkeltrining der angesagteste Ritter im Ikea Kinderparadies und rettetetete dutzende Jungfräuliche
Drachen vor blutrünstigen Burgfräuleinen (nicht zu verwechseln mit Hundeleinen).

Wenn sie das hier noch lesen dann Respekt! Obwohl… Nein! Wenn sie das hier noch lesen
dann tun sie mir Leid. Sie scheinen wirklich nichts besseres im Moment zu tun zu haben und wohlmöglich sollten sie sich schenllst
möglich in Therapie begeben.
Bis die netten Männer in dne weißen Kitteln kommen um sie abzuholen lesen die doch einfach weiter.

“Naja was solls wenigstens habe ich jetzt endlich einen Text den ich einreichen kann” Dachte ich.
Aber, da das kopieren anderer Texte verboten ist musste ich auch diese geniale Idde wieder
verwerfen. Also wieder alles auf Null.
Da sitze ich nun, ich habe immernoch keinen Text geschweige den nur einen Hauch einer Ahnung worüber ich schreiben soll.
Aber irgendwie hat es doch Spaß gemacht bis jetzt, sogar sehr. “Wieso macht es dir soviel Spaß zu schreiben” frage ich mich.

Weil du die Tastatur liebst und sie einfach nie loslassen willst?
Weil du es liebst wie deine kleinen dicklichen schrumpel Finger die
klumpigen tasten runter drücken und sie dannach wieder hochschnellen?
Weil das auftauchen neuer kleiner Buchstaben auf deinem Bildschirm dir
das gefühl gibt Gott zu sein? Du kannst darüber entscheiden ob das kleine
süße Times New Roman “a” leben oder sterben wird. Oder ob es plötzlich zu
einem großen “A” heranwächst. Ob es von den bösen Arial “b’s” gemobbt wird weil
es jetzt ein Comic Sons “a” ist, eine depressive Frust-fress-Phase durch macht bis
es ein fettes Comic sons “a” ist, sich dann aber wieder aufrappelt, abnimmt und sich
bei einem tragischen Unfall eine Geh Behinderung zu zieht und nun als kleines
kursives Comic sons “a” durch die Welt der Textverarbeitungsprogramme wandeln muss
bis es irgendwann auf den Friedhof namens Papierkorb landet.

Jetzt bin ich doch schon etwas ergriffen. Erstmal durchatmen.
Ich meine, es war erst voll das süße kleine Times New Roman “a” wo ich immernoch Tränen in den Augen bekomme
wenn ich nur dran denke. ES WAR SO SÜß! Es hätte jede Hauptrolle in jedem Disney, Dreamworks, Pixar oder sonst was
kinderfilm mäßiges bekommen können (abgesehen davon dass man für Animationsfilme keine Schauspieler braucht)
Und dann wurde es das nerdige Comic sons “a”. Der peinliche Sidekick unter den Buchstaben. Wo jeder
sagt: “der ist voll nett und witzig aber Hoffentlich spricht er mich nicht an”. Und dann wurde er auch
noch von diesen fiesen College-Sportler Arial “b’s” gemobbt und im die Fettsucht getrieben. (es ist Oke
jetzt zu weinen. Wirklich!) Aber hat das kleine fette Comic Sons “a” aufgegeben? Hat es den Freitod
durch die Backspace-Taste gewählt? Nein! Es hat sich ins Leben zurück gekämpft und den fiesen Bully Arial
“b’s” gezeigt, dass sie keine Gewalt über ihn haben. Und am Ende wurde es auch noch ein hässlicher
von der Gesellschaft ausgestoßener kursiv Krüppel. Also wenn du mich fragst sollte DiCaprio mal schnell hier
anrufen und mich anflehen die Rolle des “a’s” im kommenden 8 Stunden Epos (namens “a Movie”) übernehmen zu
dürfen. Das riecht hier aber mal ganz streng nach Oscar.

Wenn ich mir den Text nochmal so durchlesen schien die Idee mit den WhattsApp Verläufen garnicht so schlecht gewesen zu sein.
Naja besser als nichts (wobei ich mir nicht sicher bin ob es wirklich besser ist als überhaupt kein Text) , dachte ich mir und schickte es ab.

*Weil die Wörter die die asige Uhr im Handy mir entgegenbrüllt höchst verstörend sind habe ich sie durch irgendwelche harmlosen Wörter ersetzt.
Ich habe diese Methode dann beibehalten wenn die Aussagen zu opsön wurden um sie hier zu veröffentlichen.

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Der Tag des Phönix

Ich starrte in die Leere Dunkelheit, nur die Sterne waren zu sehen. Hin und wieder wurden sie jedoch von Rauchschwaden verdeckt, erstickt im Rauch, genau so wie wir die hier in der Dunkelheit standen. Wir standen auf einer Leiche, nicht auf einer menschlichen sondern auf einer Leiche die einst unsere Heimat war. Unser Planet war Tod. Nicht durch einen Unfall oder einer Naturkatastrophe. Nein, sie wurde getötet.
Zusammen mit meinem 10 jährigen Sohn Stand ich da und wartete. Wir alle warteten, das komplette Dorf war versammelt, tuschelten und tauschten besorgte blicke aus. Sie alle starrten wie ich in den Nachthimmel. Einerseits um nach unseren Rettern Ausschau zu halten und anderseits um nicht unsere Tote Heimat sehen zu müssen. Ich war der erste der sie schließlich sah, sie waren für das ungeübte Auge kaum zu erkennen. Ich beugte mich zu meinem Sohn und flüsterte ihn in sein Ohr: “Siehst du sie? Sie sehen aus wie Sterne, aber wenn du genau hin siehst dann erkennst du dass sie sich bewegen.” Schließlich entdeckten auch wenige andere unsere Retter. “Sie kommen!” rief jemand aus der Meute. Das Leid verschwand aus den Gesichtern der Menschen und leichte Euphorie machte sich breit. Vereinzelte Jubelrufe waren zu hören.
Jetzt blieben die hell leuchtende Punkte plötzlich stehen und es bewegte sich nur noch ein kleiner Punkt der schließlich immer größer wurde. Das Raumschiff, welches langsam auf uns zu kam, sah mit seinen Scheinwerfern aus wie ein Engel. Der Engel der uns Retten wird und uns den Weg aus der Apokalypse zeigt. Ein Engel aus Metall der nun fast über uns war und zur Landung ansetzte. Die schweren Türen gingen auf und Soldaten verließen das Schiff um eine geordnete Evakuierung einzuleiten. Ich nahm meinen Sohn an die Hand und trat ein.
Auf den Monitoren an den Sitzplätzen konnte man nun die Flotte sehen die auf uns wartete. Die Augen meines Sohnes wurden größer und er sagte: “Woah, so viele Raumschiffe. Papa mit so vielen Raumschiffen kann uns niemand besiegen nicht wahr?” Ich sah ihm in die Augen und zwang mir ein Lächeln ins Gesicht uns sagte “Nein Mein Sohn, uns kann nichts passieren.” während ich ihm über die Haare fuhr. Leider wusste ich, dass das nicht stimmte.

“Sie haben Glück meine Damen und Herren.” sagte der Mann mit den vielen Abzeichen auf der Brust der mit hinter den Rücken verschränkten Armen vor einem Projektor stand.
“Ich bin General Schukoch. Ich merke freundlichst an dass der erste der meint meinen Namen witzig zu finden ohne Umschweife aus der nächsten Luftschleuse entlassen wird.
Sie und Ihre Familien haben das einmalige Privileg an einem der größten Projekte der Menschheit Geschichte teilzuhaben.” sagte er mit einer typischen Militärischen strengen Mine. “Wie ihnen vielleicht aus erster Hand bekannt ist steht es nicht gut um die Menschheit Der Fremde Eindringling drängt uns immer mehr zurück. Doch sie, meine Damen und Herren haben das Glück dass sie der “vereinten Nationen der Erde kurz VNE” am Herzen liegen.” Natürlich lagen wir ihnen nicht am Herzen, wir waren nur mittel zum Zweck, eine Nummer, eine Statistik.
“Die klügsten Köpfe der VNE haben einen Notfallplan entwickelt um die Menschheit zu retten.
Dieser Plan wird auch “Operation Phönix” genannt. Eigentlich ist “Operation Phönix” Top secret aber ich habe so dass Gefühl dass sie nicht dazu kommen werden es in die Welt hinauszuposaunen”
Sagte der Mann mit einem hässlichen süffisanten grinsen. Dieser Mann genoss es, er genoss den Krieg, den Kampf egal wie aussichtslos er auch sein mag. Er genoss es dass alle anwesenden Erwachsenen in dem Konferenzraum Wachs in seinen Händen waren.
“Ich werde ihnen nun kurz erklären was hinter dem Namen “Operation Phönix” steckt. Ich erwarte allerdings nicht dass sie es wirklich verstehen. Nun… dann fangen wir mal an.” Er Räusperte sich und zeigte eine Projektion eines Schwarzen Lochs. “Das ist ein Schwarzes Loch, wir nennen es “Demon´s Maw” wenn ihr in der Schule ein wenig aufgepasst habt dann werdet ihr ein paar Eigenschaften eines Schwarzen Lochs kennen. Hier nun die Kurzfassung. Ein schwarzes Loch ist ein toter Stern. Bisher irgendwelche Fragen? Nein? Gut! Also weiter im Text. Wie ihnen vielleicht bekannt sein könnte schrumpft der Tote Stern und erreicht so eine extrem Dichte Masse, so dicht dass ihre Anziehungskraft so stark wird dass ihr Nichteinmal licht entkommt. Das war das Grundschulwissen jetzt kommt der kompliziertere Teil. Die Masse eines Schwarzen Loches ist so extrem dicht, dass sie nicht nur Licht anzieht, sondern auch noch den umliegenden Raum krümmt. Das hat die Folge, dass auch die Zeit in der Nähe eines schwarzen Loches langsamer vergeht als im normalen Raum. Um ein Vielfaches langsamer. So langsam, dass wenn sie ein paar Stunden in der Nähe eines Schwarzen Loches verweilen im normalen Raum Jahrzehnte vergehen. Fragen sie mich nicht wie das genau funktioniert ich dachte auch immer das Zeit nur eine Einbildung der Menschheit sei. So viel zum Theoretischen teil, nun kommen wir zum Plan. Die VNE hat mehrere Raumstationen bauen lassen und sie in die Umlaufbahn von “Demon´s Maw” gebracht. Vielleicht haben ein paar helle Köpfchen unter euch 1+1 zusammengezählt und den Namen Phönix mit den Stationen um Demon´s Maw kombiniert. Für alle anderen werde ich es noch etwas deutlicher Erklären. Wie sie wissen ist ein Phönix ein Vogel der aus seiner eigenen Asche wieder aufersteht, vielleicht erkennt der eine oder andere eine parallele zu unserer Situation. Die VNE hat vor ein paar der klügsten Köpfe, besten Soldaten und erfahrensten Generälen und Politikern in den Stationen um Demons Maw unterzubringen. Natürlich wäre das für eine neue Zivilisation zu wenig und hier kommt ihr ins Spiel. Ihr könnt euch glücklich schätzen, ihr habt quasi den Checkpott geknackt.” Sagte er mit einer Tonlage die eher gelangweilt als euphorisch klang.
“Ihr habt das Privileg mit euren Familien, die sich auf demselben Schiff befinden auf einer der 22 Stationen rund um Demons Maw niederlassen.” Es wurde plötzlich laut im Saal. Die Menschenmasse diskutierte heftig miteinander, die Meinung über das vorhaben war gespalten. Plötzlich rief jemand aus der menge: “Lieber sterbe ich als mich in die nähe dieses Schwarzen Loches zu begeben!” “Ich würde mir ihre Wortwahl gut überlegen Mister! Es ist nicht so als ob sie eine Wahl hätten! Niemand hier in diesen Raum hat eine Wahl! Es geht nicht um euch paar Individuen sondern um das überleben der Rasse. Ihr könnt euch glücklich schätzen dass ihr und eure Familien so eine Chance bekommt! Um ehrlich zu sein ist mir euer Leben ziemlich egal aber die Befehle der VNE sind unmissverständlich. Allerdings werde ich keine Revolte akzeptieren und der Nächste der meint hier mich unterbrechen zu müssen darf unser wunderschönes Schiff aus der Außenperspektive betrachten!” Es wurde allmählich wieder ruhig im Saal und der Mann der ihn unterbrach hatte es sich wohl anders überlegt und ergab sich seinen Schicksal nun schweigend. Der General setzte mit seinem emotionslosen Gesichtsausdruck fort: “Ihnen wird es vielleicht freuen zu hören dass sie nur ungefähr einen Tag auf der Station verbringen werden. Doch wenn dieser eine Tag für sie Zuende ist, werden im normalen Raum Jahrzehnte vergangen. Wahrscheinlich werde ich entweder unter der Erde Liegen oder meine Überreste werden im all vor sich hin treiben. Da sie allerdings nur einen Tag verbringen muss die VNE keinerlei Verpflegung und sonstiges liefern. Sie müssen sich auch keine Sorgen um die Aliens machen da sie keine Interesse daran haben sich das schwarze Loch zu nähern um nicht auch in dieser Zeitschleife zu gelangen. Sie werden auch nicht darauf warten bis eure Verpflegung zur Neige geht da wie gesagt sie Jahrzehnte darauf warten müssten und das wird es ihnen nicht wert sein. Sie sehen sie dass sie nirgends sicherer sein könnten als auf einer Phönix Station. Ich beneide sie.” Man hörte wieder ein leichtes Tuscheln, diesmal aber deutlich zurückhaltender. Die meisten schienen überzeugt worden zu sein. “Mit etwas Glück ist nach euren 24 Stunden der krieg vorbei und vielleicht haben wir sogar gewonnen. Sie, meine Damen und Herren sind die Zukunft, die Zukunft der Menschheit Die reise bis zu Demon´s Maw dauert noch ungefähr 7 Tage. Bis dahin fühlen sie sich auf dem Schiff wie zuhaue. Aber fassen sie nichts an sonst fliegen sie aus der Luftschleuse!”
Als ich endlich den Konferenz Raum verließ, suchte ich meine Kajüte auf wo mein Sohn schon auf mich wartete.

7 tage später waren wir endlich angekommen und ich stand mit meinem Sohn vor der Fähre in der Schlange die direkt zur “Phönix 7” fliegen würde. Doch plötzlich erbebte das ganze Schiff und sämtliche lichter fackelten kurz auf. Panik machte sich bei den Passagieren breit und die Soldaten die den Transport überwachen sollten schauten sich nervös um und sprachen in ihre Kommunikatoren. Wieder erbebte das Schiff und diesmal meldete sich sogar der Alarm. Der Hangar wurde in ein unheimliches Rot getaucht und über den Lautsprechern war auf einmal eine Stimme zu hören: “Hier spricht General Schuhkoch, wir sind in einen Hinterhalt der Aliens geraten die offenbar von unseren Plänen erfahren haben. Die Mission wird fortgesetzt! Ich wiederhole die Mission wird fortgesetzt! Die Shuttles erhalten Feuerdeckung und sobald sie dem Schwarzen Loch nahe genug gekommen sind sind sie in Sicherheit!” Die Soldaten ergriffen sofort die Initiative und beschleunigten den Prozess. Die menschenmasse stürmte auf den Shuttle zu, an Ordnung war nicht mehr zu denken. Ich hielt meinen Sohn fest an der Hand der zu weinen begann um ihn bei dem Gedränge nicht zu verlieren. Das Schiff wurde ein drittes mal getroffen und dieses mal so heftig dass sich ein Querbalken von der Decke löste und das Shuttle erfasste. Schreie waren zu hören als der Shuttle explodierte und die Überreste der Menschen herab regnete. Die aufgebrachte Menschenmasse konnte nur noch beruhigt werden als ein Soldat mehrere Salven in die Luft schoss und über ein Verstärker sprach: “RUHE! Wir führen euch zu einem anderen Shuttle an dem noch platz für einige weitere Passagiere ist!” Die Menschenmasse geleitet von den Soldaten machte sich nun auf zum nächstgelegenen Hangar. Die Soldaten in diesem Hangar warteten bereits auf die deutlich geschrumpfte Gruppe und riefen im befehlenden Ton: “Beeilung! Beeilung!” Die ersten Menschen traten bereits im Shuttle ein. Das Gedränge war allerdings so groß, dass viele Leute, vor allem Frauen und Kindern erdrückt wurden und ohnmächtig auf den Boden liegen blieben. Als der Strom immer weiter nach vorne drang stolperte ich über einen leblosen Körper und lies dabei meinen Sohn los der verzweifelt nach mir schrie und mit der Menschenmaß mit gedrängt wurde. “Papa! Papa wo bist du? Papa!!” Ich versuchte mich aufzurappeln aber ich wurde immer wieder von der Menschenmasse zu Boden getreten. “Papa!” Ich sah nur noch wie mein Sohn von einem Soldaten ergriffen wurde und in das Shuttle gebracht wurde. Ich rief nach ihm doch ich hatte kaum noch kraft. Dann sagte der Soldat der das Kommando hatte: “Das Shuttle ist voll es tut mir leid. Wir können keine weiter Person mehr aufnehmen.” Die Menge fing an zu schreien und man sah wie Frauen ihre Kinder in die Höhe streckten und riefen dass sie wenigstens ihre Kinder retten sollten. Endlich konnte ich mich wieder aufraffen und kämpfte mich nach vorne und sah ihn schließlich, Meinen Sohn wie er die menge nach mir absuchte und mich schließlich erblickte. “Papa!” Rief er “Papa ich will zu Papa!” “Nein, bleib da, bleib bei den Soldaten sie werden auf dich aufpassen! Es ist nur ein Tag! Nur ein Tag!” Rief ich als sich das Tor vom Shuttle langsam Schloss. In einem Tag werden wir uns wieder sehen!" Das letzte was ich sah war sein verzweifeltes weinendes Gesicht. “Nur ein Tag” murmelte ich leise vor mir her. Für ihn nur ein Tag aber für mich eine Ewigkeit. Aber ich werde nicht kampflos aufgeben, ich werde alles dafür tun um zu überleben, ich werde Kämpfen bis am Schluss damit ich ihn wieder sehen kann, meinen Sohn!"

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Der alltägliche Arbeitsgestank

Schon der erste Schritt ins Büro fiel Daniel schwer. Es war beklemmend für ihn, surreal, dass eine Notwendigkeit besteht jeden Morgen aufs neue durch die gleiche Tür zu gehen, die gleichen Menschen zu sehen und die gleichen Dinge zu tun. Aber sonst könnte er für seine Familie, bei der es gerade ohnehin nicht gut lief, kein Geld verdienen. Sie wären ohne seine Arbeit sicher nicht am Existenzminimum, trotzdem war es schön etwas dazu beizutragen, dass Daniels Frau und seine Tochter einen gewissen Standard an Luxus bekommen können. Das war gerade das Mindeste, das er tun konnte.
Die moderne Stechuhr zeigte 8:03. Er zog zwei Karten durch den Schlitz. Daniel kam oft zu spät, wenn er seine Tochter noch in den Kindergarten bringen musste. Der Streit am Morgen half ihm auch nicht dabei früh raus zu kommen. Für ihn bedeutete das, er müsse heute zwanzig Minuten länger arbeiten, ansonsten hielt ihm sein Chef wieder einen seiner berühmten Vorträge. Zumindest darin waren sie kulant; die Verspätung an sich war kein Problem im Betrieb.
Daniel begrüßte ein paar Gesichter auf dem Weg zu seinem Platz, den, wie er feststellen musste, einen neuen Aktenstapel zierte. Die Brust wurde Daniel ein Stück enger. Der gelbe Zettel der daran klebte machte ihn noch ein wenig wütender: „Bitte dringend an die neuen Vertragsbedingungen anpassen!!!“. So viele Ausrufezeichen empfand er als nichts Weiteres als Hohn. Er legte den Stapel beiseite, nahm sich ein paar Akten vor seine Tastatur, klappte die oberste in der Mitte auf und machte sich daran die Zusammenfassung des gestrigen Redskins-Spiels zu sehen. Das war eines der wenigen Sachen, die ihn etwas entspannen ließen. Der Chef brauchte noch eine Weile bis er im Büro ankommen würde.
Unnötig laut sagte eine hohe Stimme spitz „Ach, du schaust wieder dieses Rugby am Arbeitsplatz? Willst du noch eine Abmahnung?“ Der harmlose Speichellecker des Chefs, Dirk, war immer gewollt anderen eins reinzuwürgen. Somit würde er etwas besser dastehen. Aber es war niemand da, den es interessierte.
„Musst du nicht noch die Schuhe vom Chef putzen, Dirk?“, meinte mein Tischnachbar, der eben angekommen war. Michael war der einzige Mensch mit dem Daniel hier etwas anfangen konnte. Daniel gab ihm seinen Arbeitsausweis. Es war mittlerweile kurz vor 9 Uhr.
„Sorry, ich war 3 Minuten zu spät.“, sagte Daniel entschuldigend.
„Wieder Streit mit deiner Frau? Musstest du Maren noch in den Kindergarten bringen?“, gab er schulterzuckend zurück. Zur Antwort gab es ein zustimmendes Brummen.
Nachdem die Zusammenfassung fertig war, lies er sich noch einige Überschriften auf der Welt-Seite durch.
„In Göppingen gab es einen Amoklauf?“, wollte Daniel von Michael wissen. Er war in solchen Dingen immer bestens informiert.
„Ja, Freitag schon. Es gab 4 Tote.“. Daniel wurde schlecht. In solchen Momenten hasste er das Leben, hasste die Menschen, die Welt und vor allem den Tod. Seine Brust schnürte sich zu, es war als würde er durch einen langen Strohhalm atmen.
„Ich geh eine rauchen.“
Als er draußen war fühlte er sich ein wenig freier. Der Druck auf ihm war zwar nicht verschwunden, aber er wurde geschwächt. Daniel wusste, dass das ein kurzzeitiges Gefühl bleiben würde.
Als er seinen Chef anschlendern sah, ließ Daniel die Kippe fallen und lief zur Tür hinein.
Als das zweite Mal die Tür ging, hörte er seinen Chef sarkastisch rufen „Schon fertig mit den Verträgen?“ Zur Antwort bekam er ein undefinierbares Brummen. Das war wohl die größte Gabe seines Arbeitsgebers. Er konnte sich an jede laufende Aufgabe seiner Mitarbeiter erinnern.
Zurück am Arbeitsplatz machte er sich endlich an seine Aufgabe, die er ja „dringend“ ausführen sollte. Mit jeder neuen Akte, die er zu sich rüberzog, wurde ihm wärmer. Er fing an zu schwitzen.
Es war als würde ihn diese Arbeit aussaugen und immer schwächer machen, wie das Rauchen einen Husten verschlimmert. Doch hier half rauchen. Er ging vor der Mittagspause noch einmal raus, um sich zu beruhigen.
Warum fiel ihm die Arbeit so schwer? Es war eigentlich ganz einfach. Die veralteten Seiten durch neue austauschen, beim Kunden gegebenenfalls die neue Adresse erfragen und eine Änderungsmitteilung zuschicken. Das war alles. Das klang so leicht und nun fühlte es sich auch viel leichter an als noch vor 5 Minuten.
Entschlossenen Schrittes ging er zurück, selbstbewusster als zuvor.
Eifrig machte er sich an die nächste Akte. Es konnte so einfach sein. Es war als hätte man ihm den langen Strohhalm abgenommen und ihn direkt an die Sauerstoffflasche gehängt. Er vergaß seinen Chef, den Schleimbeutel Dirk, der immer wieder von hinten auf seine Arbeit blinzelte, auch den sonst eher ruhigen Michael, der heute immer mal wieder laut „Scheiße“ sagte, weil sein Drucker mal wieder nicht ging. Er ging nicht in die Mittagspause und vergaß sogar fast das Rauchen. Sein Motivationsschub konnte durch nichts gestoppt werden.
Als er etwa zwei Drittel des Stapels geschafft hatte, war es 14:22 Uhr.
„Sie wollten mir doch die Akte von Teichmann bis 2 Uhr auf den Tisch legen.“
Verdutzt schaute sich Daniel um. Sein Chef stand hinter ihm und musterte ihn mit einem strengen Blick. „Von Teichmann? Hatten Sie das gesagt?“
„Stand es denn nicht auf Ihrem Zettel?“ Für den Bruchteil einer Sekunde war ein Schmunzeln auf den Lippen des schlaksigen Mannes zu sehen. Zu kurz, um nicht Einbildung gewesen zu sein, wie der erste Blitz eines weitentfernten Gewitters.
„Nein, leider nicht.“ Daniel musste sich bemühen, um ruhig zu bleiben. Er schien plötzlich viel weniger Platz zu haben. Als wäre er an seinen Schreibttisch gepresst. Er durchsuchte die fertigen Akten.
„Hier ist sie ja. Teichmann.“ Er reichte ihm die Akte ohne ihm in die Augen zu schauen.
„Und die Akte Zeller?“
Die Sauerstoffflasche wurde ihm abrupt entrissen. Daniel musste sich konzentrieren, damit er nicht aufjapste. Er suchte mit schnellen Atemzügen die Akte Zeller. Sie war nicht im fertigen Stapel.
„Die ist noch nicht so weit.“
„An Ihrer Einstellung sollte sich bald etwas ändern!“, knurrte er und ging.
Die Sauerstoffflasche war wieder da. Zusätzlich eine Wasserstoffflasche. Wenn er nicht aufpasste, müssten bald alle Zeugen einer Knallgasprobe werden.
Da Daniel wieder alleine vor seinem Schreibttisch war, nahm er sich eine Zigarette aus der Schachtel und ging vor die Tür. Der Rauch löschte das Streichholz in der Lunge, das man für eine positive Knallgasprobe brauchte. Zumindest für eine Weile.
Da kam er wieder. Mit erhobenem Finger und einer Zigarette in der anderen Hand kam sein Vorgesetzter auf Daniel zu.
„Ihre Pause war vor 2 Stunden! Wenn Sie Ihren Beruf nicht ernst nehmen, sollten Sie sich vielleicht nach etwas Anderem umsehen!“
Daniel bekam ein breites Grinsen auf’s Gesicht. Fast hätte er angefangen zu Lachen. Alles war weg, der Druck auf den Schultern, die Enge um die Brust, der Streit mit seiner Frau, der Amoklauf, der schleimige Dirk, der Strohhalm, die Wasserstoffflasche, auch die Sauerstoffflasche. Zurück blieb Daniel, wie er war. Er ließ die angefangene Zigarette fallen.
„Na gut!“, sagte er zufrieden und ging.

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Brüder für einen Tag

Padus sah durch ein dreckiges Fenster die Sonne aufgehen. Es war ein heißer Morgen und am Himmel war keine Wolke zu sehen. Es war sehr still und nur der Wind zischte gelegentlich durch einige Spalten der Holzwände. Durch das erste Licht konnte Padus sehen, in was für eine trostlose Hütte er geflohen war. Eine Fensterscheibe war zerbrochen, die ganze Hütte war in einer Staubschicht eingehüllt, der Fußboden war von Sand bedeckt, aus dem vereinzelt Scherben herausragten. Doch inmitten dieser leblosen Umgebung kniete direkt hinter ihm seine Tochter. Ihre Jeans waren durchlöchert, ihrem Hemd fehlte der Kragen, ihre Unterlippe war aufgerissen und blutete und auch ihren langen, goldenen Haaren fehlte jeglicher Glanz. Padus wandte endlich seinen Blick von der Ödnis ab und drehte sich zu seiner Tochter.
»Melanie lies mir nochmal die ersten Sätze vor.«, sagte er und schaute konzentriert auf die Eingangstür.
Melanie nickte kurz, spuckte angeekelt von der staubigen Luft auf den Boden und las aus ihrem Notizheft vor,
»Das ist die Geschichte von Paul Padus Marcian. Der Ungeliebte, der Hochbegabte, der Hoffnungsträger, der Gescheiterte, der Mörder.«, Padus unterbrach sie mit trockener Stimme. »Lass Padus raus! Meine Mutter wollte mir nie erzählen, was es mit dem Name auf sich hat, also ist er unbedeutend.«
»Frag sie doch noch, was er bedeutet. Das könnte immerhin dein letzter Tag sein.«, antwortete Melanie zähneknirschend.
»Was denkst du? Werden die Leute mich nur als Mörder in Erinnerung behalten?«, fragte Padus zitterig.
»Viele Leute in unserem Land werden das tun. Doch wir wissen was geschehen ist und uns wirst du als Held in Erinnerung bleiben und mir als guter Vater.«, sagte Melanie und umarmte Padus. Dieser ließ seine Arme aber nur schlaff hängen und schaute ausdruckslos ins Leere. »Aber bin ich nicht noch mehr als das? Für dich bin ich ein guter Vater. Für meine Mutter bin ich der Ungeliebte. In der Schule war ich der größte Streber und für meine Generation war ich ein Aktivist, Politiker und sogar der große Hoffnungsträger. Deine Mutter prangerte mein Scheitern an, sagte mir ich solle fliehen aber ich hielt es für feige. Und mein Volk sieht mich jetzt als kaltblütigen Mörder. Das bin ich nicht. Niemand hat je gefragt als was ich mich sehe. Niemand hat je gefragt wer ich bin.«, vertraute Padus seiner Tochter an, während er sich mit dem Handballen einige Tränen aus den Augen wischte.
»Wer bist du?«, fragte Melanie leise, nachdem sie zum Fenster ging.
»Der Traurige.«, klagte Padus, hielt kurz inne, biss die Zähne zusammen und fuhr fort. »Der Einsame. Der Unvollkommene.«
»Es ist kein Wunder, dass du dich unvollkommen fühlst, wenn dein Leben wirklich schon im Alter von 50 Jahren enden sollte. Außerdem hat jeder mal einen Tag an dem er sich einsam und traurig fühlt.«, antwortete Melanie achtsam.
»Kein Tag. Ein Leben. Mir fehlte etwas mein ganzes Leben lang. Eine Lücke, die ich nie schließen konnte, die mich traurig machte, die mich verzweifeln ließ. Und jeder noch so schöne Tag in meinem Leben brachte mir im kürzesten, stillsten Moment eine tiefes Gefühl von Einsamkeit.«, sagte Padus beklommen. Melanie schaute ihn betroffen an.
»Und wer willst du sein?«, fragte sie Ihn. Darauf hörten beide ein immer näher kommendes Auto aus der Ferne, welches in Richtung der Hütte fuhr. Padus und Melanie schauten gemeinsam aus dem Fenster und sahen einen großen, schwarzen Jeep der eine riesige Staubwolke hinter sich ließ. Padus drehte sich vom Fenster weg, legte Melanie seine Hände auf die Wangen und küsste sie auf die Stirn. »Ich liebe dich Melanie. Deine Mutter liebt dich. Such nach ihr in Nordchile! Die Grenze ist nicht weit.«, sagte Padus und sah ihr dabei tief in die Augen, bevor er eilig zur Tür ging. »Was tust du?«, fragte Melanie irritiert. »Einmal das Richtige tun, mich stellen und dich nicht in Gefahr bringen.«
»Dich stellen? Du weist doch nicht einmal wer da kommt! Vielleicht ist es Großmutter.«, schrie Melanie ihm hinterher, während er zur Tür hinaus ging.
Der Jeep hielt wenige Schritte von Padus entfernt. Die Scheiben des Jeeps waren verdunkelt, sodass Padus nicht sehen konnte, wer sich im Jeep befand. Nach einiger Zeit öffnete sich eine Hintertür des Jeeps und Padus Mutter trat heraus. Padus war erleichtert, atmete tief aus, ging zu seiner Mutter und warf ihr einen genervten Blick zu. »Es ist sehr heiß. Du solltest nicht hier sein.«
»Ich bin in dieser Hitze aufgewachsen und kann damit leben.«, sagte die alte Frau mürrisch.
»Kommst du um mich sterben zu sehen? Hast du schon die Polizei verständigt? Oder sogar das Militär?«, fragte Padus aufgeregt und gleichzeitig wütend. »Ja, ich habe ihnen deine Position mitgeteilt aber ich bin nicht hier um dich sterben zu sehen.«, erklärte seine Mutter Ihm. Sie sprach für ihr Alter zwar sehr langsam aber immernoch ziemlich sicher und präzise. »Willst du mich etwa mitnehmen und mir bei einer weiteren Flucht helfen?«, wollte Padus wissen.
»Einen Teufel werd ich tun und mit dir in einem Kugelhagel sterben!«, schimpfte seine Mutter. »Deine Bündnisse sind am Ende. Deine Friedfertigkeit ist am Ende. Deine Politik ist am Ende und damit deine Pläne für ein besseres Peru. Ein erbärmliches Ende für ein erbärmliches Leben«, spottete die alte Frau.
»Ich war einer der größten Politiker dieses Landes, habe mein Leben lang für mein Land gekämpft, gegen Verbrecher wie dich gekämpft und nie die Unterstützung bekommen, die ich so dringend gebraucht hätte. Und jetzt stehst du vor mir, in meiner schlimmsten Stunde und machst mir Vorwürfe über mein erbärmliches Leben?«, fauchte Padus seine Mutter an.
»Das war kein Vorwurf, das war eine Entschuldigung.«, antwortete sie.
»Warum bist du hier?«, erkundigte sich Padus ungeduldig. »Ich muss dir jemanden vorstellen Paul.«
»Dustin komm raus!«, rief seine Mutter zum Wagen. Aus dem Wagen kam ein dünner, etwa 1,80 Meter großer Mann heraus. Er trug einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte und an seinem Handgelenk trug er eine goldene Uhr. Er hatte die gleichen dünnen, grauen Haare wie Padus nur einen deutlich volleren Bart. Der Blick auf seine ovale Kopfform, seine großen, grünen Augen, den vertraut wirkenden Abstand seiner Augen, die kleinen Ohren, sowie die großen Lippen ließen Padus entgeistert mit offenem Mund vor den beiden stehen. Auch Dustin hatte seine Augen weit aufgerissen und schaute die alte Frau fassungslos an.
»Dustin das ist dein Zwillingsbruder Paul. Paul das ist dein Zwillingsbruder Dustin.«, sagte die alte Frau ernst und schaute dabei ihre Söhne an bevor sie zur Hütte ging. Paul und Dustin ignorierten ihre Mutter schauten sich gegenseitig an und gaben sich die Hand. »Hallo Paul.«, sagte Dustin grinsend. »Hallo, mein Bruder!«, antwortete Paul schockiert. »Ich kann das nicht glauben. Du…du siehst tatsächlich aus wie ich.«, flüsterte Paul. »Es hat etwas gefehlt, es hat immer etwas gefehlt!«, weinte Paul bitterlich.
»Ich weiß!«, sprach Dustin immernoch erschrocken. Die alte Frau kam mit Melanie zum Wagen. Auch Melanie staunte und war sprachlos. »Schaut mal zu mir, ich will ein Foto von euch machen.«, sagte Melanie immernoch perplex. Nachdem sie mit ihrem Handy ein Foto von ihrem Vater und seinem Zwillingsbruder gemacht hatte, forderte ihre Großmutter sie dazu auf in den Wagen zu steigen.
Melanie setzte sich in den Jeep und flüsterte leise vor sich her,»Ich habe Vater noch nie so emotional gesehen«. Plötzlich hörte man von weitem die Rotoren eines Helikopters, worauf sich Pauls Mutter ebenfalls in den Jeep setzte und die Türen abschloss.
»Es tut mir Leid mein Kind.«, sagte die alte Frau und legte Melanie Handschellen an, die sie an einer festen Stange unter ihrem Sitz befestigte. Der Helikopter landete nach einiger Zeit direkt neben ihnen und zwei maskierte, stark-bewaffnete Männer liefen auf die beiden Brüder zu, schlugen Dustin mit einem Sturmgewehr auf den Hinterkopf zu Boden, fesselten Paul und nahmen ihn mit in den Helikopter.
»Neiiiinn!Papa!Neiiiiin!«, schrie Melanie laut und tritt wild um sich.
»Dein Vater war ein wichtiger Politiker. Vielmehr ist er aber ein wichtiger Mensch, der ein besseres Leben verdient hat. Ich bin nur eine Kriminelle.«, sagte die alte Frau und klebte Melanie mit Panzertape den Mund zu. Der Helikopter startete wieder und flog mit Paul davon. Es vergingen nur wenige Minuten, bis Sirenen die fürchterliche Stille beendeten. Als Dustin wieder zu Bewusstsein kam, vernahm er sofort die Sirenen und versuchte in den Jeep zu steigen. Er trommelte gegen die Fenster und zog mit aller Kraft an den Türen doch diese gaben nicht nach. »Der eine Sohn hatte ein tolles Leben. Der andere Sohn hatte ein furchtbares. Und nur ein Tag reicht um zwei Leben für immer zu ändern.«, flüsterte die alte Frau sich selber zu. Kurz bevor Dustin wegrennen wollte, hörte er wie mehrere Wagen hinter ihm anhielten und die Sirenen verstummten. »Hände nach oben und umdrehen! Es ist vorbei Marcian!«, rief eine Stimme hinter ihm. Der ahnungslose Dustin hob seine Hände, drehte sich mit gesenktem Kopf um und schaute schließlich nach oben. Als die Polizisten und Soldaten sein Gesicht sahen, eröffneten sie sofort das Feuer und Hunderte von Geschossen durchlöcherten Dustin und den Jeep. Nachdem Dustin von Kugeln zerlöchert in einer riesigen Blutlache auf dem Boden lag, rückten die Polizisten und Soldaten zum Jeep vor, zerschlugen die Scheiben und entdeckten dabei die Leichen einer jungen Frau und einer alten Frau. Die alte Frau trug ein Brief bei sich auf dem geschrieben stand: Für Sarah Marcian. Von Olithia Marcian. 23 Stunden und 40 Minuten nach ihrer Geburt trennte man meine Kinder. Heute war ich hier um ihnen die restlichen 20 Minuten für mindestens einen gemeinsamen, gelebten Tag zu ermöglichen. Paul Marcian hat das Marcian-Kartell nie unterstützt. In dieser Hinsicht ist er unschuldig. Bitte verzeihe mir, bitte verzeihe ihm. Die zuständigen Ermittler hatten den Brief zunächst nicht deuten können bis die Geheimdienste das Handy der jungen Frau entschlüsseln konnten und ihr letztes Foto sahen.

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The Way Of The Wiesel

Am Ende eines langen Zweiges im Baumdiagramm der hundeartigen Karnivoren findet sich ein wahrlich gerissener Räuber, das Hermelin. Es ist auf diesem Ast des Diagramms beileibe nicht der einzige skrupellose Killer. In seiner Familie gibt es neben ihm noch so manchen üblen Zeitgenossen mehr. Vor allem sein Großonkel, der Honigdachs, hat aufgrund seiner Furchtlosigkeit und Aggressivität internationale Berühmtheit erlangt. Doch von diesem dreisten und feisten, unpässlichen und berechenbar brutalen Artgenossen ist zumindest dieses eine Hermelin, um das es sich hier dreht, weit entfernt.

Das Hermelin ist klein, nur drei Viertel Pfund bringt es auf die Waage. Es ist schnell, blitzartig bewegt es sich von A nach B. Es ist leise, das erzählerische Geräusch seiner Bewegung kennt keine Vokale. Und es ist zu guter Letzt vor allem eins, extrem. Sein Gemüt kennt lediglich zwei Modi körperlicher Aktivität, Chillen und Terror. Zwischen diesen Zuständen wechselt es in einer Tour hin und her. Die Frequenz der Gemütszustandswechsel übersteigt bisweilen die Fähigkeit des Hermelins einzelne Gedankengänge voneinander zu separieren, beziehungsweise zu Ende zu denken. Daher passiert es regelmäßig, dass das Hermelin erst nach erfolgter körperlicher Aktion seiner selbst, geistig darauf zu reagieren vermag.

Hermelin: “Hände hoch Mörchenfresser, sonst…”

PENG!

Eiskalt streckt das Hermelin mit seinem Colt Peacemaker ein Kaninchen nieder. Der Mörchenfresser kippt vornüber in den Schlamm. Seine Brille rutscht ihm von der Nase.

Hermelin: ”…knallts!”

Überrascht senkt das Hermelin den rauchenden Colt. Es nickt wissend, dreht den Colt einige Male um die Abzugskralle im Kreis und lässt ihn anschließend geschmeidig in den Halfter an seiner Hüfte gleiten. Es zieht die Oberlippe hoch und entblößt weiße, sehr spitze Reißzähne.

Hermelin: “Well, well.”

Rechtlich gesehen gilt das Hermelin als geisteskrank, genau genommen als unerkannt geisteskrank. Das hat vor allem in Bezug auf die Haftbarkeit des Hermelins so seine Vorteile, da es aufgrund dieser Tatsache nicht für seine vorschnellen Taten belangt werden kann. Allerdings, und dieses allerdings ist leider nicht ganz unerheblich, gilt dieses eine Hermelin in den hiesigen Breiten des zoologischen Rechtsstaats im Gegenzug als vogelfrei. Aktuell ist sogar ein Kopfgeld auf den braunen Banditen mit dem cremefarbenen Bauchfell ausgesetzt. Einhundert Tropfen Gold gibt es für denjenigen, der das Hermelin tot oder lebendig den exekutiven Organen der feudalen Fauna übergibt.

Der Gesuchte selbst ist diesbezüglich indifferent. Je nach Gemütszustand ist er entweder stolz auf seine Gesetzlosigkeit oder er läuft Amok. Tendenziell häufiger erlebt man Letzteres. Ungerichtete Gewaltakte samt monumentalen Kollateralschäden entsprechen einfach mehr dem leicht hitzköpfigen Charakter des Hermelins. Dieser wiederum entspringt naturgemäß seinem adrenalingeschwängerten Metabolismus. Es ist folglich quod erat demonstrandum unschuldig und lediglich das Opfer seiner Triebe. So drückt sich das Hermelin selbst gerne aus und unterstreicht die Beweisführung stets mit einem klackernden Kichern.

Meistens, ja eigentlich immer, nicken diejenigen, denen das Hermelin diesen Bullshit aufgetischt, eifrig zustimmend. Nicht weil sie ihm wirklich zustimmen, sondern weil sie der maschinengewehrartigen Kadenz seines Wort-Outputs nicht in dem Maße folgen können um in dem Haufen Mist überhaupt irgendeinen Sinn zu erkennen. Und wenn doch, so stimmen sie der gequirlten Scheiße lieber schnell zu, als das sie dem hohen, schmerzvoll anzuhörenden Singsang des Hermelins noch weiter zuhören müssen. Es bedarf nicht vieler Worte des Hermelins bis einem das Blut in den Adern gefriert, sich alle Haare am Körper aufstellen und es eiskalt den Rücken hinunterläuft.

„LIFE IS DEDICATION“ – The Hermelin

Just gerade erwacht das Hermelin in seinem Bau. Es reckt sich und streckt sich und putzt sich das im Schlaf zerzauste Fell. Einen Moment guckt es verpeilt aus dem Fenster und versucht zu begreifen. Dann schüttelt es das „what the fuck happened“ mit einer Frequenz nahe dem Ultraschall von sich ab, trinkt einen Schluck und geht an die Arbeit. Das Hermelin folgt einem geheimen Masterplan der über allem schwebt, was es war, ist und sein wird. Die Verfolgung des Plans unterteilt sich in zwei Kategorien, on the job und off the job. Es sei angemerkt, dass Hermelin hat keinen Job, zumindest keinen richtigen. Es ist nicht so, dass es sich nicht als Angestellter im Betrieb der grandes mères versucht hätte, aber letztendlich musste es sich eingestehen, dass es mit einer ihm übergeordneten Autorität nicht klar kommt. Auch Kreativität ist nicht seine Stärke. Seine Stärke ist der Ehrgeiz, die Verbissenheit mit der es einen Plan verfolgt, DEN Plan. Sein Dienstherr ist folglich niemand anderer als es selbst. Es bezeichnet sich daher auch gern als freier Unternehmer, versteht sich aber mehr als ONE-MAN-ARMY. Das passt perfekt zum Masterplan und hat zudem den Vorteil, dass es nicht erst auf den Feierabend warten muss bis es das machen kann, was es machen will, was es gerne macht, wozu es geboren wurde es zu tun.

Entsprechend seiner Devise versteht das Hermelin alles was es im Rahmen seiner Zielverfolgung unternimmt als sinnvolle Arbeit. Es arbeitet also quasi immer, sobald es aus seinem leidlich notwendigen, komatösen Schlaf erwacht. Das klingt nach einem faulen Hund? Weit gefehlt! Nur selten zeigt das Hermelin in freier Wildbahn Zeichen entspannter Faulenzerei. Das Hermelin träumt nicht, es ist auf Zack. Es zieht zu nächtlicher Stunde von Spelunke zu Spelunke und stiftet Unruhe. Nicht wie pöbelnde Saufbolde. Nicht wie seine Ahnen die sich noch mit Fäusten rauften, bissen und mit Krallen bearbeiteten. Nein, Unruhe stiften, das ist mehr als rohe Gewalt. Es ist Einflussnahme! Es ist Meinungsbildung und -vertretung. Es ist die physische Präsenz des Gegensätzlichen, des ungewollten Ungeliebten. Es ist Disput und Diskussion und ja auch hin und wieder etwas oder etwas mehr animalische Auseinandersetzung auf Basis niederer Instinkte. Aber nicht aus Jux und Tollerei! Nicht zum Vergnügen oder aus Niedertracht! Nein wenn, dann allein zur Befriedigung essentieller Bedürfnisse. Da wäre allem voran sein Hunger auf rohes, blutiges Fleisch, von am liebsten nicht allzu altem Geschmeiß mit langen Ohren. Mord, sozusagen, als notwendiges Übel zur Bewahrung des somatischen Status Quo. Leben, durch Leben nehmen. Ein Procedere das zunehmend in Verruf gerät. Es gilt selbst dem nicht mehr als minder-gebildeten Proletariat als reichlich überholt zu Genusszwecken anderen Lebewesen Leid zuzufügen. Aber ist es wirklich barbarisch, einen leckeren Wiederkäuer zu zerhacken und mit Salat und Gurken zwischen Brot zu stecken?

Damit nicht genug, meint der Volksmund neuerdings, dass mittlerweile nun wirklich jeder noch so weit hinter dem Mond Lebende mitbekommen haben müsste, das laut neuesten Erkenntnissen, gerade das rohe, rote Fleisch als krebserregend entlarvt wurde. Kein Wunder also, dass es in der heutigen aufgeklärten Zeit für die Generation 2.0, der Generation next und 28 Days after, schier undenkbar, ja fast schon unnatürlich erscheint, es zu verzehren. Deshalb gehen sie für ihre Überzeugung auf die Straße, verlangen ein generelles Verbot des Fleischverzehrs und tragen T-Shirts mit dem Aufdruck: MEAT IS MURDER! Nicht gerade unglücklich ist das Hermelin darüber, dass gerade diejenigen, die diese oder ähnlich geartete Parolen am lautesten proklamieren, ganz vorzüglich schmecken, irgendwie exotisch.

Es ist Mittag. Die Sonne brennt auf das ausgedörrte Land hinab. Die feigen Killerhasen verschanzen sich vor der Hitze in ihren Löchern. Instinktiv weiß das Hermelin das zu dieser Tageszeit nichts zu holen ist. Gerade deshalb gestaltet sich seine Arbeit jetzt mindestens ebenso kraftzehrend wie des Nachts. Es tut zwar nichts, aber eben dieses Nichts umzusetzen stellt eine große Herausforderung dar. Um seiner naturgegebenen, körperlichen Triebsamkeit entgegen zu wirken, muss sich das Hermelin tagsüber massiv herunterkiffen. Dazu kaut es Stechäpfel und trinkt Eichelweise Schnaps. Mit Hilfe des Drogencocktails kommt es einigermaßen zur Ruhe und ist zeitweise sogar in der Lage Maus und Tastatur zu bedienen. Die langen Mittagsstunden verbringt es dann vor dem Bildschirm und streamt für den Kanal seines Bruders „WildWeasel“ Ego-Shooter. Zuerst spielt es Serious Sam mit der populären Rabbit-Skin Mod. Zu Dutzenden stürmen darin hasenartige Wesen auf ihn zu. Es gleicht einem aussichtslosen Kampf. Immer mehr Langohren stürmen hervor. Rote Selbstmord-Rammler, weiße Giftzahn-Welpen und scharen blitzschneller Kung Fu - Feldhasen. Doch „B4nd1t-W34sel“ behält die Übersicht, weicht langsam zurück und reinigt den Bildschirm mit langen Salven aus der AK 47, wieder und wieder. Der Chat rastet aus, M-M-M-MULTIKILL, PENTA-KILL, RAMPAGE! „Hasenhexxler33“ spendet 3 Tropfen Gold. Schließlich läuft der Abspann und eine Friedenstaube steigt auf. Die AK spricht ein letztes Mal, Feierabend.

Zufrieden widmet sich das Hermelin anschließend den sozialen Medien. Der Stream-Chat ist live dabei. Die Stimmung ist erregt. Das Hermelin führt den digitalen Mob an. Es durchforstet Foren und Blogs, Tubes und Chats und trollt zu jedem noch so harmlosen Thema das die Kanickel meinen im Web breittreten zu müssen.

Lila Häschen: “Hallo Leute! Heute präsentiere ich euch mein neuestes Rezept für den Sommer: Löwenzahn-Heidekraut-Kompott. Klingt das nicht lecker?”

Hermelin: “Gegenvorschlag: Hasenbraten”

Lila Häschen: “Haha, sehr witzig du Idiot.”

Hermelin: “Alternativ: Schmorbraten vom Lila Kanickel, am Spieß gebraten oder fettarm im eigenen Saft gegart”

Willi Widder: “Du kranker Psychopath. Du hast wohl nichts Besseres zu tun als hier deine schlechten Sprüche zu klopfen. Verpiss Dich!”

Lila Häschen: “Echt jetzt, get a life!”

Hermelin: “Schlachterplatte”

Der Chat grölt. Die Spenden erreichen ein neues Allzeithoch. Zeit Schluss zu machen, schließlich setzt erneut die Dämmerung ein. Es ist Zeit wieder los zu ziehen um den Akt der Unruhestiftung als dedizierte Form der Weltverbesserung erneut zu praktizieren. Ach ja, und das Loch im Magen mit leckerer Hasenkeule zu füllen. Das Hermelin pirscht im Zwielicht durch den Wald, stielt sich über Wiesen und Felder und stellt sich der überall lauernden Bedrohung durch die zahllosen Jünger des King of Fuck, El’Rabbit de Continuamente Caliente.

Eben jener, männliche Vertreter vom Aste der hasenartigen Herbivoren, ist der heimliche Herrscher über die Fauna und der Antagonist des Hermelins. Hinter einer Fassade aus Niedlichkeit und dem medienwirksamen, augenscheinlich harmlosen Mümmeln, versteckt er die in ihm beheimatete, gnadenlose und unbändige Geilheit. In gebeugter Fresshaltung weiß der gewaltige Rammler von seiner hinter vorgehaltener Pfote propagierten Direktive zur vollständigen Verdrängung aller fleischfressenden Rassen durch hyperexponentielle Vermehrung seines Gleichen abzulenken. Ob eine solche überhaupt existiert sei dahingestellt. Ob eine solche funktioniert? Fakt! Während die Rassen vom herrlichen Baume der Karnivoren stets weniger werden, entwickelt sich die Gesellschaft der Pflanzenfresser in geradezu angsteinflößendem Maß exponentiell. Wie? Easy peasy, eben ein paar Vertreter der eigenen Art mit irgendeiner Krätze infizieren, Hasenseuche, Kanickelpest oder weiß der Geier was es sonst so gibt und ab mit den armen Schweinen auf die Wiese. Da kommt auch schon der smarte Prädator daher, sieht, riecht, versteht aber nicht, frisst den Dreck und zack, tot.

Deshalb, so hat das Hermelin für sich beschlossen, wird es sein Leben dem Widerstand gegen den apokalyptischen Frieden widmen. Schritt 1 hierbei: Ein gewisser weißer Riese muss das Zeitliche segnen. Der globale Warlord der Herbivoren ist jedoch wahrlich ein Riese mit der vielfachen Körpermasse des Hermelins. Der Colt Peacemaker, des Hermelins bevorzugtes Mittel zur Futterbeschaffung und Meinungsvertretung, kommt für diesen Job folglich nicht in Frage. Es muss etwas mit mehr Durchschlagskraft sein, etwas Drastisches.

Kurz vor der Morgendämmerung hat das Hermelin einen Geistesblitz. Seine schmalen Lippen ziehen sich hinauf bis fast zu den kleinen süßen Puschelohren. Seine Messerscharfen weißen Zähne blitzen auf. Das Hermelin reibt sich die Pfoten und starrt in weite Ferne. Ein heiseres Klackern steigt aus der Tiefe seines filigranen Körpers auf. Dann zischt es davon, hektisch und ohne Vokale. Es sprintet über Wiesen und Felder zurück in seinen Bau. Mit einem weiten Satz schießt es den Eingangstunnel hinab, prescht durch die Stube, vorbei an abgenagten Hasenknochen, übervollen Aschenbechern und leeren Schnapseicheln. Es schlüpft durch die Tür zur Schlafkammer mit dem weichen Moos und dem runden Fenster. Hier kann es gelingen, hier wird es gelingen. Hier, wo es nach Hermelin und Frieden riecht und auch ein bisschen wie damals bei Mama, hat es auf einmal ein Déjà-vu, einen kurzen Moment der vollkommenen Erkenntnis. Ein Tag, mein Leben, ein Tag. Dann ist es bereits eingeschlafen.

Such is the way of the Wiesel.

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